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Atheismus und Christentum

Ausgangstext 11.11.2017: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/11/11/himmel-und-hoelle-gottes-wille/

Himmel und Hölle - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 11. November 2017

Mit dem Gleichnis von Mt 25,31 ff. handelt es sich um ein altes Gleichnis, in dem von einem König die Rede ist, und dieser König hat Macht. Jesus hat nichts von einem Bundeskanzler sagen können, der in einer Demokratie Richtern unterliegt, die ebenfalls an rechtlichen Strukturen der Gegenwart gebunden sind. Zudem gibt es aus historisch-kritischer Sicht Spannungen im Text, weil Textwachstum erkennbar ist. (Dass wir von Jesus gar nichts mehr wirklich wissen, ist wissenschaftlich gesehen falsch. Darüber ein andermal mehr.) Das muss man alles berücksichtigen – aber egal, das betrifft nicht das Zentrum der Kritik von H.G. (s. Kommentare) an dem Gleichnis: Die Rede von Hölle.

Das Thema Himmel und Hölle ist älter als Jesus – das hat das Volk Israel aus dem Zoroastrismus (Iran/Zarathustra) übernommen, der das wohl auch schon von älteren Traditionen übernommen hatte – aber auch bei den alten Griechen kamen die Kriminellen in den heißesten Teil der Unterwelt. Hölle ist (nicht nur) aus gegenwärtiger Sicht interpretiert: Gottesferne.

Kirchengeschichte: Hölle – Feuer – Fegefeuer als Ort der Reinigung! (dennoch nicht angenehmer, vermute ich) – muss vermutlich bildlich verstanden werden, weil Menschen ahnten, dass das Menschen mit ihren Körpern nicht (1000 Jahre) durchhalten – und die Seelen eine andere „Konsistenz“ haben dürften (den Künstlern, die sich das wundergrausam ausgemalt haben zum Trotz) – aber damit habe ich mich noch nicht intensiv beschäftigt, weil ich mich lieber mit dem Himmel beschäftige, mit dem Evangelium, das ja vor der Gottesferne retten soll. Vielleicht sind viele Christen – was ihre Aversion gegen die Hölle erkennen lässt – von mittelalterlichen Höllenvorstellungen gebrannte Kinder – und meiden diese, so gut es eben geht.

In der Kirchengeschichte gab es absolute Grausamkeiten und Irrationalitäten, die mit Jesus nichts zu tun hatten, eher mit der Bestialität der Menschen. Ich denke, als Kirche sind wir heute dabei, so etwas aufzuarbeiten und entsprechend neue Vorzeichen zu setzen, von denen wir ausgehen, dass sie dem Maßstab, den Jesus gesetzt hat, eher entsprechen. Und Jesus hat nicht geraten, anderen die Hölle zu bereiten, sondern geraten, andere davor zu bewahren, auch in von Menschen bereitete Höllen zu kommen. Sein Bestreben: Gemeinschaft, Vergebung, Sensibilität für Notleidende setzt er den von Menschen gemachten Höllen entgegen.

Man kann Gleichnisse überstrapazieren, indem man sie in Richtungen ausdeutet, in die sie nicht ausgedeutet werden dürfen. Angesichts des Gleichnisses vom Schatz im Acker – ein Mensch verkauft alles, damit er nur noch diesen SchatzAcker kaufen kann – sollte man nicht fragen: Und was isst er jetzt? Gold kann man nicht essen! Verhungert der arme Mann? – denn es geht um etwas anderes: die Freude daran an Gottes Reich, dem Schalom (s. unten) mitzuarbeiten. Und worum es Gleichnissen geht, erschließt sich nach längerem Nachdenken, was sie mit den Koans (https://de.wikipedia.org/wiki/K%C5%8Dan ) gemeinsam haben. Und so könnte man aus dem Gleichnis Rassismus heraus lesen, denn was können Böcke dafür, dass sie Böcke sind und Schafe, dass sie Schafe sind? Jedes der Gleichnisse Jesu kann überstrapaziert werden. Es sind jedoch kleine Bildergeschichten, die mich in ein ganz bestimmtes Denken hineinziehen wollen. Und hier (Mt 25,31ff.) geht es darum, dass Menschen, die aus Mitleid anderen helfen, von Gott belohnt werden, und diejenigen, die anderen nicht geholfen haben – eben anderen die Hölle bereitet haben – die Gottferne (eben die Hölle, die sie anderen bereitet haben) erleben dürfen. Dürfen. Denn das wollen sie ja.

