Blog-Diskussionen

Atheismus und Christentum

Ausgangstext 10.11.2017: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/11/10/verifikation-falsifizierung-gott-und-religion/

Verifizierung, Falsifizierung, Gott und Religion - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 10. November 2017

Was ist logischer? Verifikation oder Falsifikation?

Wissenschaftlich orientiert man sich eher nicht an der Verifikation, sondern an der Falsifikation, da in vielen Bereichen nie das Gesamte untersucht werden kann.

Das bedeutet, dass man davon ausgeht, dass nur der Grad der Bewährung einer Theorie (aufgrund der Begrenztheit, vor der wir Menschen stehen) festgestellt werden kann.

Und was bedeutet das für Menschen, die Gott apodiktisch ausschließen? Sie meinen, alles im Blick zu haben, die Gesamtheit der Welt – bzw. zumindest davon auszugehen, dass sie die Gesamtheit der Welt im Blick haben könnten.

Für mich bewährt sich Religion (eingeschlossen der Glaube an die Existenz Gottes – also Religion als Substanz, nicht nur als soziale Funktion) – nicht nur für mich, sondern für sehr viele Menschen (auch Wissenschaftler des 21. Jahrhunderts) – für manche bewährt sich Religion/Gott in Graden nicht: Manche sehen Religion/Gott als menschliches bzw. gesellschaftliches Produkt (in der Nachfolge Feuerbachs und Freuds und ihre Überlegungen modifizierend) als mehr oder weniger sinnvoll an, manche sehen diese nicht als sinnvoll, sondern eher als gefährlich an (Marx…). Manche sehen sie als allerdings als sinnvoll an, weil es eben Gott ermöglicht, Religion auszuüben. Vor diesem Problem stehen wir. Von daher mutet es schon eigenartig an, wie massiv Gottes Nichtexistenz und die negative Funktion von Religion postuliert werden kann.

Die Vielfalt der Religionen widerspricht Gott nicht. Schrieb ich es nicht schon einmal vor kurzem? Egal. Bislang wird gesagt, dass sämtliche Völker, Stämme eine Ahnung von Transzendenz haben, selbst in Kindern soll das schon angelegt sein. Die Frage ist: Warum ist dem so? Die christliche Antwort: Weil Gott als derjenige, der in der Werdung der Natur seine Hand im Spiel hat, eine Ahnung seiner selbst in die Menschen gelegt hat (Gottes Geist). Der Mensch ist nicht fähig, mit dieser Ahnung Gottes angemessen umzugehen und kreiert Religionen – vom Animismus bis hin zum Monotheismus und den vielen Spielarten dazwischen. Und so sind alle Religionen zu beurteilen – auch Islam und Christentum. Aber dann kommt eben die Offenbarung Jesu Christi dazwischen, Gott zeigt sich selbst. Aber auch diese Offenbarung wird aufgrund der Freiheit des Menschen auch Gott zu widersprechen, zu einer Religion. Und so ist eben die christliche Sicht: Man muss sich in der Nachfolge Jesu immer mehr auf Jesus einlassen. Je mehr man sich auf Jesus Christus einlässt, desto christusförmiger wird man. Aber: Kein Mensch wird sündlos – von daher spielt die Vergebung der Sünden, in die sich Christen durch den Kreuzestod Jesu hineinnehmen lassen, bzw. hinein genommen werden, eine so große Rolle. Sichtbar ist diese Nachfolge in den Menschen, die sich besonders sozial engagieren, die mutig sind, frei und offen Widerstand zu leisten gegen alles mögliche Ungöttliche…

Für mich ist der Grad der Bewährung meiner Glaubenserfahrung sehr hoch – um das Thema oben in etwa aufzugreifen. Ich kann das freilich nur von meiner Erfahrung sagen: Wenn Christen, die ihren Glauben ernst nehmen, einander begegnen, dann spürt man das. Dann werden Bänder gespannt. Und das auch über Konfessionen hinweg.

