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Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 15.09.2018: https://blog.wolfgangfenske.de/2018/09/15/hiob-und-noah/

Hiob und Noah - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 15. September 2018

Es handelt sich mit dem Buch Hiob um ein literarisches Werk. Das Gottesbild, das der Autor zeigt, ist aus gegenwärtiger Perspektive kurios: Er und der Satan (der Verwirrer) wetten – ein Mann muss leiden, viele junge Menschen und andere kommen um. Es ist nicht einmal Zorn im Spiel, wie im babylonischen Hiob.

Hier wird aufgegriffen, dass Menschen das Gefühl haben: Gott macht, was er will, der Mensch ist ihm ausgeliefert, aber eben dadurch abgeschwächt (aber letztlich doch verstärkend) verbunden mit dem Satan, der der eigentliche Verwirrer ist. Aber im Buch Hiob selbst ist von diesem kaum mehr die Rede – Gott wird zu recht angesprochen. Aber Gott schweigt – er schweigt unerträglich. Dieses Gefühl des Menschen, Gott bzw. den Göttern ausgeliefert zu sein, wird durch die Wette auf die Spitze getrieben. Gott ist im Grunde auch abhängig vom Satan, er ist abhängig davon, dass ein Mensch trotz des Leidens sich weiter zu ihm bekennt. Am Ende zeigt dieser Gott dann seine Macht, er kann alles – außer eben: Hiob, um ihn in seiner Arroganz unmenschlich zu prüfen, in Ruhe lassen. Dieses Werk ist im Grunde eine Gottes-Kritik, die schärfer ist als jegliche atheistische Kritik, die in der Ablehnung Gottes mündet – und dieses Werk, das eine Art Gegen-Gott-Werk ist, steht in der Bibel. Warum? Der Protagonist hält an Gott fest – gegen diesen undurchsichtig finsteren Wett- und Arroganz-Gott. Dieser Gott spiegelt die Herrscher damaliger Zeit wider – wie es die Thronszene zeigt. Diesem abgehobenen Herrscher wird der an ihm leidende Mensch gegenüber gestellt. Menschen solidarisieren sich mit dem leidenden Menschen – nicht mit diesem Gott, auch wenn der dem Hiob letztlich märchenhaft als Belohnung alles Mögliche wieder schenkt. Das Hiob-Buch rechnet mit einem solchen Gottesbild ab – wagt es aber nicht ganz, da es ein solches dann doch wieder installiert.

Elie Wiesel, der in Ausschwitz leiden musste und Auschwitz überlebt hat, hielt auch an Gott fest. Er schrieb:

Selbst wenn Du mich vergisst, mein Gott, wirst Du mich nicht so weit bringen, dass ich Dich vergesse.

Wiesel hat eindeutige Gotteserfahrungen gemacht, die er angesichts der folgenden Leiden nicht ignorieren konnte.

Christen halten sich an dem Satz fest, der im Hiob-Buch steht:

Ich aber weiß, dass mein Erlöser lebt

Diesen sehen sie in Jesus Christus. Hier bleibt ein Nicht-Verstehen Gottes, aber man schaut nicht auf das Nicht-Verstehen, sondern auf den, der in Jesus Christus selbst gelitten hat und anwesend ist. Das erklärt das Leiden nicht. Das hilft im Leiden.

*

Ein kurioses Gottesbild liefern auch die Noah-Kapitel: Die Menschen sind böse, Gott will sie bestrafen, erwählt sich den gerechten Noah. Dieser baut ein Schiff. Alles, was darin aufgenommen wird, überlebt – alles andere wird dem Tod durch Ertrinken preisgegeben und dann, als die Flut vorbei ist, bereut Gott sein Tun, sagt, es solle nie wieder geschehen, ebenso darf keiner andere umbringen (Genesis 7-9). Auch diese Geschichte findet ihre Vorlage in einem Babylonischen Werk, dem Gilgamesch Epos.  https://de.wikipedia.org/wiki/Arche_Noah

