Blog-Diskussionen

Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 27.12.2017: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/12/27/massstab/

Bibel-Maßstab - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 27. Dezember 2017

(Die Grafik wurde nicht übernommen), Grafik

Die Kritik ist, dass sich jeder aus der Bibel herauspicken kann, was ihm gefällt. Von daher gibt es auch unterschiedlichste Christen, Gruppen, Kirchen… Vorauszuschicken ist: Auch das Christentum ist kein Gottesbeweis – das heißt: Wenn alle Christen ein Herz und eine Seele wären, würden sie ein Gottesbeweis sein? Dem wäre nicht so. Wenn alle ein Herz und eine Seele wären, würde man sagen: Schaut, was für Marionetten und Verführte, Gehirngewaschene… Nun ist dem aber eben auch nicht so, dass alle ein Herz und eine Seele sind. Aber aus meiner Sicht gibt es Kriterien, gibt es einen Maßstab, mit dessen Hilfe man die Bibel lesen sollte. Aus meiner Perspektive muss das Argumentieren von Jesus Christus ausgehen. Von ihm aus gesehen muss z.B. auch das AT interpretiert werden (freilich: Wir verstehen Jesus nicht ohne das AT – es ist also ein reziprokes Lesen).

Man muss also von Christen verlangen können, dass sie sich intensiv mit Jesus Christus und der Bibel beschäftigen, dass sie sich mit der Gemeinde im umfassenden Sinn beschäftigen, dass sie dem Heiligen Geist Raum lassen. Die Gemeinde ist immer auch eine Gemeinde der Kommunikation. Darauf sollten wir stolz sein. Dass das im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder unterbunden wurde, das zeigt eben, dass Macht eine Rolle spielte, nicht aber der lebendige Glaube. Oder dass Angst eine Rolle spielte, den Gott, den man im Griff zu haben meinte, zu verlieren. Heiliger Geist: Hermeneutik bedeutet nicht Stillstand, sie bedeutet, jeweils aktuell auf die Situation einzugehen – damit Gott sich im jeweiligen Individuum, der das Wort hört, ereignen kann. Darum ist auch Inkulturation möglich bzw. dass das Evangelium zu unterschiedlichsten Zeiten Menschen anspricht und aktiviert, dass es Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Kreisen anspricht. Man mag natürlich beklagen bzw. ihr vorwerfen, dass die Kirche der Urgemeinde nicht mehr die Kirche der Gegenwart ist. Aber der Heilige Geist, der Geist Gottes, ist vorantreibende Kraft, nicht stagnierende Kraft.

All diese Punkte sagen einem Atheisten oder Nichtchristen wohl nichts: Heiliger Geist (ominöses Etwas) – Jesus Christus/Bibel (historisch fragwürdig, kurios) – Gemeinde (Konglomerat unterschiedlichster Interessen). Aber Christen sagen diese Punkte immens viel. Diese Worte bedeuten positive Welten. Wir haben es also mit einer religiösen Sprache zu tun – und wer mag, kann sich auf dieses Sprachspiel (im Sinne von: http://blog-diskussionen.wolfgangfenske.de/32.-religi%C3%B6ses-sprachspiel.html ) einlassen. Und wer nicht, der lässt es. Man muss zu seinem Sprachspiel stehen – aber gleichzeitig versuchen, es zu durchbrechen; versuchen, so zu kommunizieren, dass andere vielleicht ein wenig mehr als „Dampfplauderei“ wahrnehmen können, Inhalt ahnen können. Was das Sprachspiel betrifft: Darin unterscheidet sich religiöses Sprachspiel nicht von all den anderen einer Gesellschaft.

Das ist nun die eine Seite. Die andere Seite ist, dass dennoch nicht alles beliebig ist. Und das möchte ich morgen am Beispiel der Bergpredigt verdeutlichen.

 

Diskussionsfaden
6 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
27. Dezember 2017 um 10:39 Uhr

Aus meiner Perspektive muss das Argumentieren von Jesus Christus ausgehen.

