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Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 03.12.2017: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/12/03/bostoner-erklaerung/

Bostoner Erklärung - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 3. Dezember 2017

Es gibt eine Bostoner Erklärung gegen ein Christentum von weißen Unterdrückern: https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/weltweit/2017/11/30/bostoner-erklaerung-gegen-ein-christentum-von-weissen-unterdrueckern/

Man lese das Bonhoeffer-Buch von Metaxas. Dort wird über einen Teil der Christen in den USA nicht gut gesprochen. Und zwar über diejenigen, die - und das ist gut - sozial sehr engagiert sind, aber - und das ist nicht gut - überhaupt keine theologische Bildung besäßen, man sich aber über alle anderen erhaben fühle. Es geht um das Union Theological Seminary, das im Grunde nur gegründet wurde, um sich an liberalen und humanistischen Redensarten berauschen zu können (so 131). Christliche Tiefe fand er in anderen Gemeinden (Zitat aus dem genannten Buch Seite 143):

Was Bonhoeffer in den schwarzen Gemeinden in Amerika sah, verstärkte  einen Gedanken, der damals in ihm Gestalt gewann. Echte Frömmigkeit und  geistliche Kraft hatte er nur in solchen Gemeinden in Amerika erlebt, in  denen das Leiden in Geschichte und Gegenwart eine Realität war. Irgendwie  hatten sie "mehr", diese Gemeinden und diese Christen – etwas, von dem  die Welt der theologischen Gelehrtenstuben (selbst der allerbesten, wie in  Berlin) kaum wusste.

Kann es sein, dass diese Gemeinden auch heute noch überwiegend evangelikaler sind, als die Bostoner sich das so vorstellen - in ihren Gelehrtenstuben?

Wie dem auch sei: Wenn diese Erklärung dazu dient, dass die Christen sich über Streit und Auseinandersetzungen zusammenfinden, dann ist das gut. Wenn es jedoch darum geht, politische Markierungen zu setzen, unabhängig vom Glauben, dann ist das Blendwerk.

Meine Position: Es darf in der Kirche nicht um parteipolitische Rechthaberei gehen. Man sollte Brücken bauen. Dass gerade Extremisten nicht daran interessiert sind, ist klar. Aber Kirche darf sich nicht in die Hände von Extremisten welcher Couleur auch immer begeben.

 

Diskussionsfaden
8 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
3. Dezember 2017 um 17:57 Uhr

Herzlichen Dank für den interessanten Link, der um ein paar Ecken zu wahrhaft erschreckenden Zusammenhängen führt:

Im Weißen Haus scheint der Einfluss evangelikaler Christen immer stärker zu werden. Inzwischen gibt es dort eine wöchentliche Veranstaltung, in der Vertreter der Regierung, darunter der Vizepräsident Pence und mehrere Minister von Ralph Drollinger – einem evangelikalen Spinner – indoktriniert werden. Drollingers Weltsicht fasst die Zeitung WamS so zusammen:

Drollinger lege die Bibel wörtlich aus, schreibt die WamS. Er glaube daran, dass die Welt in sechs Tagen erschaffen wurde, dass Homosexualität Sünde und die Bibel unfehlbar sei. Von der historisch-kritischen Herangehensweise an die Bibel halte er nichts. Er sei außerdem der Ansicht, dass nur Männer vor anderen Männern predigen dürfen, sagt er der Zeitung. Gleichzeitig kritisiert er, dass viele Politiker wenig von den wirklichen Inhalten der Bibel wüssten. Das liege an der Verkündigung von „Kindergarten-Bibellehrern“: Diese predigten „Zuckerwatte. Süße Belanglosigkeiten, die gut zum liberalen Zeitgeist passen, Selbstbewusstsein, Motivation, Selbstverbesserung, solche Sachen. Oder eben die ‚Kraft des positiven Denkens‘.

Die wichtigste Verantwortung des Staates ist nach Ansicht Drollingers,

einer gefallenen Welt die Moral zurückzubringen, unter Anwendung von Stärke

. Der beste Präsident sei demzufolge derjenige,

der seine Regierung am entschiedensten zum Schiedsrichter über falsche Taten macht

. Grundlage für diese Auffassung ist für den Bibellehrer das 13. Kapitel des Römerbriefes. Er sei früh davon überzeugt gewesen, dass Donald Trump in diesem Sinne der Beste für das Amt sei, sagte Drollinger.
Er erzählt im Interview auch, wie Energieminister Rick Perry über die Bibelstelle zur staatlichen Gewalt denkt und zitiert den früheren Gouverneur von Texas mit diesen Worten:

Ich verstehe das so: Wenn ich als Gouverneur die Todesstrafe vollstrecken lasse, gibt mir die Bibel das Recht dazu. Denn ich spiele die Rolle der Staatsgewalt. Aber neben dieser Rolle habe ich als Mensch die Pflicht, dem Schuldigen, den ich gerade in den Tod geschickt habe, zu vergeben.

https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/weltweit/2017/10/29/der-bibellehrer-im-weissen-haus/

Nimmt man nun noch zur Kenntnis, dass ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung Armageddon (die „Endzeit“-Schlacht aus der Offenbarung ) herbeisehnt und Trump in Erwägung zieht, die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, dann kann einen das kalte Grausen erfassen: es drängt sich nämlich die Frage auf, wie weit wir tatsächlich vom atomaren Holocaust der gesamten Menschheit entfernt sind, wenn solche hirnlosen Spinner wie Drollinger zu politischen Weichenstellern werden?