Noah ist ein Gegenbild zu Hiob: Er macht alles klaglos mit, was Gott mit ihm und der Menschheit vorhat. Leiden der Menschen spielt keine Rolle. Anders als zum Beispiel Abraham oder Moses, die sich gegen Gottes Zorn wenden und gegen die Vernichtung der jeweiligen Objekte des Zorns angehen. Gott lässt sich ein wenig besänftigen – aber Noah wendet sich nicht dagegen. Er tut, was ihm gesagt wird. Er ist nicht solidarisch mit den Menschen. Während die Abraham und Mose-Geschichte zeigen: Der solidarische Mensch ist im Grunde besser als der zornige Gott. Auch ein sonderbares Gottesbild.

All diese Geschichten sind jeweils  Ausdruck ihrer Zeit, Menschen erleiden die Bosheit anderer Menschen, Gott leidet an der Bosheit der Menschen – gleichzeitig sollen sie zeigen, dass sich Gott den gerechten Menschen zuwendet – eine Aufforderung, selbst gerecht zu sein. Zudem wird erklärt, warum Gott gegenwärtig nicht die bösen Menschen vernichtet, sie gewähren lässt. Er hatte es schon einmal gewollt, aber dann hat es ihn gereut. Entsprechend haben nun auch Menschen nicht das recht, die bösen Menschen zu vernichten, weil sie meinen, Gottes Stelle einnehmen zu müssen. Und der gerechte Noah? Nach all den schlimmen Erlebnissen baut er sich einen Weinberg, betrinkt sich – und das Schicksal der Bosheit nimmt erneut seinen Lauf. Dem setzt Gott – so das weitere Alte Testament – dann die Erwählung seines Volkes entgegen, das Gebote bekommt, damit es sich vom Bösen abwendet, dem er Propheten sendet, damit sie dem Volk verkünden, wie es sich richtig verhält.

Christen sehen in Jesus Christus Gott wirken: Er nimmt die Schuld auf sich, vergibt, wendet sich Menschen zu. (Aus: https://evangelische-religion.de/hiob.html)

(Fortsetzung folgt.)

 

Diskussionsfaden
7 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
15. September 2018 um 17:35 Uhr

Nach all den schlimmen Erlebnissen baut [Noah] er sich einen Weinberg, betrinkt sich – und das Schicksal der Bosheit nimmt erneut seinen Lauf.

Windelweiche Apologetik – auch vorher zu Hiob. Den Verlust der Familie Hiobs kann JHWH nie wieder gut machen. Auch dadurch nicht, dass er ihm eine „neue“ Familie gibt. Und das alles für eine „Wette“, die der „Allwissende“ mit seinem schlimmsten Widersacher in kumpelhafter Manier eingeht?!!!

Noahs Verfluchung von Ham hat zum Ergebnis das millionenfache Leiden von Schwarzen, die mit ausdrücklichem Verweis auf die Bibel von Weißen versklavt wurden.

Einstein hatte schon recht (sinngemäß): die Bibel ist ein primitives Märchenbuch aus den Kindertagen der Menschheit.

Der im AT beschriebene Gott ist ein Monster: selbstgerecht, wankelmütig, grausam, ungerecht, jähzornig, dumm, …

Menschen müssen leiden, weil dieser Gott weder fähig noch willens ist, unnötige Leiden zu verhindern.

P.S.: Schön, dass Sie meine Gedanken hinsichtlich Noah und Hiob aufnehmen. Ihr Versuch, sie zu entschärfen, ist jedoch kläglich gescheitert. 🙂

Genau wie bei der Theodizee gib es hier keinen Ausweg, der Ihre Religion ungeschoren davonkommen lässt.

