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Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 17.12.2017: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/12/17/evolution-der-religion/

Evolution der Religion - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 17. Dezember 2017

Dass es eine Evolution der Religion gibt, ist nicht neu. Ebenso ist nicht neu, dass die heiligen Schriften ein Tagebuch der Menschheitsgeschichte sind (vor allem auch die der Hindus).

Neu und interessant ist, wie der Beitrag aus GEO (01/2018) die Entwicklung des Gottesbildes darstellt – und das unter Einbezug der Kultivierung des Menschen. Die Intellektuellen Israels haben den Monotheismus gegen den Polytheismus durchgedrückt. Dieser Gott war der Herrscher der Geschichte – er machte was er wollte. Und das zu erkennen war gut, weil dadurch die Vielfalt gebändigt wurde. Dieser Gott war für Gutes und Schlimmes zuständig. Dieser Gott konnte aber die persönlichen kleinen Individual Götter nicht ersetzen, er war zu weit weg. Darum hat man den Gott persönlich nahe kommen lassen (Psalmen). Der nächste Schritt war, dass man erkannte: Man kann diesem Gott begegnen, indem man sich moralisch einwandfrei verhält – dann wird er einem Gutes geben, wenn man sich nicht moralisch gut verhält,  bekommt man Schlechtes. Da es auf der Welt nicht so zuging, also: gute Menschen haben Übles erfahren und üble Menschen Gutes, hat man die Belohnung bzw. Bestrafung ins Jenseits verfrachtet. Dann wurde der Teufel ins Spiel gebracht, der das Schlechte von Gott abzog und es ermöglichte, Gott als den lieben Gott anzusehen. Und dann kam das böse Christentum und hat eine Entwicklung des Gottesbildes keinen Raum mehr gelassen dadurch, dass es die Bibel kanonisierte und festschrieb.

Interessant ist diese Darstellung, weil sie eben Religion und Entwicklung der Menschheit seit ca. 4000 Jahren zusammenführt. Aber die Stringenz funktioniert nicht. Man kann nicht einzelne Punkte aus der Geschichte herauslösen und sie dann fein säuberlich hintereinanderlegen. Was man zum Beispiel in der Evolution des Menschen versuchte und nun auch revidieren muss, das ist auch in solchen kulturellen Fällen zu beachten. Denn die unterschiedlichsten religiösen Aspekte kamen ja nicht allein aus Israel. Man hatte Bekanntschaft mit anderen Religionen gemacht (Ägypten/Babylon…) und das hat man dann gefiltert – aus seiner religiösen Perspektive heraus, also man hat nicht alles übernommen! – und seinem Gottesbild weiterführend angepasst. Es gab Fortschritte, Rückschritte, vieles war gleichzeitig vorhanden. Und das gab es auch nach der Kanonisierung der Bibel. Denn das wird dem Christentum ja immer vorgeworfen dass es nicht mehr biblisch sei, dass es sich so verwässert habe, dass es gar nicht mehr Christentum zu nennen sei. Aber der Kanon ist ein Maßstab geblieben, an dem viele Neuerungen gemessen wurden und auch werden. Zudem: der Hinduismus zeigt ganz andere Aspekte auf, trotz ähnlicher sozialer Entwicklung. Trotz dieser und anderer anzubringender Kritik, ist das ein lesenswerter Beitrag.

Das ist diese Perspektive. Und was sagen Christen dazu? Gott hat sich dem Menschen immer nur soweit zu erkennen geben können, wie der Mensch in der Lage war, ihn zu verstehen. Wenn man einem Säugling mit hoher Mathematik kommt, dann ist er überfordert (ich bin es heute noch). Wenn Gott sich dem Menschen vor 4000 Jahren so offenbart hätte wie man ihn heute erkennen kann, hätte der Mensch nichts kapiert. Vielleicht hat Gott es ja auch gemacht – aber eben: Der Mensch ist nicht soweit gewesen. Und so offenbart sich Gott auch weiterhin, der Maßstab ist für Christen nicht die Bibel als Bibel, der Maßstab ist Jesus Christus, der durch seinen Geist wirkt – und aus diesem Geist heraus auch die Bibel (aus begrenzter menschlicher Perspektive) neu verstehen lässt.