Hier ist die evangelikale Weltsicht nicht mehr nur lächerlich bis absurd, hier wird sie brandgefährlich!

 

Wolfgang Fenske
3. Dezember 2017 um 19:04 Uhr

Ja, es gibt Auswüchse in der christlichen Gemeinde, die ich äußerst ärgerlich finde, nicht nur in der Vergangenheit – auch in der Gegenwart. Wir hatten das schon einmal in der Diskussion: Aus meiner Perspektive können sich auch Christen gegen Gott sperren, wenn sie anderes wichtiger werden lassen (Nationalismus, Rassismus…) als Gott. Wenn sie das Reziproke (das ich angesprochen habe) nicht mehr wahrnehmen, sondern sich gegen neue Reaktionen Gottes sperren, wenn sie im Glauben auch nicht mehr wachsen wollen, sondern meinen, sie seien im Endstadium des Glaubens angelangt. Man sagt: Man stellt sich über Gottes Wort – statt sich unter Gottes Wort zu stellen. Dieses Problem ist aber schon so alt wie es die Christen sind, wenn wir Mt 7,21ff. lesen. Die Hoffnung: Christen jeglicher Couleur, die es wirklich ernst meinen, stellen sich wieder unter das Wort. Das ist auch alte Tradition: Sich prüfen – stehe ich im Glauben – oder herrsche ich über meinen Glauben. Auch als Christen können wir uns dem lebendigen Wirken Gottes verschließen und somit erstarren – und das hat auch Auswirkungen auf das menschliche Miteinander. Wenn Sie sagen sollten: Hoffen und harren macht manchen zum Narren – dann kann ich mit Paulus (in einem anderen Kontext) sagen: Wir sind dann eben Narren.

 

Holger Gronwaldt
3. Dezember 2017 um 22:16 Uhr

Christen jeglicher Couleur, die es wirklich ernst meinen, stellen sich wieder unter das Wort.

Problem: es gibt überhaupt keine belastbaren Kriterien dafür, welcher Christ denn das Wort „richtig“ auslegt. Das liegt in erster Linie daran, dass überhaupt nicht klar ist, welches Wort aus dem NT authentisch ist und welches nicht. So kann sich eben jeder das aus der Bibel insgesamt herauspicken, was seiner jeweiligen Agenda von Nutzen ist.

Folgende Ansichten kursieren je nach konfessioneller Ausrichtung:

Die meisten Menschen landen in der Hölle:

Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt; und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind ihrer, die ihn finden.

Mt 7,13-14

Nur die, die an Jesus glauben, kommen in den Himmel:

Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

(Jh 3,16)

Ob man in den Himmel kommt, hängt von den guten Werken ab (bereits zitiert)

Ob man in den Himmel kommt, hängt allein von Gottes Gnade ab (bereits zitiert)

usw., usw.

Nicht einmal die Christen sind untereinander einig, wie das (vermeintliche) Leben nach dem Tod organisiert ist. Einigkeit herrscht nur im kleinsten gemeinsamen Nenner: nur ein Christ hat überhaupt die Spur einer Chance auf ein ewiges Leben, ALLE anderen Religionen liegen falsch.

Wäre nur peinlich, wenn ausgerechnet die alten Griechen, die schon eine Hochkultur hatten, als unsere Vorfahren noch auf den Bäumen lebten (Ironie off), mit ihrem Glauben an Zeus recht gehabt hätten. 🙂

Iornie hin, Ironie her, da die Menschheit in ihrer Geschichte bereits mehrere Tausend Götter erfunden hat, wäre es schon ein recht großer Zufall, wenn ausgerechnet die Religion, in die man selbst hineingeboren wurde, die einzig wahre sein sollte.

Übrigens, was unterscheidet den Atheisten vom Nicht-Atheisten?
Nun, der Nicht-Atheist ist in Wirklichkeit ein Polyatheist, denn er glaubt nicht an die Existenz der vielen Tausend erfundenen Götter. Dagegen geht der echte Atheist nur einen Gott weiter.

Wer Götter wie Thor, Zeus, Baal, Krishna, Allah usw. usw. ablehnt, sollte sehr gute Argumente dafür haben, warum man ausgerechnet an seinen Gott glauben sollte.

 

Holger Gronwaldt
3. Dezember 2017 um 22:26 Uhr

Ja, es gibt Auswüchse in der christlichen Gemeinde, die ich äußerst ärgerlich finde, nicht nur in der Vergangenheit – auch in der Gegenwart

Könnte es nicht auch sein, dass es andere Christen mit anderer Meinung als der Ihren gibt, die Ihre „Auswüchse“ ärgerlich finden?