P.P.S.: Was sagen Sie denn zu Abraham, der wegen Sodom und Gomorrha mit JHWH wie ein Marktweib feilscht, aber sofort bereit ist, seinen Sohn umzubringen, als er glaubt, dass sein Gott das von ihm verlangt?

 

Wolfgang Fenske
16. September 2018 um 7:25 Uhr

Ihre Gedanken? So neu sind die nicht. Finden wir schon im Talmud. Es gibt weitere grausliche Geschichten (auch von Abraham – seine Verleugnung seiner Frau…). Jeder, der die Bibel bewusst liest, weiß das. Philo hat ja nicht ohne Grund versucht, manches mit der allegorischen Exegese in ein besseres Licht zu rücken. Ich nehme Gesagtes nicht zurück. Erkläre es mit der gestern angekündigten Fortsetzung, die ich heute ins Netz stelle. Stichwort: Hermeneutische Relevanz… Sie wird auch Sie nicht überzeugen. Aber darum geht es auch nicht. Ich stelle nur das ins Netz, was ich denke. Vielleicht kann ja jemand etwas damit anfangen, weiter entwickeln, gibt neue Impulse, korrigiert sich oder mich. Denken ist Prozess – Glaubensdenken ist Prozess…
Was Abraham und die so genannte Opferung Isaaks betrifft: Versuch zu begründen, warum Gott keine Menschenopfer will. Denn die waren zu der Zeit im Umfeld Israels wohl noch Gang und Gäbe.
Ja, manches Gottesbild ist äußerst kurios. Spannend finde ich, dass Gott es zulässt, dass sein Bild in der Heiligen Schrift so dargestellt wird. Sie werden sagen: Das beweist, dass es keinen Gott gibt. Ich sage: Das beweist, dass Gott Menschen Freiheit lässt – auch etwas über ihn zu denken und zu schreiben, bei dem sich selbst uns Menschen die Fußnägel kringeln. Das beweist Gottes Gnade und Liebe zu den Menschen.

 

Holger Gronwaldt
16. September 2018 um 15:25 Uhr

Spannend finde ich, dass Gott es zulässt, dass sein Bild in der Heiligen Schrift so dargestellt wird. Sie werden sagen: Das beweist, dass es keinen Gott gibt. Ich sage: Das beweist, dass Gott Menschen Freiheit lässt – auch etwas über ihn zu denken und zu schreiben, bei dem sich selbst uns Menschen die Fußnägel kringeln. Das beweist Gottes Gnade und Liebe zu den Menschen.

Sorry, aber das ist doch nichts weiter als hilfloses Theologengewäsch!
Einmal soll die Bibel „Gottes Willen“ verkünden, aber andererseits lässt er dem „Menschen Freiheit“ totalen Unsinn in die Bibel zu schreiben. Ja, was denn nun? Mehr Wischiwaschi geht doch gar nicht!

Das beweist Gottes Gnade und Liebe zu den Menschen.

Das ist nun ein totales non-sequitur. Ja, mehr noch, ein Eingeständnis, dass man mit völlig leeren Händen dasteht und nur noch absurdes Gestammel von sich geben kann:
Ein Bibel, in die Menschen Dinge hineingeschrieben haben, die sie angeblich auf Geheiß ihres Gottes die schlimmsten Verbrechen rechtfertigen lässt, soll „Beweis“ von „Gnade und Liebe“ dieses Gottes sein?
Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!

 

Wolfgang Fenske
19. September 2018 um 7:09 Uhr

Die Bibel gibt den Willen Gottes wieder – so sie aus dem Geist Gottes/Jesu Christi heraus gelesen wird. Sie ist seit Jesus Christus und Paulus kein Gesetzbuch, wie der Koran, das Gott diktiert hat. Eltern lassen Kindern – wenn es gut geht – Freiheiten. Gleichzeitig lenken sie diese. Widerspruch? Nur wenn man undifferenziert denkt.

*

Schön, dass es bei Ihnen auch einmal ein nicht totales non sequitur gab.

