Ausgangstext der Diskussion 19.11.2017: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/11/19/christen-fuer-bewahrung-der-schoepfung/
Christen treten für die Bewahrung der Schöpfung ein: https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/veranstaltungen/2017/11/15/bewahrung-von-gottes-schoepfung-in-die-gemeinden-tragen/
Ich weiß, dass das, was ich jetzt sage, nicht von allen Christen geteilt wird. Aber auch denen, die das nicht so sehen, gibt es vielleicht zu denken. Man darf die Texte – so lernen wir heute – nicht mehr nur auf der Oberfläche betrachten, sondern auch auf einer tieferen Ebene:
Mit diesen Texten, die Sie ansprechen, handelt es sich jeweils um einen Mythos. Ein Mythos versucht die Welt aus seiner Zeit heraus mit Hilfe einer Geschichte zu erklären – und zwar auch aus der wissenschaftlichen Perspektive der Zeit. Und Wissenschaft damals bedeutete eben: Gott – Mensch – Umwelt gehören zusammen. Der Mythos der ersten Schöpfungsgeschichte ist wohl in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft entstanden, hat manches aus dem babylonischen Raum aufgenommen – und aus jüdischer Sicht neu interpretiert. In dieser Zeit der Unterdrückung setzte man der babylonischen Götter-Welt-Religion eine jüdische Perspektive entgegen: Nicht Götter schufen, Welt ist nicht Götter, Menschen sind keine Zufallsprodukte, sondern gewollt, alle Menschen sind dazu aufgerufen, die Welt zu verwalten – nicht nur die Herrscher (als Göttersöhne). Und in dieser Zeit hallte in diesem Schöpfungslied das Wort nach: Und Gott sah, dass alles gut war. In der Zeit des Chaos, in der Zeit der babylonischen Gewalt, der Heimatlosigkeit wird Trost zugesprochen: Der Grundtenor der Welt ist gut. Woher kommt aber das böse? Dadurch, dass der Mensch seine Freiheit missbraucht hat. Und dann kamen Essen von Tieren, Töten von Menschen, Rolle von Mann und Frau dazu. Idealzustand ist nicht mehr – jeder sieht es. Und woher kommt es? Das wird hier erklärt. Und entsprechend ist auch die Noah Geschichte eine Erklärung aus der Zeit heraus: Warum sind die Menschen so dominant? Es spielt vermutlich auch Stolz mit hinein: Wir Menschen müssen keine Angst vor der Natur haben (was in der damaligen Zeit verbreitet war): Wir dürfen sie beherrschen. Also der Noah-Segen ist so eine Art Legitimation der (auch modernen) Wissenschaft. Wie es mit dem Menschen so ist, er übertreibt – Mythos Turmbau zu Babel. Er übertreibt, will wieder einmal wie Gott werden, Gott aus dem Himmel holen – Gott verwirrt die Kommunikation. Erklärung für die unterschiedlichen Sprachen – damit verbunden die Arroganz des Menschen.
Aber: Mit der Vertreibung aus dem Paradies ist die gesamte Schöpfung in Unordnung geraten. So sieht es dann der Prophet Jesaja, dass dann, wenn alles wieder wird wie es nach Gottes Willen sein soll: Wolf und Lamm gemeinsam weiden, Löwe und Rinder fressen Stroh… (65,25) – die Sehnsucht des Menschen: alles wird wieder gut. Aber es ist nicht gut. Und von daher muss der Mensch so handeln, dass er es möglichst gut hinbekommt, auch gegen die außer Rand und Band agierenden Bakterien / Viren. Hier kommt dann auch die Sicht Jesu ins Spiel: Menschen erwarten das Reich Gottes, den Schalom, diese ideale Welt, die Gott herbeiführen wird. Aber bis es soweit ist, sollen Menschen das tun, was zu dieser Welt beitragen kann. Sie werden es nicht vollenden können, aber sie müssen jetzt schon aktiv werden, so gut sie es eben können.
