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Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 04.01.2018: http://blog.wolfgangfenske.de/2018/01/04/bibel-und-gottes-geist/

Bibel und Gottes Geist - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 4. Januar 2018

Bibel und Gottes Geist

  1. Gott schenkt dem Menschen Freiheit.
  2. Mit dieser Freiheit, die Gott gewährt, ist auch seine Selbstbeschränkung verbunden.
  3. Selbstbeschränkung heißt nicht, alles seinen Lauf zu lassen, sondern: Freiheit achtend lenken.
  4. Die Autoren biblischer Schriften sind freie Menschen.
  5. Schreiben ist ein Akt der Freiheit – in der Wahl der Worte.
  6. Schreiben ist ein Akt der Freiheit – weil mit Interpretation verbunden.
  7. Lesen des Geschriebenen ist ein Akt der Freiheit – weil mit Interpretation verbunden.
  8. Schreibende und Lesende befinden sich im Status der Hinwendung zu Gott.
  9. Beide sind nicht Gott. Man öffnet sich Gott. Man wächst zu Gott hin, wenn man sich ihm öffnet. Glaubende versuchen, das Gelesene in ihrem Leben zu integrieren – aber je nach Glaubensstadium.
  10. Die Freiheit des Glaubenden wird auch deutlich in der Vielfalt der überlieferten Evangelien – aber auch in den unterschiedlichen Ansätzen der Briefe des Paulus, Jakobus, Johannes, Judas, Petrus, Hebräer. Sie haben aber einen gemeinsamen Kern – dieser darf trotz Vielfalt nicht übersehen werden.
  11. Diese Vielfalt ermöglicht unterschiedliche „Christentümer“ – sie sind aber aufgrund des Kerns eine gemeinsame Größe.
  12. Diese Vielfalt ermöglicht auch Inkulturation und Zeiten übergreifende Hinwendung zu Gott.
  13. Vielfalt ist nicht schlimm, nicht abzulehnen, nicht zu bekämpfen: Die Frage ist nur: Wie gehen wir miteinander um – auf dem Weg zur Einheit?
  14. Gottes Geist lässt Freiraum. Von daher fordert Paulus auch auf, sich von Gottes Geist leiten zu lassen. Man kann sich ganz versperren, man kann sich zum Teil versperren. Wie der Mensch als Individuum und Teil einer Gruppe eben so ist.
  15. Gottes Geist führt die Vielfalt zur Einheit – was Paulus am Beispiel des Körpers darstellt (1Korinther 12): Obgleich der Körper vielfältige Glieder… hat – ist er eine Einheit.
 

Diskussionsfaden
13 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
4. Januar 2018 um 13:23 Uhr

Sie haben aber einen gemeinsamen Kern

Und der wäre was?

Diese Vielfalt ermöglicht unterschiedliche „Christentümer“ – sie sind aber aufgrund des Kerns eine gemeinsame Größe.

Wobei 1 Korinther 12 denkbar ungeeignet ist, diesen Punkt zu begründen, denn Paulus meint mit den Gliedern nicht etwa unterschiedliche Sekten, sondern verschiedene Funktionsträger innerhalb einer Gemeinde, die er ja auch expressis verbis aufführt: „Und so hat Gott in der Gemeinde gesetzt erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, darnach Wundertäter, sodann die Gaben der Heilung, der Hilfeleistung, der Verwaltung, verschiedene Sprachen.“
Interessant auch, dass Paulus wieder einmal ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass sein Gott auch einige Menschen zu Sklaven bestimmt hat (Vers 13, allerdings in modernen Übersetzungen „Knechte“ genannt).

Von daher fordert Paulus auch auf, sich von Gottes Geist leiten zu lassen.

Wobei allerdings in den verschiedenen Christentümern keine Einigkeit darüber hergestellt werden kann, in welche Richtung der „heilige“ Geist denn die Gläubigen lenken möchte. Darüber streitet man seit 2000 Jahren und die inhaltlichen Differenzen werden eher größer denn kleiner. 🙂

Die Frage ist nur: Wie gehen wir miteinander um – auf dem Weg zur Einheit?

Diesen Weg zur Einheit wird es wohl nie geben, da die Widersprüche zwischen Realität und Religion angesichts eines weiter wachsenden wissenschaftlichen Weltverständnisses auch immer größer werden und deshalb auch die diversen geistigen Klimmzüge, die man veranstalten muss, um diese Widersprüche zu übertünchen, immer skurriler werden.

Auch hier zeigt sich wieder das typische Vorgehen eines Theologen: es wird ein Bibelvers, der zu passen scheint, willkürlich aus dem Zusammenhang gerissen, dann wird munter drauf los interpretiert und man nimmt mit keiner Silbe zur Kenntnis, dass der weitere Kontext diese Interpretation in keiner Weise stützt. Bekanntestes – um nicht zu sagen: berüchtigstes – Beispiel dafür ist Jesaja, 7,14 als angebliche Ankündigung der Geburt Jesu, wobei schon die unmittelbar darauf folgenden Verse 15 und 16 diese Deutung absolut ausschließen.