Noch ein Aspekt: Das Gleichnis aus Matthäus 25,31ff. zeigt, dass Menschen, die einfach aus dem Bedürfnis heraus, anderen Menschen zu helfen, helfen, dass sie auch von dieser positiven Gottesahnung ergriffen sind, ohne es zu merken. Von daher gibt es auch Bänder zwischen Menschen über Religionen und Weltanschauungen hinweg.

 

Diskussionsfaden
7 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
10. November 2017 um 9:53 Uhr

Nur ganz kurz, weil ich gleich aus dem Haus muss (morgen mehr):

Gerade das Gleichnis bei Matthäus finde ich bezeichnend: Jesus als Weltenrichter verhält sich wie ein Richter in einem archaischen Land, der nur zwei Arten von Urteilen kennt: entweder Freispruch oder Todesstrafe. Eine abgestufte Rechtsprechung kennt er nicht.

Die Katholiken haben sich aus diesem Dilemma befreit, indem sie das Fegefeuer erfunden haben, in welchem die armen Sünder (die Reichen können sich freikaufen!) je nach Schwere der Vergehen eine bestimmte Zeit in der Hölle schmoren müssen.

Ich denke außerdem, dass Jesus durch seine Lehre von der Hölle viel Leid unter die Menschen gebracht hat. Ungezählte Kinder wurden aus diesem Grund ermordet, mit dem „Argument“, dass kleine Kinder ja noch unschuldig seien und ihr Tod verhindere, dass sie in der Folgezeit Sünden begehen. Man rettet sie durch die Ermordung also vor der Hölle. Berüchtigt geworden ist diese „Rechtfertigung“ in neuester Zeit durch die Verteidigung des Kindermordes der Israeliten an den Canaanitern durch den amerikanischen Apologeten William Lane Craig:

„Moreover, if we believe, as I do, that God’s grace is extended to those who die in infancy or as small children, the death of these children was actually their salvation. We are so wedded to an earthly, naturalistic perspective that we forget that those who die are happy to quit this earth for heaven’s incomparable joy. Therefore, God does these children no wrong in taking their lives.

So whom does God wrong in commanding the destruction of the Canaanites? Not the Canaanite adults, for they were corrupt and deserving of judgement. Not the children, for they inherit eternal life. So who is wronged? Ironically, I think the most difficult part of this whole debate is the apparent wrong done to the Israeli soldiers themselves. Can you imagine what it would be like to have to break into some house and kill a terrified woman and her children? The brutalizing effect on these Israeli soldiers is disturbing.“

 