Was bedeutet das nun für das Thema Bewahrung der Schöpfung? Der Verantwortung gerecht werden. Über die Wege kann man sich und muss man sich streiten (Vegan?). Wie man allerdings christlich streitet? Indem man Auseinandersetzungen wie Jesus nicht scheut – aber das unter der Vorgabe der Vergebung, der Nächsten- und Feindesliebe.
Apropos Natur: Wie schön sprach Jesus von den Mohnblumen (Lilien des Feldes): Sie sind schöner gekleidet als Salomo in seiner Pracht. Er hat das Senfkorn dazu verwendet, für das Reich Gottes als Gleichnis zu dienen. Natur als Schöpfung wahrnehmen – geht anders mit ihr um als wenn man sie aus der Nutzen-Perspektive ansieht. Und so stellt sich mir heute auch die Frage aus dieser biblischen Perspektive: Wo übertreibt Wissenschaft? Wo meint der Mensch etwas zu korrigieren müssen – was dann zu massiven Schäden führen kann? Wo muss er korrigieren?
Ich weiß, dass das, was ich jetzt sage, nicht von allen Christen geteilt wird.
Ich fürchte, es gibt grundsätzlich kaum eine Glaubensäußerung, die alle Christen teilen würden. Dazu ist ide christliche Lehre einbfach zu beliebig.
Man darf die Texte – so lernen wir heute – nicht mehr nur auf der Oberfläche betrachten, sondern auch auf einer tieferen Ebene:
Ja, das hat dann nämlich den Vorteil, dass man einfach alles, was man möchte, hineininterpretieren kann. Tatsache ist doch, dass es kaum einen religiösen Text gibt, der von Theologen nicht völlig konträr verstanden wird.
Und Wissenschaft damals … “
Sorry, aber Wissenschaft damals gab es gar nicht. Das, was wir heute unter Wissenschaft verstehen, ist ein komplexer Prozess, der strengen Regeln unterworfen ist, z. B. müssen Aussagen so formuliert werden, dass sie überprüfbar/falsifizierbar sind, sonst sind sie für die Wissenschaft sinnlos. Die meisten Aussagen über Götter erfüllen naturgemäß dieses Kriterium nicht – und wenn doch, sind sie längst falsifiziert, z. B. „wenn Gott zürnt, macht er Gewitter“.
Woher kommt aber das böse? Dadurch, dass der Mensch seine Freiheit missbraucht hat.
Laut Bibel kann es keine Freiheit im Sinne von Willensfreiheit geben, denn der allwissende Gott kennt ja die Zukunft, hätte also von Anfang an wissen müssen, dass seine „perfekte“ Schöpfung gegen die Wand fahren würde.
Der klägliche Erklärungsversuch der Bibel verwickelt sich gleich zu Beginn in unauflösbare Widersprüche.
Prophet(?) Jesaja?
Prophetie als Vorhersage kommender Ereignisse, die durch menschliches Handeln bedingt sind, ist schlechterdings völlig unmöglich, wenn man nicht davon ausgehen will, dass auch die komplette Zukunft schon in diesem Augenblick (und seit Anbeginn des Universums) unabänderlich feststeht.
Hier kommt dann auch die Sicht Jesu ins Spiel: Menschen erwarten das Reich Gottes
Aus Jesu Sicht hätte er sehr kurz nach seiner Hinrichtung wieder kommen sollen. Er sagt an mehreren Stellen im NT, dass das Reich Gottes nahe ist und das war auch die Erwartung der frühen Christen. Aber da haben sich alle, inklusive Jesus, getäuscht.
Aber bis es soweit ist, sollen Menschen das tun, was zu dieser Welt beitragen kann.
Würde mich sehr interessieren, wo er das gesagt haben soll, denn ich kenne zum Beispiel die gegenteilige Aussage: „Sorgt nicht für den morgigen Tag …“ Matthäus 6,25ff.