Gibt es irgendwelche objektiven Kriterien, nach denen entschieden werden könnte, wer von zwei antagonistischen christlichen Positionen die „richtige“ vertritt?

 

Wolfgang Fenske
4. Dezember 2017 um 6:16 Uhr

Nicht nur der, der einen Blog schreibt, weiß, dass es Christen gibt, die das, was man schreibt, sehr ärgerlich finden. Aber gerade darum muss man ja miteinander reden. Nicht nur über Politik, sondern auch über die Grundlage seiner Maßstäbe und die Maßstäbe selbst.

 

Holger Gronwaldt
4. Dezember 2017 um 11:12 Uhr

Volle Zustimmung!

Man sollte sich auf jeden Fall zivilisiert mit Gegenmeinungen auseinandersetzen.

Aber was ist denn nun mit den Kriterien, nach denen Christen entscheiden können, welche von zwei oder mehreren gegensätzichen Aussagen die richtige ist?

Was würden Sie z. B. einem Rick Perry antworten, wenn er sagt, dass ihm die Bibel das Recht gibt, Menschen in die Todeszelle zu schicken? Ich schätze Sie jedenfalls so ein, dass Sie kein Befürworter der Todesstrafe sind und dass Sie diese Haltung auch aus der Bibel heraus begründen möchten.

 

Wolfgang Fenske
5. Dezember 2017 um 17:17 Uhr

Das wäre schon interessant, wenn man Mitglied bei amnesty international wäre und für die Todesstrafe eintreten würde. (Obgleich: Gibt es vielleicht auch.) Ich bin nicht für die Todesstrafe. Ich weiß auch nicht, ob man die Todesstrafe mit dem NT her verteidigen könnte. Und damit habe ich schon ein Kriterium genannt. Jesus, seine Biographie, das Thema Vergebung. Feindesliebe wäre hierbei auch interessant – aber das hieße aber, dem Kriminellen freien Lauf zu lassen. Dagegen wendet sich aber der Verstand, den Gott uns gegeben hat. Das Dumme ist nun: An dieser Stelle können auch die Todesstrafe-Verteidiger ansetzen: Der Verstand sagt, dass besonders kriminelle Menschen das Leben verwirkt haben. Ich sehe an dieser Stelle weniger den christlichen Glauben in der Argumentationspflicht als den Verstand. Daneben den Verstand, der auch die Emotion in den Griff kriegen muss. Denn Todesstrafe und Emotion hängen eng zusammen. Unabhängig von den USA denke ich, dass der Verstand gegen Todesstrafe schlechte Karten hat, denn einen Kriminellen umzubringen ist billiger und Menschenrechtsfreundlicher – er muss nicht hinter irgendwelchen Foltermauern dahinvegititeren. Sie sehen: Vom Glauben her habe ich keine Schwierigkeiten, gegen die Todesstrafe anzugehen – aber damit habe ich ihre grundsätzliche Frage in den letzten Posts noch nicht beantortet: Die nach dem einheitlichen Maßstab.

 

Holger Gronwaldt
5. Dezember 2017 um 20:36 Uhr

Der Verstand sagt, dass besonders kriminelle Menschen das Leben verwirkt haben.

Dem kann ich nicht folgen. Das ist mir viel zu schwammig, weil man ungter „besonders kriminell“ alles Mögliche verstehen kann.

Mein Verstand sagt mir, dass Todesstrafe nicht zu rechtfertigen ist, allein aus dem Grund, dass immer wieder Fehlurteile passieren. Es wäre auch schlecht, nur Menschen hinzurichten, die ihr Verbrechen gestehen, weil man dann den Rechtsgrundsatz umdrehen würde, dass ein geständiger Täter milder zu bestrafen ist, als ein leugnender. Kurzum, in einem zivilisierten Land mit rechtsstaatlichem Anspruch kann es keine Todesstrafe geben.

Dass es sie in den USA trotzdem (noch) gibt, ist „Verdienst“ der besonders bibeltreuen Christen und der Bundesstaaten, in denen diese die Mehrheit haben, also besonders im Süden der USA, de so genannten „bible belt“. Dass die Todesstrafe außerdem rassistisch ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass bei gleicher Schwere des Verbrechens (etwa Raubmord), schwarze Angeklagte eher die Todesstrafe erhalten als weiße. Aber auch das lässt sich aus der Bibel erklären, nämlich 1. Mose 9, 20-27. Besonders pikant an der Geschichte ist, dass man laut Bibel wohl nur dann als „rechtschaffen“ gelten kann, wenn man sich von Zeit zu Zeit bis zur Besinnungslosigkeit betrinkt (vgl. auch Lot, der im Suff seine beiden Töchter schwängert: 1. Mose 19, 30-38) und dass selbige Stelle auch als Rechtfertigung für die Sklaverei dienen musste und wohl auch heute den besonders bibeltreuen Amis dazu dient, die Diskriminierung der Schwarzen zu rechtfertigen.

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