Wolfgang Fenske
10. November 2017 um 16:37 Uhr

Sie haben insofern recht, dass es sich mit dem Gleichnis um ein altes Gleichnis handelt, in dem von einem König die Rede ist, und dieser König hat Macht. Jesus hat nichts von einem Bundeskanzler sagen können, der in einer Demokratie Richtern unterliegt, die ebenfalls an rechtliche Strukturen der Gegenwart gebunden sind. Zudem gibt es aus historisch-kritischer Sicht Spannungen im Text, weil Textwachstum erkennbar ist. Das muss man alles berücksichtigen – aber egal, das betrifft nicht das Zentrum der Kritik. Das Thema Himmel und Hölle ist älter als Jesus – das wissen Sie sicher. Und Hölle ist aus gegenwärtiger Sicht interpretiert: Gottesferne. Ich weiß Kirchengeschichte – Feuer – Fegefeuer als Ort der Reinigung! (dennoch nicht angenehmer, vermute ich) – vor allem muss das bildlich verstanden werden, weil Menschen vermutlich ahnten, dass das Menschen mit ihren Körpern nicht (1000 Jahre) durchhalten – und die Seelen eine andere „Konsistenz“ haben dürften (den Künstlern, die sich das wundergrausam ausgemalt haben zum Trotz) – aber damit habe ich mich noch nie beschäftigt, weil ich mich lieber mit dem Himmel beschäftige, mit dem Evangelium, das ja vor der Gottesferne retten soll.
Diese Tötung von kleinen Kindern, damit sie nicht zu Sündern werden können – das ist mir neu. Und das kann sich auf Jesus berufen? In der Kirchengeschichte gab es absolute Grausamkeiten und Irrationalitäten, die mit Jesus nichts zu tun hatten, eher mit der Bestialität der Menschen. Ich denke, als Kirche sind wir dabei, so etwas aufzuarbeiten und entsprechend neue Vorzeichen zu setzen, von denen wir ausgehen, dass sie dem Maßstab, den Jesus gesetzt hat, eher entsprechen. Und Jesus hat nicht geraten, anderen die Hölle zu bereiten, sondern geraten, andere davor zu bewahren, auch in von Menschen bereitete Höllen zukommen: Gemeinschaft, Vergebung, Sensibilität für Notleidende. Ich wundere mich übrigens, dass Sie nicht aus dem Gleichnis Rassismus heraus gelesen haben, denn was können Böcke dafür, dass sie Böcke sind und Schafe, dass sie Schafe sind? Jedes der Gleichnisse Jesu kann überstrapaziert werden, es sind kleine Bildergeschichten, die mich in ein ganz bestimmtes Denken hineinziehen wollen. Und hier geht es darum, dass Menschen, die aus Mitleid anderen helfen, von Gott belohnt werden, und diejenigen, die anderen nicht geholfen haben – eben anderen die Hölle bereitet haben – die Gottferne (eben die Hölle, die sie anderen bereitet haben) erleben dürfen. Dürfen. Denn das wollen sie ja.
In dieser Hinsicht finde ich den Inquisitor von Dostojewski so spannend: Menschen der Kirche würden auch Jesus hinrichten, weil er ihnen in die Quere kommt. Das habe ich aber schon neulich geschrieben, dass der Mensch gegen Gott kämpft – dass das eben das Wesen der Sünde ausmacht (auch im Alten Testament wird der Mensch als Sünder nicht verschönt, sondern in seiner ganzen Brutalität dargestellt – eben auch als einer, der seine Untaten mit Gott legitimiert. Und was nun von Gott ist – was nicht, diese Diskussion begegnet uns schon beim Propheten Jeremia, diese finden wir in der Versuchungsgeschichte Jesu und das finden wir auch in der Kirchengeschichte. Von daher ist es nicht besonders sinnvoll, alle möglichen Auswüchse in der Kirchengeschichte zur Beurteilung des Kerns christlichen Glaubens heranzuziehen. Ich könnte vieles dazu beitragen. Aus meiner Perspektive ist es richtig, die Vergehen aufzuarbeiten, als Schuld der Kirche anzuerkennen, die gegen Gott agitierte, aber auch für die Schuld der Kirche der Gegenwart sensibel zu werden – und den Roten Faden zu suchen, der die gesamte Geschichte durchzieht: Wer hat, trotz aller Fehlerhaftigkeit und Schuld, Gottes Sache vorangetrieben? Was ist „Gottes Sache“? Das, was Jesus am Herzen lag: Die ersehnte Zukunft, den Schalom (Wohlergehen, Frieden, Gerechtigkeit, Glück…) schon jetzt zu realisieren. (Dieser Beitrag wird morgen im Blog ein wenig ausführlicher als Blogbeitrag erscheinen.)

 

Holger Gronwaldt
11. November 2017 um 21:10 Uhr

@Wolfgang Fenske,

Und was bedeutet das für Menschen, die Gott apodiktisch ausschließen?

Ich denke, es gibt nur wenige Menschen, die (einen) Gott apodiktisch ausschließen, allerdings durchaus viele, die die Fehler in konkreten Gotttesvorstellungen deutlich benennen, woraufhin ihnen die so in Bedrängnis Geratenen der Gegenseite vorwerfen, sie würden „Gott“ leugnen.

