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Atheismus und Christentum

Ausgangstext 04.01.2018 -Text 4/10-: http://blog.wolfgangfenske.de/2018/01/04/bergpredigt-antithesen-5-und-6/

Bergpredigt: Antithesen 5 und 6 - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 04. Januar 2018

5. Antithese

Diese Antithese ruft auch wieder Kopfschütteln hervor:

Das wird dann vertieft:

Dem wird dann noch eine Abmilderung beigefügt:

Auge und Auge, Zahn um Zahn war eine wichtige juristische Erneuerung, sie sollte die Gewaltspirale unterbrechen. Man darf dem anderen nicht mehr schaden, als er mir geschadet hat. Dieser Satz geht davon aus, dass Recht herrscht. Dass man also auch die Möglichkeit bekommt, sich angemessen zu rächen. Aber das war in der Regel für den kleinen Mann, die kleine Frau nicht möglich. Man war allen Gewalttätern hilflos ausgeliefert. Dem wird nun etwas Neues entgegengesetzt, die Reaktion des Hilflosen, des Opfers. Wer konnte einen Juden zwingen, eine Meile zu gehen und das Gepäck für ihn zu tragen? Die Besatzungsmacht, so habe ich mal irgendwo gelesen. Was passiert nun, wenn der Zwinger mich zwingt, das Gepäck von A nach B zu tragen, ich aber nach C weiterlaufe? Er muss hinter mir her rennen. Ich erweise mich also zwar als gehorsam – aber dann doch als stärker als der Zwingende. Oder: Wenn einer mir auf die rechte Wange schlägt… – die Rechte? Mit der linken Hand? Nein, mit dem Handrücken der rechten Hand – als Zeichen der Verachtung, dann soll ich ihm auch die linke Wange hinhalten. Was mache ich damit? Er wollte mich erniedrigen – aber ich erweise mich als stärker. Mag er auch noch stärker zuschlagen – aber vielleicht wird auch ein Überraschungsmoment ausgenutzt, um das Gegenüber zum Einlenken zu bewegen. Auf jeden Fall wird auf diese Weise die Gewaltspirale durch Opfer, durch Unterlegene abgebrochen. Diese Verhaltensweise wurde dann aufgrund von Gandhi oder Martin Luther King weiter geführt zur so genannten „intelligenten Feindesliebe“. Es geht nicht darum, sich verprügeln zu lassen, sondern auf intelligente Art und Weise zu überlegen, wie man aus der Opferrolle rauskommt. Man widerstrebt dem Übel nicht, indem man gleiches mit gleicher Münze heimzahlt – man widerstrebt dem Übel, indem man es zu unterlaufen versucht.

Vers 42 geht dann darauf ein, dass, wenn einer einem etwas gewaltlos nehmen will, also etwas erbittet, dann soll man freizügig geben und verleihen.

Was fehlt hier? Gott. Oh Gott, gehe gegen den Gewalttäter an, vernichte du ihn… – wir kommen in der sechsten Antithese darauf zu sprechen – und fassen sie gemeinsam zusammen.

 

6. Antithese

Die sechste Antithese (Wer mag, kann den Text mit Lukas 6,27-36 vergleichen und selbst sehen, wie Matthäus die Tradition verarbeitet hat – siehe unten):

Dem stellt Jesus entgegen:

Das wird dann begründet:

Das wird ausgeführt – Nachahmung des Verhaltens Gottes:

Weitere Begründung – besser sein als andere Menschen, die nicht zum Volk Gottes (Israel) gehören:

Zusammenfassung – auch der Antithesen insgesamt:

Die Frage, die sich inhaltlich stellt: Im Alten Testament ist die Rede davon, dass man den Nächsten lieben soll (Levitikus 19,18) – aber es wird nicht gesagt, dass man ihn hassen solle. Das finden wir in Schriften, die die Qumran-Gemeinschaft überliefert hat. Aber ich denke, dass es hier auch nicht darauf ankommt, ob es irgendwo zu finden ist. Es ist die allgemeine menschliche Haltung, Menschen die einem feindlich gesonnen sind, nicht zu lieben, ihnen gegenüber nicht freundlich gesonnen zu sein. Und dieser allgemeinen Haltung setzt Jesus etwas anderes entgegen: Liebe. Natürlich kann man Liebe nicht befehlen – zumindest Liebe in dem Sinn, wie wir sie heute interpretieren. Aber Liebe ist keine besondere Emotion usw., sondern zeigt sich darin, dass man Gemeinschaft fördernd handelt – eben auch dem Feind gegenüber. Wer zu Gott gehört, handelt so. Warum? Weil auch Gott so handelt: Er bevorzugt weder Gute noch Böse – er behandelt alle gleich. Und diese Aussage ist ein Ärgernis, das wir schon als Ärgernis in manchen alttestamentlichen Texten wahrnehmen und auch bis heute die Theodizee-Frage bestimmt: Warum lässt Gott es mir, der ich doch gut bin, schlecht ergehen und denjenigen, der übel ist, dem lässt er es gut gehen? Jesu Antwort: Weil Gott eben alle gleich behandelt. Die Antwort mag äußerst unbefriedigend sein. Aber das Thema ist ja auch ein anderes: Ich soll mich allen Menschen gegenüber gleich gut verhalten, weil Gott es auch tut. Menschen verhalten sich im Allgemeinen nur gegenüber denen gut und freundlich, von denen sie gut und freundlich behandelt werden. Aber Kinder Gottes sollen sich anders verhalten. Sie sollen allen gegenüber – auch dem Feind – gut und freundlich verhalten. Noch einmal: Warum? Gott verhält sich mir gegenüber ja auch freundlich – Beispiel das Gleichnis vom Verlorenen Sohn (Lk 15).

Maßstab für gutes Verhalten, Gott angemessenem Verhalten ist Gott selbst. Gott ist vollkommen – also seid auch ihr Gemeinschaft fördernd: beschimpft nicht, erniedrigt keine Frau, seid zuverlässig, überlegt, wie ihr die Spirale der Gewalt mit klugen Mitteln kappen könnt.

Es geht ja auch immer ein wenig um die Frage, was hat Jesus gesagt, was hat Matthäus verändert. Hier ist das sehr schön zu sehen. Im Lukasevangelium heißt es:

Und diese Aufforderung wird erläutert:

Matthäus hat, so wird auch im gesamten Evangelium deutlich, die Situation der Verfolgung der Gemeinde im Blick – was Lukas bzw. auch Jesus wohl so noch nicht hatte. Matthäus legt also Worte mit Blick auf die Situation der Gemeinde aus. Auch wenn er sie auslegt, so wird doch die Intention Jesu deutlich: Lieben heißt, dem anderen wohltun, ihn segnen (also ihm die Nähe Gottes zusagen, der sie mir abspricht! – darüber lohnt es, sich nachzudenken), für ihn beten – also vergebend eintreten vor Gott gegenüber dem, der mich beleidigt. Auch wenn Matthäus die Grundlage verändert hat, so ist doch noch deutlich, welche Intention Jesu vertritt. Das mag nicht immer so sein, aber es ist gut, wenn es manchmal deutlich wird.

Matthäus geht es auch um gerechtes, das heißt Gott angemessenes Verhalten. Und von daher interpretiert er den Satz, der ursprünglich sagte, man solle barmherzig sein wie Gott barmherzig ist, weiter, indem er von „vollkommen sein“ spricht. Wer nun sagen sollte: Das ist etwas ganz anderes, kann natürlich nun versuchen, barmherzig zu sein, wie Gott es ist. Und wird merken: Nun denn, so einfach ist das nicht! Sicher, es ist etwas anderes, weil Matthäus das nicht nur auf „Barmherzigkeit“ selbst bezieht, sondern als Abschluss der Antithesen vermutlich auf alle Beispiele, aber es wird von beiden, Matthäus und Lukas, betont, dass im Grunde etwas Unmögliches verlangt wird.

Man muss die Situation berücksichtigen: Jesus hat die Jünger mit einer besonderen Botschaft ausgeschickt – und die Reaktion der Leute war nicht immer freundlich – bis hin zur späteren Verfolgung, wie Matthäus es erlebt hat. Wie soll man als Menschen, die Jesus folgen, die sich Gott angemessen verhalten wollen, verhalten? Das wird an dieser Stelle gesagt: Angemessen ist es nicht zu sagen: Gott, vernichte sie.

Nun haben wir jedoch ein Problem. Das Problem finden wir in einem anderen Text der Logienquelle, die Matthäus 11,21ff./Lk 10,12ff. aufgenommen wurde.