 

Holger Gronwaldt
4. Januar 2018 um 20:28 Uhr

Gott schenkt dem Menschen Freiheit.

In dieser Allgemeinheit ist diese Aussage falsch, denn sowohl in der Geschichte als auch gegenwärtig ist nur ein kleiner Teil der Menschheit wirklich frei. Die weitaus meisten kämpften und kämpfen ums nackte Überleben. Und vielen gelingt nicht einmal das:
„Täglich sterben 30.000 Kinder! Über 50% der Todesfälle sind durch vermeidbare oder behandelbare Krankheiten wie Masern, Durchfall, Malaria, Lungenentzündungen und AIDS verursacht. Zusätzlich sind allein Mangelernährung und Hunger für den Tod von über 3,5 Millionen Kindern jährlich verantwortlich.“
Sieht so Ihre „Freiheit“ aus? Was Sie eingangs behaupten, ist doch Zynismus pur!

Mit dieser Freiheit, die Gott gewährt, ist auch seine Selbstbeschränkung verbunden.

Ziemlich winzig, Ihr Gott, schafft ein gigantisches Universum und erlegt sich wegen ein paar Menschen auf einem staubkorngroßen Planeten irgendwo in dessen Tiefen eine „Selbstbeschränkung“ auf? „Selbstbeschränkung“ soll hier wohl heißen, dass Ihr Gott darauf verzichtet, alles bis ins Kleinste für den Menschen zu regeln und nur ab und zu ein bisschen eingreift, z. B. „Pharaos Herz verhärtet“, damit er ihn dann anschließend umso strenger für sein verhärtetes Herz bestrafen kann. Oder mal eben einen Hitler in Marsch setzt, damit er 6 Millionen von „Gottes auserwähltem Volk“ ermorden lassen kann.
Weitere Beispiele dafür, wo Ihr Gott „nicht allem seinen Lauf lässt, sondern des „Menschen Freiheit achtend“, nur leicht lenkend eingreift, lassen sich in beliebiger Zahl finden.

 

Wolfgang Fenske
5. Januar 2018 um 8:20 Uhr

Paulus verwendet das Bild vom Körper im Kontext der Gemeinde von Korinth. Und in dieser Gemeinde gab es auch unterschiedliche Strömungen – und entsprechend Auseinandersetzungen. Von daher denke ich schon, dass man das Bild vom Körper auch auf die Kirche heute beziehen kann. Und der Geist Gottes – wohin er alle lenkt? Ja, das hängt wieder mit der Freiheit zusammen. Aber interessant ist, dass man sich mit Menschen aus den unterschiedlichsten Gemeinden, Konfessionen gut verstehen kann – weil ein einigendes Band da ist. Natürlich gibt es innerhalb der jeweiligen Konfessionen wie auch über Konfessionsgrenzen hinweg Auseinandersetzungen. Wir sind eben Menschen. Manche denken, die Kirche muss für alle erkennbar eine Einheit sein – damit wäre sie auch ein Gottesbeweis. Das wird es nicht geben – aber wie schon einmal angesprochen: Man muss darauf hinarbeiten, man kann es als Ziel haben. Ich denke nicht, dass ich einer bin, der Widersprüche übertüncht.
Mit dem letzten Vorwurf sind Sie wieder bei Jesaja 7. Ich denke, zu Weihnachten muss ich das einmal vertiefen. Sie haben mir ja noch eine Menge weiterer Aufgaben gegeben – so dass ich damit wohl bis Weihnachten beschäftigt sein werde, sie Schritt für Schritt abzuarbeiten.

 

Holger Gronwaldt
5. Januar 2018 um 14:11 Uhr

Aber interessant ist, dass man sich mit Menschen aus den unterschiedlichsten Gemeinden, Konfessionen gut verstehen kann – weil ein einigendes Band da ist.

Das ist nicht interessant, das ist ziemlich banal. Wo immer Menschen aufeinandertreffen, die etwas gemeinsam haben, z. B. Väter oder Mütter kleiner Kinder, Hundehalter, Orchideenzüchter, usw., ist da ein einigendes Band, das es diesen Menschen leicht macht, sich gut zu verstehen. Und wenn man weltoffen ist, kann man sich sogar gut mit Menschen verstehen, die ganz anders sind, weil das Anderssein auf Interesse stößt.

 

Wolfgang Fenske
6. Januar 2018 um 8:40 Uhr

Bevor man weiß, dass der andere Christ ist.
Vielleicht machen Menschen anderer Gruppen diese Erfahrung auch. Dass Sie vielleicht spüren: Oh, dieser Mensch muss Atheist sein. Jeder hat wohl so seine Ausstrahlung.