 

Diskussionsfaden
3 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
17. Dezember 2017 um 10:43 Uhr

der Maßstab ist für Christen nicht die Bibel als Bibel, der Maßstab ist Jesus Christus, der durch seinen Geist wirkt – und aus diesem Geist heraus auch die Bibel (aus begrenzter menschlicher Perspektive) neu verstehen lässt

Wieder so eine Leerformel, die ungeheuer tiefsinnig klingt, aber in Wirklichkeit nichts aussagt.

Das Grundproblem bleibt: da über Jesus kaum etwas Konkretes bekannt ist, kann kein Mensch auch nur in groben Zügen angeben, was für einen „Maßstab“ er denn gesetzt haben soll. Zu fast jedem behaupteten Jesuswort an einer Stelle des NT gibt es nmindestens ein anderes behauptetes Jesuswort, das es teilweise oder ganz wieder aufhebt (vgl. z. B. Mt 5, 16 und Mt 6, 1-4). Was man davon zu seinem „Maßstab“ erheben will, ist eine Sache des persönlichen Geschmacks und das erklärt auch, warum sich das Christentum in so viele Sekten aufgespalten hat, die der jeweils anderen Sekte absprechen, das „wahre“ Christentum zu repräsentieren.

Wenn Gott sich dem Menschen vor 4000 Jahren so offenbart hätte wie man ihn heute erkennen kann, hätte der Mensch nichts kapiert.

Auch eine problematische Aussage, denn auch vor 4000 Jahren hätte ein sich offenbarender Gott den damaligen Menschen ein paar nützliche Tipps, z. B. hinsichtlich Hygiene und übertragbaren Krankheiten geben können. Und „erkennen“ kann man einen Gott heute weniger denn je, weil damals Götter für fast alles herhalten mussten, was sich die Menschen nicht erklären konnten, wo aber die Wissenschaften heute plausible und vor allem brauchbare Antworten liefern. Unsere Welt ist nicht nur ohne die Zuhilfenahme einer Gottesvorstellung erklärbar, praktisch jede konkrete Gottesvorstellung kann zudem durch die Realitäten dieser Welt widerlegt werden.

Bibel (aus begrenzter menschlicher Perspektive) neu verstehen lässt.

Die Bibel kann man gar nicht „verstehen“, da sie in sich so widersprüchlich ist, dass das „Verständnis“ des einen vom „Verständnis“ eines anderen konterkariert wird. Auch das äußert sich in den verschiedenen Ausdeutungen von Teilen der Bibel durch die unterscheidlichen Sekten.

 

Wolfgang Fenske
19. Dezember 2017 um 6:54 Uhr

[der Maßstab ist für Christen nicht die Bibel als Bibel, der Maßstab ist Jesus Christus, der durch seinen Geist wirkt – und aus diesem Geist heraus auch die Bibel (aus begrenzter menschlicher Perspektive) neu verstehen lässt.]
Wieder so eine Leerformel, die ungeheuer tiefsinnig klingt, aber in Wirklichkeit nichts aussagt.

Wie schon häufig angemerkt: Immer dann, wenn religiöse Sprache verwendet wird, sprechen Sie von Leerformel. Für Sie mag es eine sein – wie ja auch Gott selbst eine Leerformel ist – aber für Glaubende ist das keine Leerformel, sondern gefüllt mit wirkmächtiger Realität. Was gibt es aus christlicher Sicht wirkmächtiger als den Heiligen Geist?

Das Grundproblem bleibt: da über Jesus kaum etwas Konkretes bekannt ist, kann kein Mensch auch nur in groben Zügen angeben, was für einen „Maßstab“ er denn gesetzt haben soll. Zu fast jedem behaupteten Jesuswort an einer Stelle des NT gibt es nmindestens ein anderes behauptetes Jesuswort, das es teilweise oder ganz wieder aufhebt (vgl. z. B. Mt 5, 16 und Mt 6, 1-4). Was man davon zu seinem „Maßstab“ erheben will, ist eine Sache des persönlichen Geschmacks und das erklärt auch, warum sich das Christentum in so viele Sekten aufgespalten hat, die der jeweils anderen Sekte absprechen, das „wahre“ Christentum zu repräsentieren.