Warum?
Wenn die Bibel angeblich eines Gotttes Wort ist, kann man doch erwarten, dass dieser Gott in der Lage gewesen wäre, „sein“ Buch so zu formulieren, dass es aus sich heraus verständlich ist und nicht beliebig viel Raum für individuelle Interpretation lässt, so dass der eine dies, der andere aber genau das Gegenteil herauslesen kann. Zudem ist ja völlig unklar, was Jesus selbst gesagt hat und was andere ihm nachträglich in den Mund gelegt haben. Es ist z. B. völlig undenkbar, dass die „Bergpredigt“, die bei Markus gar nicht, bei Lukas dagegen auf einer Ebene stattfindet (also höchstwahrscheinlich eine totale Erfindung ist), nach Jahrzehnten der mündlichen Überleiferung noch authentische Jesus-Worte enthalten kann.

Man muss also von Christen verlangen können, dass sie sich intensiv mit Jesus Christus und der Bibel beschäftigen

Ja, sollte man. Nur, die wenigsten tun es tatsächlich und ich denke, viele, die es dann tun, sind hinterher keine Christen mehr, weil sie merken, dass ein Buch mit so vielen Widersprüchen, das zudem eine solch grausame Moral lehrt (warum werden ausgerechnet im „bible belt“ der USA die meisten Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet?), nicht die Grundlage einer vorbildichen Religion sein kann.

Aber der Heilige Geist, der Geist Gottes, ist vorantreibende Kraft, nicht stagnierende Kraft.

Da hat der „heilige“ Geist aber wohl die letzten 2000 Jahre geschlafen, wenn er es zugelassen hat, dass die Christen seine Religion so missbrauchen.

Tut mir leid, aber was Sie hier vorbringen, ist argumentativ ziemlich schwach.

Die Bibel kann und darf kein Maßstab für eine gerechte Gesellschaftsordnung sein, weil sie ein vor- und undemokratisches Machwerk ist, das in erster Linie dazu dient, bestehende Machtstrukturen zu festigen und den größten Teil der Menschheit der Willkür „religiöser“ Führer auszuliefern.

 

Wolfgang Fenske
27. Dezember 2017 um 17:46 Uhr

[Aus meiner Perspektive muss das Argumentieren von Jesus Christus ausgehen.]
Warum?
Wenn die Bibel angeblich eines Gotttes Wort ist, kann man doch erwarten, dass dieser Gott in der Lage gewesen wäre, „sein“ Buch so zu formulieren, dass es aus sich heraus verständlich ist und nicht beliebig viel Raum für individuelle Interpretation lässt, so dass der eine dies, der andere aber genau das Gegenteil herauslesen kann. Zudem ist ja völlig unklar, was Jesus selbst gesagt hat und was andere ihm nachträglich in den Mund gelegt haben. Es ist z. B. völlig undenkbar, dass die „Bergpredigt“, die bei Markus gar nicht, bei Lukas dagegen auf einer Ebene stattfindet (also höchstwahrscheinlich eine totale Erfindung ist), nach Jahrzehnten der mündlichen Überleiferung noch authentische Jesus-Worte enthalten kann.

Aus meiner Perspektive ist dem nicht so. Verbalinspiration in ihrer extremen Interpretation ist nicht so mein Ding. Von daher spielt für mich der Mensch eine große Rolle in der Formulierung und der Rezeption der Texte. Glaube ist kein Diktat, weder dass dem Schreiber das Wort diktiert wurde, noch dass der Leser ein starres Etwas ist. Zu Jesus später mehr. Warum gerade Jesus Christus? Weil er das Zentrum des christlichen Glaubens ist. Von ihm ging die große christliche Bewegung aus. Von daher kann es nicht – sagen wir – das Buch Levitikus sein.

[Man muss also von Christen verlangen können, dass sie sich intensiv mit Jesus Christus und der Bibel beschäftigen]
Ja, sollte man. Nur, die wenigsten tun es tatsächlich und ich denke, viele, die es dann tun, sind hinterher keine Christen mehr, weil sie merken, dass ein Buch mit so vielen Widersprüchen, das zudem eine solch grausame Moral lehrt (warum werden ausgerechnet im „bible belt“ der USA die meisten Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet?), nicht die Grundlage einer vorbildichen Religion sein kann.