In dieser Hinsicht finde ich den GroßInquisitor von Dostojewski (https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Gro%C3%9Finquisitor ) so spannend: Menschen der Kirche würden auch Jesus hinrichten, weil er ihnen in die Quere kommt. Das habe ich aber schon neulich geschrieben, dass der Mensch gegen Gott kämpft – dass das eben das Wesen der Sünde / Schuld gegen Menschen ausmacht. Auch im Alten Testament wird der Mensch als Sünder nicht verschönt, sondern in seiner ganzen Brutalität dargestellt – eben auch als einer, der seine Untaten manchmal mit Gott legitimiert. Und welche Botschaft, welcher Auftrag nun von Gott ist – was nicht, diese Diskussion begegnet uns schon beim Propheten Jeremia (ein Prophet tritt im Namen Gottes gegen den Propheten Jeremia auf, der wirklich von Gott gesandt wurde), diese finden wir in der Versuchungsgeschichte Jesu (in der der Teufel ein Wort Gottes benutzt, um Jesus irrezuführen) und das finden wir auch in der gesamten Kirchengeschichte. Von daher ist es nicht besonders sinnvoll, alle möglichen Auswüchse in der Kirchengeschichte zur Beurteilung des Kerns christlichen Glaubens heranzuziehen. Ich könnte vieles an schlimmen Infos beitragen. Aber das trifft den Kern meines Glaubens nicht – wie ich ihn von Jesus herleite.

Aus meiner Perspektive ist es richtig, die Vergehen der Kirche(n) aufzuarbeiten, als Schuld der Kirche anzuerkennen, die gegen Gott agitierte, aber auch für die Schuld der Kirche der Gegenwart sensibel zu werden – und den Roten Faden zu suchen, der die gesamte Geschichte durchzieht. Der Rote Faden: Wer hat, trotz aller Fehlerhaftigkeit und Schuld, Gottes Sache vorangetrieben? Die vielen, vielen Menschen, die es getan haben – unter schweren Opfern – auch gerade der Kirchen – sind uns vielfach unbekannt, nicht aber Gott. Was ist „Gottes Sache“? Das, was Jesus am Herzen lag: Die ersehnte Zukunft, den Schalom (Wohlergehen, Frieden, Gerechtigkeit, Glück…) schon jetzt so gut man kann zu realisieren.

Nun habe ich über die Vergehen der Menschen in der Kirche der Vergangenheit geschrieben – und der Gegenwart angedacht. Ich stehe also über allem Menschsein und habe den Überblick und Durchblick? Dieses fatale Denken finden wir bei manchen, die meinen, die Weisheit und das Göttliche … mit Löffeln gefressen zu haben (manchmal verfalle ich auch diesem Wahn). Ich bin Teil der Menschheit, die sich gegen Gott auflehnt, die nur aus einem kleinen begrenzten Umfang heraus argumentieren kann, die leider nicht mehr mitbekommt, was die kommenden Generationen an uns zu verdammen haben. Ich ahne schon, was das sein kann, etwas, was Jesus schon auf dem Herzen lag: Verhältnis von Reichen und Armen, Umgang des Menschen mit den Schwachen – auch mit Kindern (heute betrifft es auch die Ungeborenen), Sklaverei weltweit, … – aber manches dürften wir gar nicht an Fehltaten wahrnehmen, weil wir zu sehr darin involviert sind. Von daher sind Christen zur Nachfolge aufgerufen – leben aber gleichzeitig aus der Vergebung.

(Dieser Text wurde ein wenig verändert und als Reaktion auf einen Kommentar geschrieben. http://blog.wolfgangfenske.de/2017/11/10/verifikation-falsifizierung-gott-und-religion/#comment-202271)

 

Diskussionsfaden
4 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
11. November 2017 um 21:27 Uhr

@Wolfgang Fenske,

hier haben Sie ein Fass aufgemacht, dass man wohl kaum im Rahmen eines Blogs erschöpfend diskutieren kann. Deshalb versuche ich eine Abkürzung:

Hölle ist (nicht nur) aus gegenwärtiger Sicht interpretiert: Gottesferne.