Tatsache ist, dass man grundsätzlich, die Annahme, dass ein Gott dieses Universum ins Leben gerufen hat (noch) nicht widerlegen kann. Allerdings kann man bei bestimmten Aussagen über einen solchen Gott aufzeigen, dass diese logisch nicht haltbar sind. So kann ein Gott nicht gleichzeitig allwissend sein und über einen freien Willen verfügen und somit wäre er auch nicht allmächtig. Ein allwissender Gott würde nämlich auch die Zukunft kennen, aber dann wäre er unfähig, sie zu verändern.

Somit sind also viele Vorstellungen, die sich Christen über ihren Gott machen, schon widerlegt.

Sie meinen, alles im Blick zu haben, die Gesamtheit der Welt – bzw. zumindest davon auszugehen, dass sie die Gesamtheit der Welt im Blick haben könnten.

Das maße ich mir im Gegensatz zu denen, deren Weltbild von einem allmächtigen und mit weiteren Eigenschaften ausgestattetem Gott ausgeht, nicht an. Ich sehe nur, dass bestimmte Gegebenheiten dieser Welt mit bestimmten Vorstellungen, die man sich von einem Gott macht, unvereinbar sind. So ist z. B. ein gütiger Gott, der gleichzeitig „Herr der Geschichte“ ist, mit dem Ablauf unserer Geschichte (z. . dem Holocaust) ohne absurde Hilfsannahmen nicht in Einklang zu bringen.

Für mich bewährt sich Religion (eingeschlossen der Glaube an die Existenz Gottes – also Religion als Substanz, nicht nur als soziale Funktion) – nicht nur für mich, sondern für sehr viele Menschen (auch Wissenschaftler des 21. Jahrhunderts)

Tatsache ist jedoch, dass inzwischen bei uns die große Mehrheit der Bevölkerung religionslos bzw. bestenfalls noch traditionelle Christen sind, die zwar Weihnachten noch in die Kirche gehen und Kirchensteuer zahlen, aber ansonsten – außer vielleicht noch bei Hochzeit und Beerdigung – mit Gott und Kirche nichts am Hut haben.

Tatsache ist ferner, dass mit dem Bildungsgrad und insbesondere der wissenschaftlichen Qualifikation der Abstand zu religiösen Vorstellungen deutlich zunimmt.

Die Vielfalt der Religionen widerspricht Gott nicht.

Eine apodiktische Aussage, die zu dem leicht widerlegt werden kann. Da Religionen – wenn man die historischen mit einbezieht – Tausende von Göttern und Dämonen und … und … und … kennen, sinkt die Wahrscheinlichkeit für die Existenz eines einzigen konkreten Gottes.

Würden dagegen Völker, die nachweislich nie Kontakt miteinander hatten, eine zumindest ähnliche Vorstellung von EINEM Gott entwickelt haben, so wäre das quasi schon ein Gottesbeweis. Allerdings ist genau das Gegeteil der Fall und die monotheistischen Religionen von heute lassen sich auf eine einzige Quelle (Ägypten) zurückführen. Der Islam wäre nicht entstanden, wenn Mohamed nicht Kenntnis des Juden- und Christentums gehabt hätte, das Christentum ist ohne jüdisches Vermächtnis nicht denkbar und Jahwe nicht ohne Vorbilder im antiken Ägypten, denn auch die frühen Israeliten hatten viele Götter und es war nicht einfach, sie auf den einen einzuschwören.

Bislang wird gesagt, dass sämtliche Völker, Stämme eine Ahnung von Transzendenz haben, selbst in Kindern soll das schon angelegt sein. Die Frage ist: Warum ist dem so?