*

Bitte auch das berücksichtigen: Blog-Beitrag: Gott in Jesus Christus – Bibelauslegung

 

Holger Gronwaldt
19. September 2018 um 22:46 Uhr

Die Bibel gibt den Willen Gottes wieder –…. wie der Koran, das Gott diktiert hat.

Weder gibt die Bibel den Willen Ihres Gottes wieder, noch hat irgendein Gott den Koran diktiert, auch wenn immer wieder Theologen und Imame wider besseres Wissen das Gegenteil behaupten.

Beides ist nachweislich Menschenwerk, was allein dadurch schon hinreichend bewiesen wird, dass beide Werke voller sachlicher Fehler und absurder Monstrositäten stecken.

 

Wolfgang Fenske
22. September 2018 um 9:14 Uhr

Ich spreche im Folgenden nicht vom Koran, nur von der Bibel: Natürlich ist die Bibel Menschenwort. Das ist doch nichts Neues. Die Frage ist nur: Wie stehen Menschenwort und Gotteswort im Verhältnis zueinander. Wie ist Gottes Wort im Menschenwort zu vernehmen. An dieser Stelle beginnt die Diskussion. Wenn man freilich nicht an Gott glaubt, dann gibt es darüber keinen Diskussionsbedarf. Aber Menschen die wissen, dass es Gott gibt, die ihr Leben an Gott ausrichten, die suchen doch für ihren Glauben – auch mit Blick auf die vielen, vielen Glaubenden weltweit – hier einer Lösung nahe zu kommen. Dass Gott ist, dass er mit uns Menschen kommuniziert, das steht uns Christen außer Frage. Diese Tatsache ist dann mit dem, was wir in der Bibel lesen, zu verbinden. An dieser Stelle setzt dann, ich wiederhole mich, die mehr oder weniger muntere Diskussion an. Schön wäre es, wenn sie unverkrampft geschehen würde.

 

Holger Gronwaldt
22. September 2018 um 13:58 Uhr

Aber Menschen die wissen, dass es Gott gibt,

Das hat mit Wissen überhaupt nichts zu tun, das ist reiner und höchstwahrscheinlich illusionärer Glaube.

Dass Gott ist, dass er mit uns Menschen kommuniziert, das steht uns Christen außer Frage.

Das sagt JEDER, der an bestimmte Götter glaubt, egal, welcher Religion er angehört. Was wäre auch sonst die Funktion von Religion, wenn man diese Überzeugung nicht hätte? Religion bietet schließlich eine Scheinantwort auf Fragen, die man sonst nicht beantworten kann, bzw. konnte. Zum Glück – zu einem „Gott sei Dank!“ kann ich mich hier (und auch anderswo) nicht hinreißen lassen 🙂 – kann die Naturwissenschaft viele dieser Fragen heute eben doch beantworten und die Religionen mussten – sofern sie noch zur Ehrlichkeit fähig sind – eingestehen, dass sie wieder einmal falsch lagen.

Diese Tatsache ist dann …

Das ist ein non sequitur. Sie können eine Glaubensüberzeugung nicht einfach zu einer Tatsache hochstilisieren!

… mit dem, was wir in der Bibel lesen, zu verbinden.

Das grundsätzliche Problem ist nur, dass man in der Bibel extrem viel Widersprüchliches liest. Das ist ja auch der Grund, weshalb praktisch jeder Bibelleser aus seiner Bibel etwas anderes über seinen Gott herausliest.
Und bitte jetzt nicht wieder mit „Vielfalt“ kommen!

Schön wäre es, wenn sie [die Diskussion] unverkrampft geschehen würde.

Von meiner Seite aus sehe ich keinen Krampf. Ich orientiere mich an den mir bekannten Tatsachen. Wenn Sie andere belegbare Tatsachen hinzufügen möchten, können Sie das gerne tun, allerdings waren Sie bisher damit ziemlich sparsam.

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