Blog-Diskussionen

Atheismus und Christentum

Ausgangstext 23.03.2018: http://blog.wolfgangfenske.de/2018/03/23/evangelikaler-fundamentalismus/

Evangelikaler Fundamentalismus - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 23. März 2018

Wie wenig Ahnung manche von unserer Vergangenheit in Deutschland haben, zeigt dieser Fall: http://www.ead.de/nachrichten/nachrichten/einzelansicht/article/deutschland-debatte-um-den-islam.html

Meine Frage ist allerdings: Wen muss man für diese Ahnungslosigkeit verantwortlich machen?

Der Pietismus war einer der treibenden Kräfte des sozialen Aufbruchs in unserem Land, das Bewusstsein, allein Gott zu gehorchen – und nicht den ideologischen Herrschern der jeweiligen Zeit, hängt stark mit dem evangelikalen Fundamenten zusammen.

Natürlich mussten und müssen Auswüchse kritisiert werden. Aber muss man mit der Kritik gleichsam übertreiben? Auswüchse müssen hier genauso kritisiert werden wie die Auswüchse sogenannter liberaler Theologie. Aber das sollte mit Wissen geschehen – sonst ist es als Rufmord einzuordnen:  man macht andere nieder, weil man gehört hat, dass…

Die größten Kritiker der Christen dürften aber diejenigen sein, die das christliche Weltbild in Frage stellen, weil sie ihr eigenes Weltbild durch die Christen infrage gestellt sehen. Wenn Christen an Gott festhalten, an Jesus Christus – dann wird das als Kampfansage an die eigene Wertordnung interpretiert. Von daher kann man sicher so manche aggressive Haltung gegen Christen verstehen. Wohl auch darum, weil zu erwarten ist, dass das christliche Weltbild diese jeweils modernen Weltbilder überstehen wird. Das ist das Fiese am christlichen Glauben: Er hat einen längeren Atem als die jeweiligen Individuen, die sich kurzen Zeitströmungen anpassen. (Einen längeren Atem auch deshalb, weil er sich anpassen kann – so lange das Fundament bleibt 😉  )

Nicht von ungefähr wechselte ich von „evangelikal“ zu „christlich“. Denn die Kritik betrifft nicht nur Evangelikale, sondern auch andere Christen wie zum Beispiel fromme Protestanten (die sich nicht als evangelikal einschätzen) und Katholiken. Aber evangelikal und Katholik wird lieber als Feindbild benutzt – lässt sich begrifflich leichter als Feindbild verwenden.

 

Diskussionsfaden
5 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
23. März 2018 um 11:34 Uhr

Es ergibt sich die Frage, inwieweit man bei einem Twitter-Beitrag jedes Wort auf die Goldwaage legen sollte?

Der Hinweis auf den evangelikalen Fundamentalismus hat schon seine Berechtigung, zumal dieser in den USA eine akute Gefahr für den Weltfrieden darstellt, denn der jetzige Vizepräsident gehört dieser Gruppierung an und man kann ohne Übertreibung sagen, dass ihm sein Glaube den Blick auf die Realität verstellt (vorausgesetzt, er meint das, was er sagt, wirklich). Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem ist nur ein Beispiel, das allerdings extrem viel Zündstoff in sich birgt: Es ist mit weiteren Toten zu rechnen, sobald es zur Umsetzung kommt.

Ich habe in unserem Land auch schon meine Erfahrungen mit Evangelikalen gemacht, z. B. mit W. Gitt, der zahlreiche Vorträge hält (auch auf YouTube verfügbar), in denen er einen unglaublichen Unsinn über Astrophysik, Biologie uns andere Themen auch und gerade vor jungen Zuhörern verbreitet.