Matthäus 5,16 und Mt 6,1-4 widersprechen sich nicht. In Mt 5,16 geht es darum, Gutes zu tun, damit die Menschen Gott loben. In Mt 6,1-4 geht es darum, dass man was Gutes tut – aber nur, um sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn natürlich in Mt 5,16 Gott loben eine Leerformel ist, weil es Gott nicht gibt, dann ist das Gute, das man tut, für sich selbst getan. Wenn man sich auf die Evangelien einlässt, dann muss man sich auf ihr Weltbild und ihre Sprache einlassen und nicht seine eigene hineinlesen. Das mit den unterschiedlichen Konfessionen oder Sekten/Sondergruppen – das ist ein eigenes Thema. Wir haben Gemeinsamkeiten mit vielen – aber dann eben auch Unterschiede. Die Gemeinsamkeiten einen – die Unterschiede trennen. Und die Frage ist, woran entzünden sich die Unterschiede, wie wichtig nehmen manche im Grunde nicht wichtige Aussagen. So haben wir als Protestanten alles Wesentliche mit den Katholiken gemeinsam – und auf dieser Ebene verstehen wir uns ja auch hervorragend. Die Unterschiede sind für die Katholiken gravierender als für die Protestanten – aber die meisten Gruppen haben inzwischen eingesehen, dass man nicht das Trennende betonen darf, sondern das Gemeinsame. Und wie sehr die jeweilige Politik mit hineinspielt, kann man ja auch heutzutage an der Kirche sehen. Trennend ist nicht der Glaube an Jesus Christus. Heute ist trennend: Welche Konsequenzen hat das für die Ethik. Und die Frage ist nicht, sind Auseinandersetzungen schädlich? Nein, sie sind gut. Die Frage ist: Wie gehen wir miteinander trotz des Trennenden um.
Zu Jesus wird noch etwas Eigenes kommen. Ich hatte schon auf das Thema Biographie reagiert – die Lehre folgt noch.

[Wenn Gott sich dem Menschen vor 4000 Jahren so offenbart hätte wie man ihn heute erkennen kann, hätte der Mensch nichts kapiert.]
Auch eine problematische Aussage, denn auch vor 4000 Jahren hätte ein sich offenbarender Gott den damaligen Menschen ein paar nützliche Tipps, z. B. hinsichtlich Hygiene und übertragbaren Krankheiten geben können. Und „erkennen“ kann man einen Gott heute weniger denn je, weil damals Götter für fast alles herhalten mussten, was sich die Menschen nicht erklären konnten, wo aber die Wissenschaften heute plausible und vor allem brauchbare Antworten liefern. Unsere Welt ist nicht nur ohne die Zuhilfenahme einer Gottesvorstellung erklärbar, praktisch jede konkrete Gottesvorstellung kann zudem durch die Realitäten dieser Welt widerlegt werden.

Und was sind alttestamentliche Gesetze zum Teil anderes als nützliche Tipps zur Hygiene? Genannt wird in diesem Zusammenhang das Schweinefleisch essen, die Reinigungsriten, Religion und Alltagsbewältigung hängen eng zusammen: Wie gehen wir miteinander um, wie gehen wir mit Menschen um, die die Gemeinschaft zerstören… Religion ist vom Leben der Menschen nicht zu trennen. Oder auch die Treffen am Tempel bzw. den Tempeln: Austausch findet dort statt, es werden Geschäfte geschlossen, Heiraten werden angebahnt… Das Problem heute ist, dass die Religion nicht mehr so gut in den Alltag zu integrieren ist, weil das, was die Religion geboten hat, ausgelagert wurde. Vieles, was die Religion bot an sozialem Miteinander, wird nun ohne die Religion geregelt.
Vielleicht ist das heute auch eine großartige neue Chance: Menschen wenden sich nicht mehr der Religion zu, weil sie einen Nutzen davon haben, sondern weil sie Gott selbst in den Mittelpunkt stellen. Ich denke, dass das auch von der Reformation angebahnt wurde. Über Gottesvorstellungen sind wir ja schon intensiv am Diskutieren. Ich muss mal schauen, was wir da schon angesprochen haben, um hier gezielt reagieren zu können.

