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Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 07.12.2017: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/12/07/fuehre-uns-nicht-in-versuchung-hier-irrt-der-papst-bibel-gilt-fuer-alle-zeiten/

Führe uns nicht in Versuchung + Hier irrt der Papst + Bibel gilt für alle Zeiten - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 7. Dezember 2017

Weil uns eine Formulierung nicht passt, können wir doch nicht die Formulierung ändern! Es haben schon eine Menge Menschen darüber nachgedacht, wie man die Bitte im Vaterunser „und führe uns nicht in Versuchung“ verstehen solle. Und nun will der Papst, dass die Formulierung verändert wird? Ich denke, so mächtig ist ein Papst nicht, dass er das Recht hat, in die Überlieferung einzugreifen. Das wäre Amtsanmaßung. http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/papst-kritisiert-deutsche-vaterunser-ubersetzung Stellen wir uns einmal vor,

Jesus sagt den Jüngern:
So sollt ihr beten…
Und dann sagt Petrus seinem Herrn:
Nö, Jesus, das geht nun gar nicht. Das verstehen wir nicht. Das musst du umformulieren. 

Petrus war ja schon immer vorlaut – auch in seinen Irrtümern – und er wurde jedes Mal zurechtgestutzt. Manchmal ganz heftig.

Gegen diese Aussage wandte sich übrigens schon Jakobus (1,13).

Ich denke, man muss einfach gestehen: Zurzeit wissen wir nicht, was diese Bitte meint. Ich selbst finde die Lösung plausibel, die sagt: Christen stehen nie unter der Macht des Bösen, sondern immer unter Gott, auch wenn sie meinen, dass das Böse uns von Gott trennen möchte. Auch nicht das Vertrauen auf einen selbst, mit allem zurechtzukommen, ist die Lösung, sondern diese Bitte, die sich Gott anvertraut.

Manches in der Bibel ist vielleicht nicht für uns allein geschrieben worden – sondern auch für Menschen in anderen Situationen. Ich denke da an die Apokalypse des Johannes: In manchen Zeiten spricht der Apokalyptiker den Menschen aus den Herzen, weil sie in schrecklichen Situationen leben, in einer Zeit, aus der heraus auch er gesprochen hat. In manchen Zeiten, in denen es den Menschen gut geht, sie kaum alltägliche Ängste und Repressionen erdulden müssen, rätselt man an den Schreibtischen und den gut geheizten Stuben nur herum: Was meint er eigentlich?

Die Bibel gilt Menschen – so lange es Menschen geben wird. Und sie verändern ist auf jeden Fall Anmaßung. Das bedeutet nicht, dass man sie nicht in die eigene Zeit übertragen darf. Aber: Nicht den so genannten „Urtext“. Nur die Übersetzungen – es geht um Hermeneutik – aber verfälschen dürfen sie auch nicht.

Die Bibel hat ca. 2000 Jahre Christentum überlebt – und wird es auch weiterhin überleben. Eben: Weil sie nicht unter dem Menschen steht, in der Hand des Menschen, sondern der Mensch steht unter ihr.

(Was intensiv erläutert werden wird, wenn ich mehr Zeit habe.)

 

Diskussionsfaden
3 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
7. Dezember 2017 um 8:53 Uhr

Das wäre Amtsanmaßung.

Ist nicht das ganze Papsttum eine Anmaßung? Stellvertreter Gottes? Wer gibt denen das Recht dazu? Wo doch jeder weiß, wie viele Fehlbesetzungen dieses Amt schon mit sich brachte und dass die Wahl eines Papstes eher ein Politikum ist als alles andere.

Die Bibel hat ca. 2000 Jahre Christentum überlebt – und wird es auch weiterhin überleben.

Sehe ich auch so: die Bibel wird als archaisches Dokument noch existieren, wenn es das Christentum (welches von den 30.000+ Christentümern meinen Sie eigentlich?) schon längst nicht mehr gibt. Die Keilschriften der Sumerer gibt es heute schließlich auch noch.

