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Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 18.10.2017: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/10/18/gott-erkennen/

Gott erkennen - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 18. Oktober 2017

Wir können Gott nicht hören,
doch wenn wir ihn hören wollen,
hören wir ihn in Menschen sprechen,
in den Propheten, in der Bibel, in unserem Geist und Verstand,
– in den tröstenden, guten Worten der Menschen, die ihn lieben.

Wir können Gott nicht spüren,
doch wenn wir ihn spüren wollen,
spüren wir ihn manchmal in guten Ereignissen,
in Träumen und Gedanken,
– in den guten Taten von Menschen, die Gott lieben.

Wir können Gott nicht sehen,
doch wenn wir ihn sehen wollen,
ahnen wir seine Phantasie in seiner wunderbaren Schöpfung
wir sehen ihn in Jesus Christus
– in Menschen, die ihn lieben.

 

Diskussionsfaden
6 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
18. Oktober 2017 um 8:32 Uhr

doch wenn wir ihn spüren wollen, spüren wir ihn manchmal in guten Ereignissen,

Das ist eine sehr selektive Wahrnehmung der Realität. Wo ist denn Gott in den schlechten Ereignissen? Das Problem der Theodizee konnten die Theologen bis heute nicht beantworten. Und das wird auch so bleiben.

Wer seinen Gott die guten Ereignisse zutraut, muss ihn auch für die schlechten verantwortlich machen: Es ist zynisch, seinem Gott zu danken, wenn man einen Flugzeugabsturz überlebt, bei dem über 90% der anderen Passagiere sterben, es ist zynisch, ein Tischgebet zu sprechen und seinem Gott für die Speisen am überreichlich gedeckten Tisch zu danken, wenn gleichzeitig Millionen Menschen hungern und verhungern.

 

Wolfgang Fenske
19. Oktober 2017 um 9:01 Uhr

Meine Reaktion auf die Theodizee-Frage kann man hier nachlesen:

http://evangelische-religion.de/theodizeeleiden.html

und:

http://evangelische-religion.de/gott-und-leid.html

 

Holger Gronwaldt
19. Oktober 2017 um 11:09 Uhr

zum 1. Link: "die Evolutionsthese vom Überleben des Stärkeren"

Eine solche These wird nur von biologischen Laien verwendet und hat mit der Evolutionstheorie nichts zu tun. Nicht der "Stärkere", sondern der am besten an die jeweiligen Umweltbedingungen am besten Angepasste gibt seine Gene weiter. Das Überleben des Individuums spielt für den Fortgang der Evolution praktisch keine Rolle. Ausschlaggebend ist allein dessen Beitrag zum Genpool.

"Denn von der Evolutionstheorie her gesehen, sind alle Leidempfindsamen schwach, legen sich selbst lahm und müssten entsprechend ausgestorben sein."

Auch das ist eine Aussage von jemandem, der die Evolutionstheorie nicht verstanden hat und geht an der eigentlichen Sachlage meilenweit vorbei. Siehe oben.

"Durch bewusste Leidempfindung macht Gott uns Menschen zu dem Besonderen: zu menschlichen Menschen."

Wiederum eine völlig unhaltbare These, denn "bewusste Leidempfindung" ist nichts spezifisch Menschliches, sondern bereits im Tierreich bei Arten, die in sozialer Bindung leben (Primaten, Elefanten, Wölfe, u. v. a.), weit verbreitet. Tatsächlich sind die emotionalen Unterschiede zwischen uns Menschen und anderen Tieren weit weniger ausgeprägt, als selbst Biologen noch vor wenigen Jahren glaubten.

Eine sehr große Schwäche des ganzen Artikels besteht darin, dass das Leiden durch natürliche Phänomene, angefangen bei Krankheiten, die nicht durch "böse" Taten anderer Menschen verursacht werden, bis hin zu Naturkatastrophen komplett ausgeklammert wird. Das geschieht wohl deshalb, weil es den Theologen bis heute nicht gelungen ist, darauf eine adäquate Antwort zu finden.