Dafür gibt es eine sehr viel überzeugendere Antwort als die Ihre: Der Ursprung der Menschheit liegt in der Fähigkeit, die Umwelt ihren Bedürfnissen und Wünschen anzupassen: sie machten Werkzeugen und veränderten damit die Umwelt entsprechend. Daraus erwuchs die Vorstellung, dass etwas, das „gemacht“ ist, auch einen „Macher“ benötigt. Der nächste logische Schritt sind Schöpfergötter, die die Umwelt „gemacht“ haben, ergo der Ursprung der Religionen. Als nächstes bedarf es nur noch ein paar cleverer Kerlchen, die erkennen, dass sie ihre Mitmenschen beherrschen können, wenn sie vorgeben, einen direkten Draht zu diesen Göttern zu haben. Die erfinden dann eine Mär und spinnen sie im Verlauf der Generationen immer weiter aus. So werden Religionen immer komplexer.

So, ich denke, das reicht für heute.

 

Wolfgang Fenske
12. November 2017 um 15:21 Uhr

Das ist so ein Beispiel dafür, dass wir die Übersicht verlieren: Ich bin auf viele dieser Punkte in vorangegangen Reaktionen eingegangen.
Zum ersten Aspekt: Das freut mich – es geht also um Gottesbilder. Und mit Blick auf Gottesbilder ist vom allwissenden usw. Gott zu sprechen. Aber das ist ein „Gottesbild“ eine Vorstellung, die wir uns von Gott machen. Was ist das eigentlich „Allmacht“ usw. wenn wir die Bibel lesen, dann widerspricht Gott unseren Vorstellungen von „Allmacht“ – ich möchte noch einmal auf: http://evangelische-religion.de/allmacht-gottes.html hinweisen. Und das ist ja das Gute an den Religionskritikern, dass sie die Kirchen eben darauf hingewiesen haben, dass sie ihre Gottesbilder überprüfen – aber gleichzeitig kritisieren sie aus kirchlicher Sicht damit auch ihre eigenen Gottesbilder (Feuerbach, Marx…).
Ebenso bin ich auf die TheodizeeFrage schon eingegangen und habe auf http://evangelische-religion.de/theodizeeleiden.html und weitere dort zu findende Seiten hingewiesen. Die dort von mir gegebenen Antworten mögen nicht befriedigen – aber ich denke, sie weisen schon über die Anfragen hinaus.
Die Reaktion darauf, dass es auch Wissenschaftler gibt, die an Gott glauben – und dann damit zu reagieren, dass viele Menschen nicht an Gott glauben – ist für mich nicht nachvollziehbar. Das widerspricht ja nicht der Sicht, dass auch Wissenschaftler – also Menschen, von denen man ausgehen kann, dass sie klug sind – an Gott glauben. Wobei schon Jesus diesen Bezug abgelehnt hat: Manche klugen Menschen verstehen nichts von Gott – aber die Unklugen. Und das ist nicht schlecht (wie Nietzsche meinte), sondern für den christlichen Glauben sogar relevant. Warum Menschen heute häufig nicht an Gott glauben, wird sehr viele Gründe haben. Aber darauf muss ich nicht eingehen. Oder?
Was die Vielfalt der Religionen betrifft: Klar, dass Sie Ihre für überzeugender halten. Müssen Sie ja auch, weil sie nicht von der Existenz Gottes ausgehen. Ich, der ich es für plausibel halte, dass Gott auch außerhalb unserer religiösen Vorstellungen eigenständig existiert, gehe von einer anderen Voraussetzung aus – ohne in Abrede stellen zu wollen, dass wir Menschen clevere Kerlchen sind (schöne Formulierung!). Und weil wir eben clevere Kerlchen sind, sagen wir: Ich bin so clever – das habe ich mir alles allein ausgedacht: Gott gibt es nicht. Ich bin sogar so clever, mir einen Gott ausgedacht haben zu können. Der Höhepunkt der Cleverness (das gab es ja schon in der Antike, aber modern: Feuerbach). Bis dann diejenigen kommen und sagen: So clever war das gar nicht. Das war Volksverdummung (Marx). Und sie sagen dann: ok, war Volksverdummung, es gibt keinen Gott. Wir können auch ohne diese Volksverdummung clever sein. (Sie kennen sicher auch die Sicht aus der Antike: Wenn es keine Götter gäbe, müsste man sie erfinden, damit Menschen durch Gesetze zur Raison zu bringen sind bzw.: Es gibt keine Götter, Menschen haben sie erfunden, ist auch schon recht alt.)