Was veranlasst Sie zu dieser Aussage, die seit vielen Jahrzehnten durch die Theologie geistert?

Jesus ist doch DER Kronzeuge für die „Realität“ der Hölle, denn er schildert konkret die Zustände, die dort vorzufinden sind: höllisches Feuer, Heulen und Zähneklappen, um nur ein paar Bonmots zu nennen. Und als Gottes Sohn müsste er doch genau wissen, wie der Gegenpart zum „Himmel“ aussieht. Was erdreistet sich also die Theologie es besser zu wissen?

Ist es nicht vielmehr so, dass mit der Herauskristallisation des modernen Weltbildes die biblische Vorstellung von der Hölle zunehmend absurder wurde und die Theologie irgendwie darauf eine Antwort finden musste, wollte sie nicht noch mehr Gläubige verprellen?

Von daher sind Christen zur Nachfolge aufgerufen

Ich denke, Christi Nachfolge fängt damit an, dass man seinen gesamten Besitz verkauft und das Geld den Armen gibt :

„Und Jesus sah ihn an und liebte ihn und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach und nimm das Kreuz auf dich.“
Markus 10, 21.

Aber welcher Christ ist dazu schon bereit???

 

Wolfgang Fenske
12. November 2017 um 15:31 Uhr

Die große Frage war: Jesus hat das nahe Reich Gottes verkündet – und es kam nicht. Hat er sich als Sohn Gottes geirrt? Diese Antwort mag man geben und wurde auch gegeben. Die weitergehende Frage: Warum haben die frühen Christen diesen Irrtum nicht verschwiegen? Die Antwort: Weil Jesus als Mensch angesehen wurde und eben dann seine Autorität selbst in den Blick rückte. Aus dem Verkündiger wurde der Verkündigte (wie man vor ca. 100 Jahren schlagwortartig sagte). Und wie kam das? Ich sprach neulich von der Auferstehungserfahrung, die dem Glauben vorangegangen ist. Man mag das als Mythos bezeichnen – aber so war es nun einmal: Nach der Hinrichtung Jesu haben Menschen in einem begrenzten Rahmen eine eigenartige gegenwart dieses Hingerichteten erfahren – und die wurde so interpretiert, wie wir sie im NT kennen lernen. Und danach gab es eben auch weitere Jesus-Christus-Offenbarungen. Endete nicht bei Paulus.
Dass Jesus als Sohn Gottes also auch das wissen musste, was Hölle ist, ist von daher gesehen auch einzuordnen. Übrigens hat Jesus im Gleichnis vom armen Lazarus den Himmel als Schoß Abrahams dargestellt. An anderer Stelle wieder anders. Heulen und Zähneklappern (eine Formulierung, die Matthäus besonders liebt – warum auch immer) – eigentlich: Heulen und mit den Zähnen knirschen – das kennzeichnet die Wut von Menschen, die sich gegen Jesus wenden. Von daher kann es sein – ich spekuliere jetzt, weil ich das noch nicht untersucht habe – dass er die Reaktion mancher Zuhörer auf sein Gleichnis einbaute. Denn das, was Mt 25,31ff. darstellt, ist wirklich für Fromme der damaligen Zeit etwas, das die Zornesröte ins Gesicht steigen und eben mit den Zähnen knirschen lässt.

 

Wolfgang Fenske
12. November 2017 um 15:34 Uhr

Welcher Christ ist schon dazu bereit, alles aufzugeben? So mancher. Aber eben sicher nicht die meisten. Jesus verlangte das aber auch nicht von allen. Warum nicht? Heute interpretieren wir es (vielleicht verharmlosend?) so, dass jeder Nachfolger auch für Jesus ein Individuum ist. Von manchen verlangte er dies, von anderen jenes. Aber dass Christen bis in die Gegenwart verpflichtet sind, sich auch finanziell für andere einzusetzen, gilt. Da aber niemand andere dazu zwingen kann, müssen sie es selbst mit Gott ausmachen, wie sie ihrer Verantwortung gerecht werden können.

 

Holger Gronwaldt
13. November 2017 um 22:48 Uhr

Jesus verlangte das aber auch nicht von allen.

Sehe ich anders: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Jesus war da schon ziemlich eindeutig. Problem ist halt nur, dass die Menschen ihm nur da folgen, wo es nicht besonders wehtut, allen voran die Kirchen.

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