 

Holger Gronwaldt
19. Oktober 2017 um 11:25 Uhr

zum 2. Link

Auch hier bleiben wesentliche Fragen ohne Antwort: Warum gibt es Leiden, das nicht durch "das Böse" verursacht wird, warum leiden bereits Babys an furchtbaren Krankheiten, obwohl sie viel zu jung sind, um sich reflektiv mit ihrem Leiden auseinander zu setzen?

Warum müssen nichtmenschliche Kreaturen milliardenfach leiden?

Die moderne Biologie liefert zu diesen Fragen plausible Antworten, die Religionen nicht.

 

Wolfgang Fenske
20. Oktober 2017 um 7:43 Uhr

An dieser Stelle kann man Stärke auch durch Fit-Sein ersetzen - ich sehe an dieser Stelle keinen Unterschied. Dass es nicht um den "Stärkeren" geht im Sinne: Kraft, hat sich auch zu mir herumgesprochen. Es geht ja im Kontext auch um Flucht - und da kann auch der Klügere überleben, weil er ein Versteck kennt… Denn derjenige, der nicht flüchten konnte, hat nichts zum Genpool beitragen können… Oder hat - wenn einer Leiden überwunden hat - er irgendwie durch das Leiden den Genpool stabilisieren können? (Epigenetik?) Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht darum, dass Leiden das Individuum schwächt.

Sie haben zu Recht intendiert: Man sollte zu Punkt 6 "Theologische Reflexion" schreiben, weil da ja nur ein paar Punkte etwas Plakativ angetippt werden können. (Ich habe es entsprechend korrigiert.) Die Antwort bleibt gleich. Meinen Sie mit "plausiblen Antworten" der Biologie: Werden - irgendwie Leben - Vergehen? Ist das eine befriedigende Antwort? Wir Menschen denken über die Biologie hinaus. Das nicht allein in dieser Frage. Biologie liefert Fakten (auch in der Ethik?) - aber wir bleiben dabei nicht stehen. Warum? (Ist die Frage, warum unschuldige Babys leiden, nicht auch schon eine Frage, die über die Biologie hinausgeht - und das Konzept von "Strafe" hinter dem Leiden sieht?)

In Punkt 6 nehme ich den Menschen in den Blick und Zeilen 1f. denken auch kurz an die Tiere. Aber sagt "die" Biologie, dass Tiere bewusst Leiden wahrnehmen? Ich kenne die Diskussion um die Frage: Was ist Bewusstsein. Habe vielleicht nicht mitbekommen, dass man nun "die" Antwort weiß - aber Sie deuten an: Man weiß mehr, als die Biologen "glaubten".

In der Biologie gibt es nichts Böses. Da wir Menschen auch darüber nachdenken, habe ich dieses hier genannt: http://evangelische-religion.de/das-b%C3%B6se.html Ich gebe zu: Auch das nicht erschöpfend. Das sind keine 1000 seitigen Abhandlungen, die geboten werden, sondern ein paar Schlaglichter.

Dass Theologen nicht "die" Antwort haben, die alle nachvollziehen können, ich denke, das wird an den gestern verlinkten Beiträgen deutlich, die die Vielfalt an Antworten der Religionen wiedergeben. Das wäre Arroganz, das zu behaupten. Wir haben Versuche aus dem Glauben heraus, die Glaubende zum Nachdenken bringen und als Baustein für ihre Welterklärung aufnehmen können.

Ich lege übrigens den Schwerpunkt auf den Menschen - nicht auf Katastrophen, das hängt mit dem ethischen Ansatz zusammen. Denn auch angesichts der Katastrophen, die man nicht verändern kann, muss man lernen, mit Leiden umzugehen - und hier gibt der Glaube Möglichkeiten.