Kurz: Ich kenne vieles, was gegen Gott spricht – es kommt auf die Frage der Erkenntnis an. Aber das hatten wir ja schon – obgleich ich auf ihre Reaktion (wenn ich mich recht erinnere) noch nicht eingegangen bin.

 

Holger Gronwaldt
13. November 2017 um 23:03 Uhr

Es gibt keine Götter, Menschen haben sie erfunden, ist auch schon recht alt.

„Alt“ ist nicht „(immer) gleichbedeutend mit „überholt“. Diese Erkenntnis war und bleibt auch zutreffend. Wir Menschen haben im Laufe der Geschichte Tausende von Göttern erfunden, warum soll also ausgerechnet der, in den viele Menschen in unserem Kulturkreis glauben, der „einzig wahre sein? Dafür gibt es keine stichhaltigen Argumente.

Hätte Kaiser Konstantin das Christentum nicht zur Staatsreligion erhoben, sähe die religiöse Landschaft der Welt heute ganz anders aus.

Kurz: Ich kenne vieles, was gegen Gott spricht – es kommt auf die Frage der Erkenntnis an.

Sehe ich auch so: es gibt tatsächlich viele stichhaltige Argumente gegen den Gott der Christen, aber praktisch keine dafür, jedenfalls keine stichhaltigen.

 

Wolfgang Fenske
17. November 2017 um 17:28 Uhr

Es gibt keine stichhaltigen Argumente für Gott?
Doch, ich, der Glaubende.
Wir, die Glaubenden, die aus Glauben leben.
Man kann natürlich Glauben… aus der Psyche deuten, als Placebo, als Psychopathisch… – alles schon dagewesen. Aber eben: das sind nur Deutungen, Interpretationen von denen, die sich darüber wundern, dass es Glaubende gibt und die Phänomene wahrnehmen, aber aus ihrer Sicht interpretieren müssen, um wieder in der Welt klar zu kommen. Damit sie mit der Welt klar kommen, müssen manche das Transzendente weg interpretieren. Dieser Ansatz ist Umkehrung dessen, was man Glaubenden vorwirft: Sie benötigen das Transzendente, um in der Welt klar zu kommen. Wir Menschen stecken in einem Dilemma: Wir können weder uns noch die Welt aus einer Perspektive außerhalb betrachten. Von unseren begrenzten Sinnen, die die Welt irgendwie ins Hirn übertragen – und da kann Wissenschaft trotz vieler neu entstehender Fragen auch immer weiter antworten – und von begrenzter Sprache sind wir schlicht und ergreifend abhängig. Wir dehnen alles immer weiter aus. Was kann Sprache inzwischen alles leisten! Aber all das ist immer noch Teil unserer Begrenztheit. Der optimistische Rationalismus – aber auch der sich selbst Grenzen setzende Empirismus usw. usw. sind nicht mein Ding. Ich halte sie aufgrund meiner Welt-Erfahrung nicht für plausibel.
Wenn ich sage, dass dieser Vorwurf recht alt ist, dann wollte ich damit nicht Altes als solches kleinreden – Religion würde ja auch darunter fallen. Weiterführend: Manchmal denken manche Religionskritiker, ihre Position sei schon darum relevant, weil sie modern sei.
Und warum ist gerade der Gott in unserem Kulturkreis der einzig Wahre? Ist er das? An dieser Stelle bin ich meiner christlichen Religion auch etwas skeptisch gegenüber. Wir neigen dazu, Gott mit unserer Kultur zu verknüpfen. Wir müssen unsere Kultur – so meine Sicht – immer wieder von Gott her kritisieren, damit sie sich nicht so leichtfertig auf ihn berufen kann – auch mit ihren Abwegen.
Sie kreiden zu recht an, dass Christen/Kirchen sich – ich sage es mit eigenen Worten – um Geld drehen, statt es weiterzugeben. Aber ich sehe Jesus nicht als Gesetzgeber an – dazu hat er zu wenig reguliert und auch regulieren wollen (das sieht man zum Beispiel im Vergleich jesuanischer Worte zu Gesetzesreligionen. Er hat einen Rahmen abgesteckt, den Glaubende eigenverantwortlich füllen müssen. Und so kann das Geld gegen Jesus sein, wenn man sich auf es verlässt – aber es kann auch im Sinne Jesu verwendet werden, wenn es sinnvoll und verantwortlich eingesetzt wird. Was das letztlich jedoch bedeutet, hat die Gemeinde/Kirche zu entscheiden. Und so gibt es auch innerhalb der Kirchen massive Kritik an institutionelle Verhärtungen – allen voran der ehemalige Papst Benedikt XVI. – wenn es um Geld geht und Verknüpfung mit dem Staat.