 

Holger Gronwaldt
6. Januar 2018 um 11:29 Uhr

Das ist ziemlich theoretisch und m. E. falsch. Das, was umgangssprachlich als „Ausstrahlung“ bezeichnet wird, ist die Summe der Persönlichkeit, so wie sie sich optisch darbietet. Wobei wir mit sprachlichen Bildern außerdem vorsichtig umgehen sollten, denn viele davon sind falsch. Man kann z. B. keinen Blick „werfen“ und auch keinen „strahlenden Blick“ haben, denn Augen sind rein rezeptiv, sie nehmen Lichtwellen aus der Umgebung auf, können aber nicht aktiv senden.

Ob ein Mensch gläubig ist oder eher rational eingestellt, erkennt man – außer dem Kreuz um den Hals u. ä. – in aller Regel nur im Gespräch, wobei im Gegensatz zu Atheisten sehr viele Christen meinen, missionarisch unterwegs sein zu müssen. Der Atheist wird höchstens widersprechen, wenn ein Christ mal wieder Alltagsereignisse durch die religiös verfärbte Brille deutet und unsinnig komentiert.

 

Wolfgang Fenske
7. Januar 2018 um 8:25 Uhr

Meine Wahrnehmung ist eine andere. Auch mit Blick auf missionarische Atheisten. Er merkt es vielleicht nur nicht. Oder anders in möglicher atheistischer Diktion: Nur Religionen können missionarisch sein, Atheisten sind es nie, weil es eben religiös zugeordnet wird. Atheisten sind nur aktive Aufklärer… 😉

 

Holger Gronwaldt
7. Januar 2018 um 11:26 Uhr

Atheisten sind nur aktive Aufklärer…

Gibt sicher auch wieder so’ne und solche. Meiner Erfahrung nach reagieren Atheisten meistens nur auf provokative Äußerungen von Gläubigen, wenn die allzu viel Unsinn reden, also z. B. behaupten, dass ihr Gott dieses oder jenes bewirkt hätte.

Das mögen die zwar tatsächlich glauben, aber es spricht jeder objektiven Wahrnehmung der Realität Hohn. Wir hatten das Thema ja schon öfter. 🙁

 

Wolfgang Fenske
8. Januar 2018 um 9:06 Uhr

Wenn sie „aus Sicht der Atheisten“ allzu viel Unsinn reden – das muss unbedingt hinzugefügt werden.

 

Holger Gronwaldt
8. Januar 2018 um 10:59 Uhr

Wenn sie „aus Sicht der Atheisten“ allzu viel Unsinn reden – das muss unbedingt hinzugefügt werden.

Auf keinen Fall unbedingt, denn es gibt durchaus objektiven Unsinn, den Christen von sich geben, wenn z. B. ein Werner Gitt behauptet, die Erde sei weniger als 10.000 Jahre alt und die Sintflut sei ein historisches Ereignis gewesen.

Sollte man so einen geballten Mist unwidersprochen hinnehmen, wenn man direkt damit konfrontiert wird?

Ich war von Kurzem auf einem Vortrag von Gitt, wo er zunächst behauptete, dass jedes Wort in der Bibel wahr sei (und eben auch obige Thesen vertrat) und als ich ihm das Gegenteil nachwies, indem ich auf Stellen verwies, wo die Bibel objektiv Falsches erzählt („auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub sollst du fressen“, „ich will deine Nachkommen so zahlreich machen, wie die Sterne am Himmel“, usw.) sagte er plötzlich, man dürfe nicht alles in der Bibel wörtlich nehmen!

 

Wolfgang Fenske
9. Januar 2018 um 9:13 Uhr

Ich kenne Werner Gitt so gut wie nicht. Kann also zu ihm nichts sagen. Vielleicht sollte ich doch irgendwann das noch einmal vertiefen, was Mythos ist, die Wahrheit im Mythos… herauspicken einzelner kurioser Aussagen…

 

Wolfgang Fenske
5. Januar 2018 um 8:30 Uhr

Ich werde das Thema Gott und Geschichte noch ansprechen. Nur Geduld. Erst ist die Bergpredigt an der Reihe.
Aber ist es zuviel verlangt, sich sprachlich ein wenig zurückzuhalten? Es sei denn, Sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen und den vollen Durchblick. Diese Arroganz hat man als Glaubender nicht – wobei es auch entsprechende Glaubende gibt. Das hat auch mit unserem Menschsein zu tun. Aber normalerweise: Man versucht zu verstehen. Man versucht, mögliche Lösungen zu diskutieren. Und man weiß um die Vorläufigkeit der Antworten.

 

Wolfgang Fenske
5. Januar 2018 um 8:33 Uhr

Apropos Bergpredigt: Ich habe vergessen meinen Beitrag/Fortsetzung heute einzustellen. Kommt morgen.

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