Scheiut mir ein gutes Beispiel dafür zu sien, dass Theologen wieder einmal aus der Bibel Dinge herausholen, die dort gar nicht stehen. 🙂
Er hat das Senfkorn dazu verwendet, für das Reich Gottes als Gleichnis zu dienen.
Vor allem entlarvt er damit seine mangelnden botanischen Kenntnisse, denn weder ist der Senfsame der kleinste aller Samen wie behaupet und er wächst auch nich zu einem Baum heran, auf dessen „Zweigen sich die Vögel des Himmels niederlassen.“
Ich denke, von Sohn Gottes sollte man bessere Kenntnisse seiner Schöpfung erwarten können.
Und so stellt sich mir heute auch die Frage aus dieser biblischen Perspektive: Wo übertreibt Wissenschaft? Wo meint der Mensch etwas zu korrigieren müssen – was dann zu massiven Schäden führen kann? Wo muss er korrigieren?
Ich denke nicht, dass sich solche Fragen aus „biblischer Perspektive“ – was immer das sein mag – beantworten lassen.
Die Frage „Wo übertreibt Wissenschaft?“ halte ich in dieser pauschalen Formulierung für ziemlich sinnlos, denn ich kann mir z. B. nicht vorstellen, dass man z. B. Geologie „übertreiben“ kann.
Für legitim halte ich allerdings die Frage, welchen Anwendungen wissenschaftlicher Ergebnisse aus ethischen Gründen eventuell eine Grenze gesetzt werden sollte/muss. Aber auch das lässt sich nur für den konkreten Einzelfall und nicht pauschal beantworten.
Holger Gronwaldt
19. November 2017 um 11:01 Uhr
Ich finde es ja löblich, wenn sich auch einige Christen für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einsetzen. Leider aber rauben andere Christen – vor allem in den USA – unseren Planeten nach besten Kräften aus und zerstören ihn, wobei sich beide im Auftrag ihres Gottes wähnen.
Die Crux ist, dass sich beide Positionen irgendwie aus der Bibel ableiten lassen, allerdings die der Zerstörer mit besserer Begründung als die der Bewahrer. Man vergleiche folgende Bibelzitate:
1. Mose 1.28: Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
sowie 1. Mose 9, 1-2: Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch und erfüllt die Erde. Furcht und Schrecken vor euch sei über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel, über alles, was auf dem Erdboden kriecht, und über alle Fische im Meer; in eure Hände seien sie gegeben.
Dagegen bezieht sich 1. Mose 2,15: „Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn baute und bewahrte“ lediglich auf den Garten Eden.
Hier besteht nicht einmal ein Widerspruch wie man ihn sonst oft in der Bibel findet. Aus dem Paradies (Eden) wurde der Mensch vertrieben und damit ist auch der Auftrag hinfällig, den Garten zu bewahren. Es bleibt allein die Aufgabe, die gesamte Erde zu unterwerfen und das tun wir leider mehr als gründlich.
Ganz abgesehen davon, dass der Begriff „Bewahrung der Schöpfung“ natürlich mehr als problematisch ist, sogar für Christen sein sollte. Denn wenn ein Christ ALLE Lebewesen als Geschöpfe Gottes betrachtet, dann fallen darunter natürlich auch alle solchen, die für uns Menschen äußerst gefährlich sind. Und ich denke hier in keiner Weise an Tiger, Löwen und Haie sondern an so banale Lebenwesen wie todbringende Bakterien und Viren. Bewahren der Schöpfung würde es uns Menschen also auch verbieten, Krankheiten wie Pest, Pocken, usw. auszurotten, denn bei den Krankheitsverursachern handelt es sich ja auch um Geschöpfe des christlichen Gottes.
Zum Glück sind aber auch die meisten Christen so pragmatisch, dass sie um eines Vorteils Willen immer mal wieder fünfe gerade sein lassen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Aus der Bibel lässt sich ein Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung nicht widerspruchsfrei ableiten und sein Gegenteil mindestens genau so gut begründen.