 

Holger Gronwaldt
18. November 2017 um 13:17 Uhr

Es gibt keine stichhaltigen Argumente für Gott?
Doch, ich, der Glaubende.

Wunschdenken ist ein schlechter Ersatz für Realitätssinn. Gibt es sonst noch etwas, das für Ihren Gott sprechen könnte?

„Manchmal denken manche Religionskritiker, ihre Position sei schon darum relevant, weil sie modern sei.“

Sorry, aber das ist ein ziemlich pauschaler und ins Leere treffender Anwurf. Und er trifft schon gar nicht auf die Religionskritiker zu, mit denen es sich zu beschäftigen lohnt.

Man kann den Satz aber auch auf Religionsbefürworter ummünzen:
Meistens denken Religionsbefürworter, dass es allein deshalb schon sinnvoll ist etwas bestimmtes zu glauben, weil schon Generationen von Menschen vor ihnen das selbe geglaubt haben.

Was kann Sprache inzwischen alles leisten! Aber all das ist immer noch Teil unserer Begrenztheit.

Diese Begrenztheit gilt dann aber umso mehr, wenn Sie von Ihrem Gott reden, denn der ist an keinem Teil der Realität festzumachen.

Wenn Astronomen z. B. vom Urknall reden, dann haben sie handfeste Hinweise auf dessen Gegebenheit: Rotverschiebung der am weitesten entfernten Galaxien, die ubiquitäre Hintergrundstrahlung von knapp 3 Kelvin und die relative Häufigkeit der Elemente Wasserstoff, Helium und Lithium.

Wenn Theologen von ihrem Gott reden, dann haben sie nur antike Mythen und untaugliche Analogien.

Ein Beispiel.

Viele Gläubige argumentieren so etwa so:
Alles, was da ist, muss eine Ursache haben. Das Universum ist da, also ist seine Ursache ein Gott.

Darin stecken schon zwei Denkfehler:
1. Dann müsste auch der betreffende Gott eine Ursache haben; wir landen in einem infiniten Regress.

2. Selbst wenn wir einen Gott unterstellen, der das Universum geschaffen hätte, führt kein logischer Weg von dieser Annahme zu einem spezifischen Gott, sei es Jahwe, Shiwa, Allah oder wer auch immer.