Eben: Weil sie nicht unter dem Menschen steht, in der Hand des Menschen, sondern der Mensch steht unter ihr.

Das sehe ich nicht so: der aufgeklärte Mensch von heute steht ethisch weit über den archaischen Grausamkeiten, die die Bibel verkündet. 2000 blutige Kirchengeschichte belegen das.

Dass einzelne Menschen, die zufällig auch Christen waren, in der Vergangenheit viel Gutes getan haben, bestreitet niemand, aber genau solche Menschen findet man in allen Kulturen, völlig unabhängig von der jeweiligen Religion. Das ist nämlich unser gemeinsames Erbe, dass Menschen Empathie empfinden und ihr Handeln danach ausrichten können.

Was Sie für die Bibel in Anspruch nehmen, behaupten Anhänger anderer Religionen entsprechend für deren „heilige“ Schriften.

 

Holger Gronwaldt
7. Dezember 2017 um 9:01 Uhr

Wer dich in Versuchung führt, ist Satan“, so der Papst.

Wo lebt dieser Mensch eigentlich? Ist er imer noch im Denken des Mittelalters verfangen?
Aber wahrscheinlich hat er nur Angst, dass ihm seine Schäfchen von der Fahne gehen, wenn die „heilige“ katholische Kirche nicht länger mit Teufel, Fegefeuer und Hölle droht. Aber so ist die Kirche trotzdem dabei, sich selbst zu demontieren, weil immer mehr Menschen erkennen, dass sie dort für dumm verkauft werden.

 

caelo
7. Dezember 2017 um 10:28 Uhr

Ich denke, man muss einfach gestehen: Zurzeit wissen wir nicht, was diese Bitte meint.

Anders als der Papst verlauten lässt, scheint die herkömmliche Übersetzung näher am griechischen Urtext zu sein, als die neue. Das betrifft auch den Kontext. Noch entscheidender ist aber, dass durch die Nivellierung des traditionellen Textes die Gefahr eines simplen Schwarz-Weiß-Denkens besteht, bei dem Gott und das Böse so stark voneinander getrennt sind, dass Gottes Allmacht fragwürdig zu werden droht. Er ist eben auch Herr über das Böse.

Professor (für NT) Thomas Söding schreibt dazu:

Die Jünger sind auf Hilfe angewiesen. Sie haben die Kraft Jesu nicht. Sie werden aber wie er mit Anfeindungen zu kämpfen haben, die ihnen zur Anfechtung werden – mehr von innen als von außen. Sie müssen bitten, dass Gott sie rettet. Deshalb haben alle recht, die sagen, das Vaterunser umschließe die Hoffnung, von Gott „vor“ der Versuchung bewahrt zu werden. Das will die neue französische Version zum Ausdruck bringen. Falsch ist sie nicht – aber eine Übersetzung ist sie auch nicht. Sie verharmlost das Vaterunser. Sie zieht dem Gebet einen Stachel. Sie schafft auch ein neues Problem: Wer ist denn für die Versuchung und das in ihr lauernde Böse verantwortlich, wenn Gott nur vor ihm bewahren soll? Soll es etwa der Teufel sein, der dann eine Art Gegen-Gott wäre – für alles Dunkle verantwortlich, während Gott sich nur um das Licht kümmerte? Oder sollen es die gesellschaftlichen Verhältnisse sein? Muss am Ende gar das sündhafte, heillose, vielleicht krankhafte Ego als Sündenbock herhalten? All diese Vorstellungen laufen auf einen Dualismus hinaus, der eines nicht wahrhaben will: dass Gott, der Erlöser, nicht nur vor der Versuchung bewahrt, sondern auch in ihr zu finden ist. Wäre es anders, könnte er nicht im Zeichen des Kreuzes gefunden werden. Er wäre dann nur ein Schönwettergott.

Mehr dazu hier:
https://www.herder.de/cig/geistesleben/2017/07-12-2017/vaterunser-bitte-vaterunser-und-versuchung/

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