Wie das jeweilige Gottesbild aussieht: Gott ist für Leiden zuständig, er ist es nicht, der Widersacher, einfach Schicksal usw. ist abhängig von dem jeweiligen Glaubenden und seinen Welterfahrungen, -interpretationen. Und wenn man Gott für nicht existent hält, ist das sowieso nicht sinnvoll, darüber nachzudenken(Korrigiert 9:31 Uhr).

 

Holger Gronwaldt
20. Oktober 2017 um 14:11 Uhr

Meinen Sie mit "plausiblen Antworten" der Biologie: Werden - irgendwie Leben - Vergehen? Ist das eine befriedigende Antwort?

Nun, biologisch lässt sich unsere Existenz mithilfe der Evolutionstheorie widerspruchsfrei erklären. Ob eine Antwort, die uns die Natur liefert, für uns befriedigend ausfällt, ist zunächst zweitrangig. Wichtig ist vor allem, dass die Antwort zutreffend ist.

Religionen geben allzu häufig Antworten, die zwar unseren Wünschen entsprechen, aber nichts mit der Realität zu tun haben.

Wir Menschen denken über die Biologie hinaus.

Unbedingt! Denn das macht einen goßen Teil unseres Menschseins aus.

"Biologie liefert Fakten (auch in der Ethik?) "
Die Ethik stellt nicht die Frage was ist, sondern was sein soll. Wir können zwar gewisse Grundlagen unseres ethischen Empfindens, z. B. Altruismus, biologisch erklären, aber das würde zu kurz greifen, da Natruwissenschaft und Technik es uns inzwischen ermöglicht haben, in Bereiche vorzudringen, in denen angestammte biologische Programme nicht mehr genügen. Hier ist allerdings nicht der Platz, das ausführlicher zu diskutieren. Als Hinweis muss genügen, dass ich persönlich auf den evolutionären Humanismus baue.

Und wenn man Gott für nicht existent hält, ist das sowieso nicht sinnvoll, darüber nachzudenken"

Ich halte es aber für sinnvoll, darüber nachzudenken, wo die diversen Religionen mit ihrer Interpretation im Widerspruch zur realen Welt liegen.

Das fängt schon bei relativ einfach zu durchschauenden Thesen an. So ist die Vorstellung eines gleichzeitig allwissenden und allmächtigen Gottes schon rein logisch nicht haltbar: Ein Gott der allwissend wäre, müsste auch die Zukunft kennen und damit fehlte ihm die Möglichgkeit, sie zu ändern, also die Allmacht, vom freien Willen ganz zu schweigen. Umgekehrt gilt die Logik natürlich auch: ein Gott mit freiem Willen könnte nicht mehr allwissend sein, da er seine zukünftigen Entscheidungen nicht kennen würde.

Auch einen gütigen Gott kann es angesichts des Leids, dass auch völlig ohne Zutun von uns Menschen schon besteht (im Tierreich: friss oder werde gefressen, Naturkatastrophen) nicht geben.

(Ist die Frage, warum unschuldige Babys leiden, nicht auch schon eine Frage, die über die Biologie hinausgeht - und das Konzept von "Strafe" hinter dem Leiden sieht?)

Das hängt ganz davon ab, welche semantische Bedeutung man dem "warum" unterlegt. Die Biologie kann eine ziemlich klare Antwort geben, wenn nach der innerweltlichen Ursache gefragt wird: genetische Disposition oder Umwelteinflüsse. Hier stellt sich natürlich nicht die Sinnfrage.

Fragt man also nach dem "Sinn" des Leidens, dann wird man die Antwort ehrlicherweise schuldig bleiben müssen. Man kann zwar ausgehend von der eigenen religiösen Vorstellung eine tentative Antwort geben, doch wird diese ausnahmslos am harten Felsen der Realität zerschellen. Dies zeigt ja auch das vergebliche Bemühen der Theologen, das Theodizee-Problem in den Griff zu bekommen.

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