Der Grund für den ersten Denkfehler ist zudem einfach erklärt:
Zum einen suchen wir Menschen immer nach Mustern und unsere Erfahrung lehrt uns, dass es für praktisch jede Wirkung eine Ursache gibt. Also folgern wir das auch für das Universum.
Zu anderen beginnt die Geschichte der Menscheit mit der Herstellung von Werkzeugen (oder auch schon etwas früher mit der Nutzung des Feuers). So ist es sehr einleuchtend, dass eine bewusste Veränderung auch eines bewussten Veränderers bedarf. Menschen „schaffen“ Werkzeuge, Götter „schaffen“ die Welt.

Hinzu kommt natürlich der Wunsch, den Naturkräften nicht machtlos ausgeliefert zu sein. Also suchten unsere Vorfahren nach Wegen, sich die Naturkräfte gewogen zu machen. Diesem Wunsch entsprachen dann die ersten „Priester“, die von sich behaupteten, Mittel und Wege dazu zu besitzen, zumindest aber zu „wissen“, was die „Götter“ mit dieser oder jener Naturerscheinung beabsichtigen. Das war dann die Geburtsstunde der Religion.

Eine Vorstufe konkreter Religionen lässt sich wohl auch aus der Tatsache ableiten, dass unsere Vorfahren schon vor der Entstehung einer ausdifferenzierten Sprache, die noch kein abstraktes Denken ermöglichte, sich des Umstands bewusst waren, dass sie sterblich sind. So hat sich wohl auch der Wunsch herausgebildet, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende sein möge, zumal sich gleichzeitig auch die Erkenntnis durchsetzte, dass es auf dieser Welt äußerst ungerecht zugeht und man sich nach Kompensation für zu erduldendes Leiden sehnte.

Eine Wirkung von Religion ist, dass sie identitätsstiftend ist. Negativ wirkt sich das aus, indem daraus ein „wir“ und die „anderen, die nicht so glauben wie wir“ entsteht. Deshalb haben sich die verschiedenen Religionen untereinander auch immer bekriegt.
Eine positive Auswirkung war, dass es den Zusammenhalt der Gruppe fördern konnte, was umso nützlicher wurde, je größer die Gruppen wurden und je weiter voneinander entfernt sie lebten. Die ersten Staatengebilde sind ohne eine solche identitätsstiftende Religion nur schwer vorstellbar.

Mit größer werdenden Machtkonzentration wurde es dann auch praktisch, die Anzahl der Götter zu reduzieren, so dass im Endeffekt der alleinige Herrscher in enge Verbindung zu dem einen Gott gebracht werden konnte. Der Monotheismus war geboren.

Nebengedanke: Spiegelt sich nicht auch die Religion der Griechen und Römer in diesem Zusammenhang wider?
Eine Religion, die viele Götter hat, lässt auch im Staat zumindest eine Oligarchie zu. Im späteren Rom unter Konstantin war es dann nur logisch, den Monotheismus einzuführen. Denn wenn der Herrscher von nur einem Gott eingesetzt wurde, war es für mögliche Konkurrenten schwer zu argumentieren, dass sie ebenfalls von diesem Gott zur Herrschaft bestimmt waren. (Wie gesagt, nur ein Nebengedanke, aber vielleicht interessant, einmal intensiver darüber zu recherchieren und nachzudenken.)

Damit sie mit der Welt klar kommen, müssen manche das Transzendente weg interpretieren.

Das kann man auch anders sehen: Da es für die Existenz desTranszendenten außer einer reinen Denkmöglichkeit nicht den geringsten Hinweis gibt, ergint sich für den logisch denkenden Menschen auch keine Veranlassung, sich damit eingehender zu befassen. Frei nach Wittgenstein: „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“

Die Nichtbelegbarkeit der Transzendenz ist doch auch der leicht nachvollziehbare Grund für die Vielfalt der Religionen: da die Vorstellungen derReligionen von der Realität völlig losgelöst sind, können ssie munter drauf los spekulieren und sind praktisch keinen Beschränkungen unterworfen. So können sie jeweils genau das behaupten, was ihren Zwecken am besten dient.

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Wolfgang Fenske © 2018