Er hat übrigens auch eine „Lösung“ für das Theodizee-Problem gefunden: „Gott kann das Übel verhindern und er will es NICHT.“
Wobei sein „Argument“ dahin geht, dass zur Beseitigung des Übels auch die gesamte Menschheit von der Erde beseitigt werden müsste, wörtlich sagt er:
„Gott kann die Übel beseitigen aber er will es nicht! Wenn er sie beseitigen würde, müsste er uns aus dieser Welt entfernen. Und das will er nicht, darum lässt er diese Welt so wie sie ist im Leid in dieser verfahrenen Situation wo wir uns durch die Sünde hineinmanövriert haben und er gibt uns die Chance, dass wir jetzt erlösbar sind, dass wir aus so einer verlorene Welt herausgenommen werden können indem wir uns Christus zu wenden und in ihm ewiges Leben haben. “
ftp://bitimage.dyndns.org/german/WernerGitt/Warum_Gibt_Es_Leiden_Und_Tod_In_Dieser_Welt.pdf

Das lässt natürlich jede Logik vermissen – ein klassisches non sequitur – aber das scheint Herrn Gitt völlig egal zu sein, Hauptsache er kann seine Message anbringen.
Bliebe noch zu fragen, wie hoch die Selbstmordrate unter jungen Evangelikalen ist, die im Widerstreit zwischen antikem Weltbild und der Moderne durch Druck ihren „Brüder und Schwestern“ zerbrechen ?

Wohl auch darum, weil zu erwarten ist, dass das christliche Weltbild diese jeweils modernen Weltbilder überstehen wird.

Wäre interessant zu erfahren, wie denn ein „christliches Weltbild“ überhaupt aussehen kann? Wird Evolution als Tatsache akzeptiert oder verläuft alles eher nach einem „Plan Gottes“?
Ist man in der Lage, historische Ereignisse wie den Holokaust, 9/11, Schulmassaker u. a. oder Naturkatastrophen wie den Tsunami von 2004 widerspruchsfrei in das eigene Weltbild zu integrieren oder greift man wider zu so dummen Sprüchen wie „Gottes Wege sind geheimnisvoll und unergründlich“?
Tatsache ist doch, dass praktisch jede christliche Strömung ihr eigenes „Weltbild“ besitzt, das jeweils mit den „Weltbildern“ der anderen christlichen Strämungen inkompatibel ist.

Das ist das Fiese am christlichen Glauben: Er hat einen längeren Atem als die jeweiligen Individuen, die sich kurzen Zeitströmungen anpassen.

Kurze Zeitströmungen sind wie der Begriff schon definiert, zeitlich kurz. Dem gegenüber gibt es aber ein ntw. Weltbild, das auf solider Forschung und Welterkenntnis aufbaut und keinem plötzlichen Wandel mehr unterworfen sein dürfte: auch in Zukunft wird man den Verlauf der Evolution erforschen und noch mehr über den Aufbau des Universums herausfinden und dafür im Gegenzug mehr und mehr von den unhaltbaren Positionen der Religionen in die Tonne treten, so wie das in den letzten Jahrhunderten auch schon geschehen ist.

Wenn etwas im Wandel begriffen ist, sind es die Weltbilder der Religionen, in denen immer weniger Platz für einen Gott/Götter bleibt, der/die einen Anteil am Weltgeschehen haben. Mit fast jeder neuen Erkenntnis der Naturwissenschaften gewinnt die Kurzatmigkeit religiösen Weltbilder an Fahrt. 🙂

 

Wolfgang Fenske
24. März 2018 um 8:19 Uhr

Da ich nicht Herr Gitt bin, kann ich dazu nichts sagen. Die Theodizee-Frage wurde wiederholt angesprochen (Suchfeld Theodizee). Was evangelikalen Fundamentalismus betrifft: Mir ist nicht bekannt, dass Herr Pence Kriegstreiber ist. Unterstellung? Vielleicht begründen? Ebenso: Zum Thema Suizid-rate unter jungen Evangelikalen? Einfach so eine Behauptung einstreuen?

*

Mit fast jeder neuen Erkenntnis der Naturwissenschaften gewinnt die Kurzatmigkeit religiösen Weltbilder an Fahrt.

Echt? Ist mir nicht bekannt.

 

Holger Gronwaldt
24. März 2018 um 18:10 Uhr

[Mit fast jeder neuen Erkenntnis der Naturwissenschaften gewinnt die Kurzatmigkeit religiösen Weltbilder an Fahrt.]
Echt? Ist mir nicht bekannt.