[Bibel (aus begrenzter menschlicher Perspektive) neu verstehen lässt.]
Die Bibel kann man gar nicht „verstehen“, da sie in sich so widersprüchlich ist, dass das „Verständnis“ des einen vom „Verständnis“ eines anderen konterkariert wird. Auch das äußert sich in den verschiedenen Ausdeutungen von Teilen der Bibel durch die unterscheidlichen Sekten.

Dazu siehe oben.

 

Holger Gronwaldt
19. Dezember 2017 um 18:37 Uhr

Wie schon häufig angemerkt: Immer dann, wenn religiöse Sprache verwendet wird, sprechen Sie von Leerformel.

Das ergibt isch zwangsläufig, da religiöse Sprache in der Regel Leerformeln verwendet, die dann vom Gläuigen je nach Sekte mit beliebigen Inhalten gefüllt werden.

aber für Glaubende ist das keine Leerformel, sondern gefüllt mit wirkmächtiger Realität. Was gibt es aus christlicher Sicht wirkmächtiger als den Heiligen Geist?

Q.E.D. Genau das meine ich: „wirkmächtige Realität? wirkmächtiger Heiliger Geist?“ Was soll man sich denn darunter vorstellen?

Das mit den unterschiedlichen Konfessionen oder Sekten/Sondergruppen – das ist ein eigenes Thema. Wir haben Gemeinsamkeiten mit vielen – aber dann eben auch Unterschiede. Die Gemeinsamkeiten einen – die Unterschiede trennen. Und die Frage ist, woran entzünden sich die Unterschiede, wie wichtig nehmen manche im Grunde nicht wichtige Aussagen.

Wobei eben das Problem ist, dass es keine Kriterien dafür gibt, wie man wichtig und nicht wichtig identifiziert. Was für den einen Gläubigen überhaupt nicht wichtig ist, ist für den anderen unverzichtbarer Kern seiner Glaubens-„Wahheit“.

haben wir als Protestanten alles Wesentliche mit den Katholiken gemeinsam – und auf dieser Ebene verstehen wir uns ja auch hervorragend.

Ist denn für Protestanten auch der Marienkult, das Heiligengedöns und der Glaube an den Satan wesentlich? Ich hoffe doch sehr, dass nicht!

Und was sind alttestamentliche Gesetze zum Teil anderes als nützliche Tipps zur Hygiene? Genannt wird in diesem Zusammenhang das Schweinefleisch essen

Wobei nichts davon über das instinktive „Wissen“, das auch schon ein Wolfsrudel besitzt hinausgeht. Einen Hinweis auf krank machende Keime und wie man ihre Verbreitung einschränkt hätte Ihr Gott doch liefern können und damit Millionen von Menschenleben retten können. Er hat sie ja noch Ihrer Vorstellung auch geschaffen. Oder wollte Ihr „lieber“ Gott, dass Millionen Menschen hilflost dahinsiechen? Es wäre für Tausende von Juden auch lebensrettend gewesen, wenn die Menschen des Mittelalters gewusst hätten, dass Bakterien und nicht die Juden für Epidemien verantwortlich waren.

Menschen wenden sich nicht mehr der Religion zu, weil sie einen Nutzen davon haben, sondern weil sie Gott selbst in den Mittelpunkt stellen.

Was dann allzu oft auf todbringenden Fundamentalismus hinausläuft. Denn wenn man das eigene Gottesbild nicht mehr hinterfragt, weil es den Lebensmittelpunkt darstellt, ist radikalen Positionen Tor und Tür geöffnet: „(Mein) Gott will es“ war und ist eine der gefährlichsten Leerformeln der Menschheit.

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