Darum sollte man die Bibel von den Vorgaben her, die ich genannt habe, lesen – und nicht von Vorgaben, die vielleicht einmal für das Zusammenleben von Menschen relevant war.

[Aber der Heilige Geist, der Geist Gottes, ist vorantreibende Kraft, nicht stagnierende Kraft.]
Da hat der „heilige“ Geist aber wohl die letzten 2000 Jahre geschlafen, wenn er es zugelassen hat, dass die Christen seine Religion so missbrauchen.

Er hat nicht geschlafen. Wie sollte er auch. Aus christlicher Perspektive war er vielfältig am Werk – auch in Nichtchristen. Aber wenn man selektiv alles verneint, was an Positivem durch die Christen erreicht wurde, dann muss man natürlich zu dem Schluss kommen, dass der Heilige Geist geschlafen hat. Die Freiheit des Menschen! Kennen Sie Bruce Allmächtig? Selbst in diesem KlamaukFilm wird eines erkannt: Der Mensch hat Freiheit. Diese achtet Gott.

Tut mir leid, aber was Sie hier vorbringen, ist argumentativ ziemlich schwach.

Wie ich ja schrieb: Wer das Sprachspiel nicht kennt – der findet nur heiße Luft. Die Frage ist: Lässt man sich darauf ein? Denn für mich wie für zig andere weltweit ist das die Grundlage des Lebens. Die Gefahr besteht allerdings, dass derjenige oder diejenige, die sich darauf einlässt, irgendwann einmal selbst Teil dieses Sprachspiels wird. Und dann? Dann eben versteht.

Die Bibel kann und darf kein Maßstab für eine gerechte Gesellschaftsordnung sein, weil sie ein vor- und undemokratisches Machwerk ist, das in erster Linie dazu dient, bestehende Machtstrukturen zu festigen und den größten Teil der Menschheit der Willkür „religiöser“ Führer auszuliefern.

„Die Bibel“ – nein sie kann als Ganzes kein Maßstab für eine erstrebenswerte Gesellschaftsordung sein. Man denke eben an so manches alttestamentliche Buch das in seiner Zeit relevant war, das in seiner Zeit wirklich wirksam werden musste, um den Menschen bzw. dem jüdischen Volk den Weg zu weisen. Man darf nicht vergessen: Die Bibel ist nicht nur ein Buch für die Gegenwart – sie ist eines das die Menschheit seit Jahrhunderten begleitet und auch begleiten wird. Darum muss man es eben aus den genannten Grundlagen des Dreiecks (Jesus/Geist/Gemeinde) lesen. Menschen können sie missbrauchen, um Machtstrukturen zu verfestigen – ihre Macht. Aber sie ist in der Nachfolge Jesu kein Gesetzbuch, sondern eines, das den Weg weist, verantwortlich aus der Beziehung zu Gott heraus zu gehen. Aber eben darin ist Gott sich auch nicht zu Schade, dem Menschen Freiheit und Verantwortung zu lassen, auch wenn der Mensch seiner Verantwortung vielfach nicht gerecht wird.

 

Holger Gronwaldt
27. Dezember 2017 um 20:15 Uhr

Von daher spielt für mich der Mensch eine große Rolle in der Formulierung und der Rezeption der Texte. Glaube ist kein Diktat, weder dass dem Schreiber das Wort diktiert wurde, noch dass der Leser ein starres Etwas ist.

Womit wir wieder bei der Beliebigkeit der Auslegung wären: jeder liest in die Texte hinein, was ihm passt und kann dann auch herausholen, was ihm passt.

Warum gerade Jesus Christus? Weil er das Zentrum des christlichen Glaubens ist. Von ihm ging die große christliche Bewegung aus. Von daher kann es nicht – sagen wir – das Buch Levitikus sein.