Was mich nicht weiter verwundert, da Sie in dieser Hinsicht so manche Wissenslücke haben.
Nehmen wir die Evolution. Die christliche Religion hat sehr lange gebraucht, bis Teile von ihr die Evolution als Tatsache anerkannt haben, evangelikale Christen lehnen sie immer noch ab und vertreten demgegenüber die abstrusesten Behauptungen.
Aber selbst Christen, die sich damit abgefunden haben, faseln häufig etwas von einer „theistischen“ Evolution, indem sie behaupten – natürlich auch wieder ohne den geringsten Beleg – dass ihr Gott, wenn er schon nicht direkt geschaffen habe, dann eben durch die Evolution wirke.
Dieses Eingeständnis ist aber ein Akt der Verzweiflung, denn damit zerstören sie das Bild vom allgütigen Gott ein für allemal. Ein Gott, der durch Evolution wirkt, wäre nämlich ebenfalss wie der Gott des AT ein grausames Monster, das die „Schöpfung“ so eingerichtet hätte, dass er sich am täglichen, milliardenfachen Leiden seiner Kreaturen ergötzen könnte.

Da ich nicht Herr Gitt bin, kann ich dazu nichts sagen.

Das sollten Sie aber können, denn schließlich ist Gitt Ihr Glaubensbruder, außerdem sind seine Schriften und Vorträge leicht zugänglich und viele seiner Pamphlete sind nur wenige Seiten lagn. Verteidigen Sie also den Unsinn, den er ständig von sich gibt oder sind Sie anderer Meinung und geben dann zu, dass „das Wort Gottes“ so missverständlich formuliert ist, dass jeder Idiot oder Betrüger seinen Honig daraus saugen kann?

Mir ist nicht bekannt, dass Herr Pence Kriegstreiber ist. Unterstellung? Vielleicht begründen?

Die Begründung steht zwar oben und ich habe sie vor Kurzem schon mal gebracht, aber für die Schwerfälligen im Denken gerne noch einmal:
Als bibelgläubiger Evangelikaler sehnt auch Pence die „Wiederkehr“ von Jesus herbei. Nach gängiger Lesart kann die aber erst eintreten, wenn der Tempel in Jeursalem ein weiteres Mal zerstört wird. Da dieser Tempel aber zurzeit nicht existiert, müsste er vorher erst einmal errichtet werden, was bedeutet, dass die auf dem Tempelberg stehende Al-Aqsa-Moschee zuvor platt gemacht werden müsste. Was wiederum zur Voraussetzung hätte, dass der Staat Israel volle Verfügungsgewalt über Jerusalem hätte. Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem ist ein Schritt auf diesem Wege und dieser Schritt wird von Pence vehement unterstützt.
Können Sie sich ausmalen, was passieren würde, wenn Juden sich an der Al-Aqsa-Moschee vergreifen? Das könnte ohne weiteres der Beginn des 3. Weltkrieges werden und das absurde ist, dass Millionen von US-Amerikanern den Beginn dieses Krieges bejubeln würden, weil sie glauben, dass er das erste Vorzeichen für die „Wiederkehr“ von Jesus wäre.
Das klingt für uninformierte Ohren alles ziemlich verrückt, aber wer sich ein bisschen auf evangelikalen Websites informiert, wird all das, was ich gesagt habe, wiederfinden.
Das heißt im Klartext: JEDER Evangelikale, der über politischen Einfluss verfügt, ist ein potentieller Kriegstreiber, der aufgrund seiner alttestamentarisch durchseuchten Ideologie wenig Hemmungen hätte, Andersgläubige und auch Andersdenkende als vermeintlichen Willen seines Gottes umzubringen, zumal, wenn dies in der „Endschlacht“ geschehen würde, die in der Offenbarung des Johannes ja so drastisch geschildert wird. Und da auch die Offenbarung „Gottes irrtumsloses Wort“ ist, darf ein Evangelikale natürlich nicht an deren Wahrheitsgehalt zweifeln.

Ebenso: Zum Thema Suizid-rate unter jungen Evangelikalen? Einfach so eine Behauptung einstreuen?

