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Atheismus und Christentum

Ausgangstext 28.12.2017 -Text 1/10-: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/12/28/bergpredigt-1/

Bergpredigt 1 - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 28. Dezember 2017

Die Bergpredigt ist ein ganz besonderer Text im Matthäusevangelium – die Kapitel 5-7 – und sie wurde durch die Jahrhunderte hindurch auch als ein solcher empfunden. Nichtsdestotrotz ist sie schwer verdaulich – wahrscheinlich wird sie auch darum als besonderer Text empfunden – sie ist ein Text, nicht von dieser Welt. Widerspenstig…

Um sie verstehen zu können, muss man erst einmal die Grundlage der Lehre Jesu beachten. Jesus geht davon aus, dass Gott seine Herrschaft errichten wird. Und diese Herrschaft wird eine gute sein. Es wird kein Leiden mehr geben, keine Krankheiten, keine Sorgen. Im Gegenteil, es herrscht der Schalom: Glück, Frieden, Wohlergehen, Freiheit, Gerechtigkeit, Gemeinschaft… Diese Herrschaft Gottes wird in der Zukunft kommen – das erwartet er mit seinem Volk. Er hat jedoch zwei neue Ansätze: Das, was wir von der Herrschaft Gottes erwarten, sollen wir schon jetzt umsetzen und: Diese Gottesherrschaft ist mit seiner Lehre und seinem Handeln schon im Anbruch. Es geht also nicht darum, zu warten – es geht darum: Handelt!

Die Bergpredigt gibt keine Rede Jesu wieder. Wenn wir das Lukasevangelium ansehen, finden wir die Feldrede (6,20ff). Feldrede wie Bergpredigt basieren auf einer Zusammenstellung von Worten Jesu. Wir finden sie in der so genannten Logienquelle – das heißt, es gab vor den Evangelien Sammlung(en) von Worten Jesu.

Diese Vorevangelien-Sammlung haben Matthäus und Lukas aufgenommen. In einem Vergleich beider kann man schön erkennen, wie Matthäus als Redaktor diese Sammlung ergänzt, gekürzt – kurz: bearbeitet hat. Um die Form, die Matthäus bietet – also die Bergpredigt – wird es jetzt gehen.

Matthäus hat sie sehr sorgfältig aufgebaut. Sie wird eingeleitet mit Seligpreisungen und anderen Texten – sie geht über in die Antithesen – dann werden religiöse Verhaltensweisen angesprochen – mit dem Zentrum der Bergpredigt: das Vater Unser – und es folgen weitere Texte zu unterschiedlichen Themen, dann wird der Schluss vorbereitet und mit einem Bildwort abgeschlossen. Ich sehe die Bergpredigt als eine Art Kommentar zum Vater Unser an. Was ich an dieser Stelle jetzt nicht vertiefen möchte, denn es geht um Themen, die als anstößig empfunden werden bzw. es geht um die Frage: Was stammt von Jesus und was nicht. Wobei ich vorweg schicken möchte, dass ich hier nicht einen umfangreichen Kommentar abliefern kann und möchte, sondern nur ein paar Aspekte anreißen kann. Es gibt Kommentare – wer mag, kann sich einen bestellen und alles intensiv durcharbeiten. (https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelium_nach_Matth%C3%A4us#Kommentare )

Die Bergpredigt beginnt mit den Seligpreisungen. Wenn wir sie mit denen des Lukasevangeliums vergleichen, erkennen wir, dass sie spiritualisiert sind. Es geht nicht um die Armen – als Arme, sondern Matthäus sieht Arme weiter gefasst: Es geht um die geistlich arm sind. Viel interpretiert – aber ich sehe das so: Es sind Menschen, die sich vor Gott als arm ansehen. Es werden die Menschen selig gepriesen, die traurig sind, die auf Gewalt verzichten, die sich nach Gerechtigkeit sehnen, die barmherzig sind, die ein reines Herz haben, die Frieden stiften, die verfolgt werden. Und diesen Menschen wird jeweils eine Verheißung mitgegeben: sie werden getröstet werden, ihnen wird die Erde übergeben – das möge jeweils selbst gelesen werden. Das heißt: Diejenigen, die in der Welt der Macht und Politik nichts zählen, auf die herumgetrampelt wird – die rücken die Seligpreisungen in den Fokus. Es wird nicht der Caesar selig gepriesen, nicht die Herrscher in Jerusalem und Rom und sonstwo, nicht die Tempeloberhäupter, auch nicht die Widerstandskämpfer. Uns mag das alles schon normal vorkommen – aber das ist ein Paukenschlag. Nietzsche hat das gespürt.