Worum geht es? Die heidnischen, sündigen Städte (Sodom, Tyrus, Sidon) sind ein abschreckendes Beispiel dafür, wie man sich nicht verhalten soll. Und jüdische Fromme (aus Chorazin, Bethsaida und Kapernaum) wissen das und sind stolz, dass sie sich nicht so verrucht verhalten. Aber Jesus hält diesen Frommen seines Volkes entgegen, dass ihr Stolz und Hochmut Zeichen des Falls ist. Nicht Überheblichkeit über die Heiden rettet, sondern Umkehr. Und das finden wir auch in der so genannten „Antrittspredigt“ in Nazareth. Statt die Botschaft anzunehmen, überhaupt zuzuhören, regen sich die Menschen von Nazareth furchtbar auf (Mt 13,53ff.) und versuchen, ihn zu beseitigen (Lk 4,16ff.). Auch hier werden heidnische Städte und Menschen dem jüdischen Volk als Vorbilder vor Augen gestellt. Ebenso Mt 12,11ff. Das fördert natürlich den Zorn derer, die meinen, sie seien besser als die anderen, aber es kann auch zum Nachdenken anregen: Was tun wir eigentlich, wenn wir nicht wahrnehmen, was unter uns geschieht? Warum lehnen wir kollektiv ab – sollten wir nicht vielmehr nachdenken? Es sind (apokalyptische) Drohungen, in der Tradition der Propheten (da ging es allerdings um politische Folgen), die das Volk zur Besinnung/Umkehr führen sollen. (Die folgende Zusammenstellung der Texte – nach Matthäus 11,21 ff. par. – zeigt: Es wurde nicht den Klugen und Weisen gegeben, die wahre Dimension Jesu zu verstehen, sondern die Unmündigen verstehen – und daraufhin wird gesagt: Kommt, die ihr Mühselig und beladen seid… – das heißt, dieser gesamte Komplex ist der Frage gewidmet: Warum folgen manche Jesus, warum nicht… Aber darauf kann ich hier nicht eingehen – sie sprengt das Thema.)

Man kann nun fragen: Ist das „Modell“ der Feindesliebe von Jesus? Oder war Jesus ein verbiesterter drohender Apokalyptiker? Ist er ein enttäuschter, die Menschen Liebender, dessen Liebe zurückgewiesen wurde? Ist er einer, der die Gefahren kennt, die Menschen warnt und sich wundert, dass die Menschen lieber in ihr Verderben rennen, als sich vor dem Verderben zu schützen? Alles Gute – beim Überlegen, wünsche ich.

Was das Thema „Gott“ betrifft – er wird hier nicht als Problemlöser angesehen: Gott, mache, dass der Feind aufhört… oder ähnlich. Der Mensch selbst ist gefordert – und zwar in Menschen übersteigender Weise zu handeln. Vielleicht darf man das so sehen: Jesus fordert – weil er das dem Menschen zutraut. Aber dazu gehört noch etwas anderes:

Diese Texte, die vom Gericht sprechen, sprechen von Umkehr. Es ist eine Erneuerung des Lebens notwendig. Und wenn diese nicht kommt, dann wird weder das eigene Leben besser noch der Riss, der durch die Gemeinschaft geht. Die Menschen in Israel – denn diese hatte Jesus im Blick – müssen sich ändern – sonst wird das nichts mit Schalom, mit Wohlergehen, Frieden, Gerechtigkeit, Gemeinschaft, Gleichheit…. Sie dürfen sich nicht halbherzig ändern, sondern die Gesinnung muss eine ganz Neue werden, eine, die Gott gemäß ist. Diese Botschaft an Israel gilt allen Menschen. Das haben dann die Jünger erkannt und weltweit weitergeführt: Diese Botschaft kann die Gemeinschaft zwischen den Menschen fördern, wo auch immer sie verkündigt werden wird. Denn zerrissen ist nicht nur das jüdische Volk der damaligen Zeit. Sozial zerrissen sind sie alle.

Die Umkehr zu Gott ist die Voraussetzung für die Bereitschaft, die Antithesen im eigenen Leben zu integrieren. Die Antithesen sind nicht zu verstehen ohne Jesus Christus, der eben auch von Matthäus als Sohn Gottes geglaubt wird.

*

Damit habe ich die Antithesen angesprochen. Morgen folgt eine Zusammenfassung. Ich hoffe, ich kann dann in den folgenden Tagen weitere Texte der Bergpredigt darlegen.

 

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