Wieder so ein „netter“ Versuch, mir etwas zu unterstellen, was ich nicht gesagt habe. Ich hatte lediglich nach der Selbstmordrate unter jungen Evangelikalen gefragt, wo doch die Erwartung sein müsst, dass diese aufgrund der Glaubensvorgaben erheblich geringer sein müsste, als im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung. Was aber nachweislich nicht der Fall ist, wie sogar die Website Christianity Today einräumt:

As the suicide of Rick Warren’s son Matthew brings renewed attention to mental health, depression, and suicide, we see that his case is not uncommon. Every 15 minutes, someone in the United States takes his or her own life. That’s 35,000 suicides every year in this country—and likely more, since many suicides are disguised as accidents. Sadly, suicide occurs among Christians at essentially the same rate as non-Christians.

http://www.christianitytoday.com/ct/2013/april-web-only/when-suicide-strikes-in-body-of-christ.html

Einfach so eine Behauptung einstreuen?

Was bei Ihnen zum täglichen Broterwerb gehört, wie ich mehrfach gezeigt habe, habe ich nicht nötig. Ich orientiere mich einfach an den Fakten. Da Sie keine haben, müssen Sie wohl oder übel zu anderen Methoden greifen. 🙂

 

Wolfgang Fenske
31. März 2018 um 8:40 Uhr

faseln… – und andere verbale Erniedrigungen…

*

Was Werner Gitt betrifft: Setzen Sie sich mit ihm auseinander. Ich beschäftige mich mit dem, was bei mir anliegt und nicht mit dem, was Sie fordern. Aber danke für den Tipp.
Was Pence betrifft: Sagt er das? Oder sagen Sie, dass er das denken muss, weil er evangelikaler Christ ist? Es gibt – auch das eine Binsenweisheit – evangelikale Christen unterschiedlicher Couleur. Ich will Pence nicht verteidigen – aber ich habe keine Ahnung, was er sagt und denkt und glaubt.
Was die „Unterstellungen“ betrifft: Sie streuen immer wieder mal das eine oder andere ein – um damit irgendwas zu bezwecken. Wenn ich noch zeit habe, wird es im Kontext eines anderen Beitrags von Ihnen noch angesprochen werden. Zudem sage ich nur: Religiot. Das sind keine Vertipper. Der Abstand zwischen N und T ist zumindest auf meiner Tastatur groß.

*

Was die Suizid-Rate betrifft: Ihr Zitat sagt anderes aus als dieser ihr von mir monierte Beitrag:

Bliebe noch zu fragen, wie hoch die Selbstmordrate unter jungen Evangelikalen ist, die im Widerstreit zwischen antikem Weltbild und der Moderne durch Druck ihren „Brüder und Schwestern“ zerbrechen ?

Darüber spricht Ihr Beleg nicht. Und was Sie erwarten oder nicht erwarten, das ist doch in dieser Hinsicht vollkommen belanglos.

Ich hatte lediglich nach der Selbstmordrate unter jungen Evangelikalen gefragt, wo doch die Erwartung sein müsst, dass diese aufgrund der Glaubensvorgaben erheblich geringer sein müsste, als im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung. Was aber nachweislich nicht der Fall ist

Wenn es keine Studien dazu gibt, die angeführt werden können, dann ist die Vermutung eine Vermutung. Ich würde aber dieses Thema, weil es sehr kompliziert ist, aus der Diskussion heraushalten.

 

Holger Gronwaldt
3. April 2018 um 12:02 Uhr

Zudem sage ich nur: Religiot. Das sind keine Vertipper.

In der Tat nicht. Ein Religiot ist jemand, der aufgrund religiöser Überzeugungen zu absurden Ansichten über die real vorhandene Welt gelangt, z. B. glaubt, dass ein allmächtiger, allwissender und allliebender Gott in den Ablauf der Weltgeschichte eingreift.

Original-Blog: http://blog.wolfgangfenske.de

Diskussionstexte: http://blog-diskussionen.wolfgangfenske.de

Impressum: https://www.wolfgangfenske.de/impressum-datenschutz.html

Wolfgang Fenske © 2018