Die große Bewegung ging eher von Paulus aus, „Christentum“ müsste richtiger „Paulismus“ heißen.

Darum sollte man die Bibel von den Vorgaben her, die ich genannt habe, lesen – und nicht von Vorgaben, die vielleicht einmal für das Zusammenleben von Menschen relevant war.

Woher wollen Sie wissen, dass ausgerechnet Ihre Art, die Bibel auszulegen, die „wirklich wahre“ ist, wo es doch Tausende anderer christlicher Sekten gibt, die viele Dinge ganz anders sehen?

Aus christlicher Perspektive war er vielfältig am Werk – auch in Nichtchristen. Aber wenn man selektiv alles verneint, was an Positivem durch die Christen erreicht wurde, dann muss man natürlich zu dem Schluss kommen, dass der Heilige Geist geschlafen hat.

Wenn der „heilige“ Geist nicht geschlafen hat, dann hat er aber eine ganze Menge von Verbrechen stillschweigend geduldet oder vielleicht sogar aktiv befördert. Tut mir leid, aber wenn Sie Ihren „heiligen“ Geist in der Geschichte wirken sehen, dann möchte ich mit diesem Monster nichts zu tun haben.

Wer das Sprachspiel nicht kennt – der findet nur heiße Luft.

Muss richtig heißen: Wer das Sprachspiel durchschaut – der findet nur heiße Luft.
Schließlich hat die Kirche 2000 Jahre Zeit zum Üben gehabt und versteht es inzwischen einigermaßen gut, ihre wahren Absichten vor den meisten Gläubigen verborgen zu halten.

Aber sie ist in der Nachfolge Jesu kein Gesetzbuch, sondern eines, das den Weg weist, verantwortlich aus der Beziehung zu Gott heraus zu gehen.

Nennen Sie mir wenigstens eine Stelle, wo Jesus oder irgendwer sonst im NT sich gegen die Sklaverei ausspricht, dann haben Sie wenigstens den Ansatz eines Argumentes, dass die Bibel mehr ist als ein Dokument ihrer Zeit, das Menschen von heute noch etwa sagen könnte. So jedenfalls werden weder Ihr Gott, noch der „heilige“ Geist, noch Jesus ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen gerecht.

 

Wolfgang Fenske
28. Dezember 2017 um 14:57 Uhr

Jetzt kümmere ich mich erst einmal um das Thema Bergpredigt. Thema Sklaverei – das kann dann später kommen.
Thema Heiliger Geist – auch später. Ihn als Monster zu bezeichnen… – nun denn.
Dass das Christentum im Grunde Paulinismus ist – nicht neu. Auch das wäre ein eigenes Thema, das mich schon häufig beschäftigt hat, auf das ich jetzt aber nicht eingehen möchte. Erst einmal ist die Bergpredigt dran. Ich komme vor lauter Kommentieren – und von Thema zu Thema hüpfen – nicht mehr dazu intensiver auf etwas einzugehen.

 

Holger Gronwaldt
29. Dezember 2017 um 13:26 Uhr

Thema Heiliger Geist – auch später. Ihn als Monster zu bezeichnen… – nun denn.

Nun, wer glaubt, dass der „heilige“ Geist unmittelbar auf den Ablauf der Geschichte einwirkt, der muss auch zugeben, dass er dann für alle Vebrechen, die dort geschehen verantwortlich ist, weil er sie nicht nur nicht verhindert, sondern offensichtlich aktiv befördert.
Angesichts Hunderter von Millionen Toten und grausam gequälter Menschen ist dann das Prädikat „Monster“ mehr als gerechtfertigt.

 

Wolfgang Fenske
30. Dezember 2017 um 10:59 Uhr

Freiheit des Menschen muss beachtet werden. Der heilige Geist macht keine Marionetten. Ich habe das schon sehr häufig angesprochen. Muss aber vielleicht noch einmal systematischer kommen. Nicht jetzt. Jetzt bin ich erst einmal bei der Bergpredigt. Daran sieht man, wie schnell Fragen gestellt werden können – wie langwierig es ist, sie zu beantworten.

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