Und dieser Paukenschlag geht weiter: Nicht die Herrscher, die Eliten, die Priester sind Salz der Erde und Licht der Welt. Es sind diejenigen, die um Jesus herum sind. Kurz gesagt: die Armseligen. Und hier wird den Armseligen deutlich gemacht: Ihr seid das Salz der Erde, das Licht der Welt! Lasst es euch nicht ausreden, verhaltet euch als solche, damit die Menschen Gott loben. Nun kann man kritisieren, dass Jesus das Salzwort mit einer Drohung begleitet: Wenn Salz salzlos geworden ist – wird man es zertreten – also: Wenn ihr euch nicht als Salz anseht, als wichtig, wird man auf euch herumtreten, wie man es jetzt tut. Man hat überlegt: Wie kann Salz salzlos werden, das geht doch gar nicht – war Jesus so dumm, es nicht gewusst zu haben? Hat man es damals, weil es so wertvoll war, gestreckt, sodass es verdorben ist? Ich sehe das so: Wie man kein Licht anzündet, um es zu verbergen, so ist man auch nicht Salz, um salzlos zu werden. Es ist unmöglich. Licht, das verborgen wird, ist kein Licht. Salz, das vergehen kann, ist kein Salz. Ihr aber seid Licht und Salz – und Gott wird durch euer Verhalten geehrt. Und eben: Wenn man sich dessen nicht bewusst ist und nicht entsprechend lebt, dann wird man wieder einer, auf dem die anderen herumtrampeln, einen zertreten.

Dann kommt ein weiterer Eingangstext, der soll darlegen, dass Jesus nicht, wie man ihm vorgeworfen hat, gesetzlos ist, das alttestamentliche Gesetz aufhebt. Im Gegenteil: Er bringt es zur Erfüllung.

Danach beginnen die Antithesen, die morgen vertieft werden.

Welche dieser Worte sind direkt auf Jesus von Nazareth zurückzuführen? Es geht um den irdischen Jesus. Die Trennung sei noch kurz erklärt: In der frühen Gemeinde gab es auch Propheten, die im Namen des auferstandenen Jesus Christus gesprochen haben. Und so können auch Worte eben solche prophetischen Worte sein. Und die Frage stellt sich dann: Welche entsprechen der Botschaft Jesu, welche tun es nicht?

Wenn in der Feldrede des Lukas Menschen glücklich gepriesen werden, die kein Geld haben – also finanziell Arme -, oder Menschen, die wirklich hungern, die weinen – und Matthäus manches spirituell erweitert, hat er es im Sinne Jesu erweitert? Oder eine andere Frage: Ist es möglich, dass Jesus häufiger Menschen selig gepriesen hat – und Matthäus eben von anderen Seligpreisungen wusste und sie aufgegriffen und erweitert hat? Warum haben sich solche wunderbaren Texte gerade an den Jesus von Nazareth angerankt? Weil er selbst solche formuliert hat – andere angeregt hat, entsprechende zu formulieren? Weil er erniedrigte Menschen verändert hat – und sie ihre Veränderung ins Gute – als Salz und Licht – selbst kundtun?

Darüber kann man viel nachdenken. Nachdenken kann man auch darüber: Was haben alle Texte gemeinsam? Und was ist auf Jesus zurückzuführen? Jesus erhebt die Menschen aus dem Staub, auf denen andere herumtrampeln. Warum? Um den Eingangsteil aufzugreifen: Um das Reich Gottes schon anbrechen zu lassen, das, was man in der Zukunft erwartet, das soll der Mensch schon jetzt mutig leben.

Da ich erst am Beginn der Darlegung der Bergpredigt bin, mag das für heute genügen.

 

Diskussionsfaden
2 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
28. Dezember 2017 um 10:09 Uhr

Diese Herrschaft Gottes wird in der Zukunft kommen – das erwartet er mit seinem Volk.

Und genau da liegt das Problem: Jesus hatte diese Erwartung für die unmittelbare Zukunft („Wahrlich ich sage euch: Es stehen etliche hier, die nicht schmecken werden den Tod, bis daß sie des Menschen Sohn kommen sehen in seinem Reich“) und hat sich damit fundamental getäuscht. Neben seinem Irrglauben an Adam und Eva, an die Sintflut offenbart damit der „Sohn Gottes“ seine Unkenntnis über den Lauf der Welt.

Das relativiert natürlich seine gesamte Botschaft – sofern diese überhaupt rekonstruierbar ist – denn sie ist nun nicht mehr eine Botschaft aus dem „Himmel“, sondern nur noch das gedankliche Konstrukt eines – zugegeben charismatischen – Wanderpredigers, eine Philosophie mit Haken und Ösen.

Damit aber werden auch die Seligpreisungen, die sich ja mehrfach auf das jenseitige „Himmelreich“ beziehen, fragwürdig, denn auch hier besteht nicht nur die Möglichkeit, sondern angesichts unseres heutigen Wissens die allerhöchste Wahrscheilichkeit, dass sich Jesus auch in diesem Punkt geirrt hat.

Ist es nicht ein wenig absurd anzunehmen, dass er so einfache Dinge wie die Nichtexistenz von Adam und Eva nicht wusste, aber über so komplexe Dinge wie ein Leben im Jenseits bestens informiert gewesen sein soll?

 

Wolfgang Fenske
29. Dezember 2017 um 13:39 Uhr

Was für uns heute interessant ist, muss für die Menschen damals nicht interessant gewesen sein. So ist für uns heute eher interessant: Warum haben die Evangelisten das veröffentlicht, auch wenn sie wussten: Irgendwie stimmt das nicht mit unseren Beobachtungen überein? Das Thema Naherwartung ist in der Forschung schon einige Jahrzehnte ein diskutiertes Thema. Auf diese und andere Fragen werde ich später eingehen, wenn ich daran denke.

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