Ausgangstext 10.05.2018: https://blog.wolfgangfenske.de/2018/05/10/himmelfahrt-2-2/
Es ist schon eigenartig mit unserer Sprache. Sie ist klasse. Mit ihr können wir sehr viel aussprechen. Wir plappern den ganzen Tag, wenn sich die Möglichkeit ergibt, wir können informieren, Gefühle mitteilen, Gerüchte streuen – was wäre der Mensch ohne seine Sprache?
Die Sprache kann zwar viel, aber nicht alles. Woher kommt das? Es fing mit einfachen Begriffen an, Substantive, Verben… – Handfestes war zu Beginn. Dann kamen vermutlich abstrakte Worte hinzu: Liebe, Gerechtigkeit, Würde – doch was ist das? Wie definieren wir das? Das ist unmöglich, darum haben Dichter und Sänger zum Beispiel die Liebe besungen, damit wir eine leichte Ahnung von dem bekommen, was uns so sehr beschäftigt. Philosophen haben die Sprache vorangetrieben, mit deren Hilfe sie heute große Gedankengebäude bauen können. Dennoch machen wir immer wieder die Erfahrung: Sprache versagt. Wir können vieles von dem nicht ausdrücken, was für fühlen, was wir denken, was wir erfahren haben.
Ich sagte: „Gestern habe ich einen wunderschönen Sonnenuntergang gesehen, die Farben knallten so richtig, rot, orange, blau, schwarz, dazu die wunderbaren Wolken…“ – und der Gesprächspartner sagt: Ah, schön, habe ich auch schon mal gesehen. Aber das Fußballspiel…“. Ich habe etwas gefühlt, wollte es mitteilen – aber es erreichte nicht sein Herz.
Und so geht es auch mit Glaubensthemen. Wie wunderbar, wie zart wird die Auferstehung Jesu beschrieben. Es ist etwas Einmaliges passiert – aber wie sagen Menschen es so weiter, dass andere nur annähernd verstehen können, worum es geht? Einer, der tot war – er ist wieder da! Unglaublich, ja! Unaussprechlich, ja! Aber dennoch wahr. Wie sagt man es? Und diese Schwierigkeit haben wir auch mit Blick auf die so genannte Himmelfahrt: Jesus Christus wurde nach seinem Tod erfahren, er war da, spürbar, hörbar, sichtbar – doch dann entzog er sich. Doch wie sagt man das alles weiter? Wie Dichter und Sänger versuchen die Christen das mit Bildern zu beschreiben. Die Bilder variieren, weil es nicht auf das Bild ankommt, sondern auf den Sachverhalt dahinter: Jesus Christus war als Lebendiger nach seinem Sterben unter uns – dann ist er zurückgekehrt in den Bereich Gottes. Dort ist er nun und leitet die Menschen, die sich ihm zuwenden, dass sie die Welt in seinem Sinn zum Guten verändern sollen, mit seiner Nähe, Liebe, seinem Geist und seiner Gegenwart.
Wie viel vorstellbarer klingt es bildhaft: „Während Jesus seine Jünger segnete, entfernte er sich vor ihnen und wurde zum Himmel (= Gottes Welt) emporgehoben. Sie warfen sich vor ihm (! – der ja gar nicht mehr da ist – aber nun überall ist!) auf die Knie. Dann kehrten sie voller Freude nach Jerusalem zurück… und lobten Gott.“ (Lukas 24)
Dass es sich um Bilder handelt, das sehen wir daran, dass selbst Lukas zwei verschiedene Versionen der Himmelfahrt Jesu berichtet. War er so dumm, das nicht gemerkt zu haben? Es ist nicht Dummheit des Lukas, sondern es ist der Versuch, etwas Einmaliges in bildhaften Worten wiederzugeben, damit diejenigen, die die Botschaft hören, zumindest ahnen können, was da los war.
Übrigens: Wir können es uns das heute sogar besser bildhaft vorstellen als die Menschen damals, denn angeregt von der Himmelfahrtsgeschichte haben wir heute Raketen, die in das All hinauffliegen, wir kennen das Beamen aus Filmen und JetPacks. Weil wir das alles kennen, versperrt es vielleicht den Weg zum Verstehen. (2016)
Der Moment der Auferweckung wird nicht beschrieben. Es wird die Auferstehung beschrieben. Es wird versucht zu verstehen, wie das zu deuten ist, was sie erleben. Die Aneignung des Auferstandenen, die Aneignung dessen, was da geschehen ist, ist ein Verstehensprozess. Und dieser Verstehensprozess geht bis heute weiter. Und dieses Unvergleichbare musste in Worte gefasst werden. Entsprechend haben die Evangelisten und ihre Tradition dieses Geschehen in ihrem jeweiligen Verstehensrahmen interpretiert.
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Ich spekuliere – aber ich vermute, dass Markus an dieser Stelle nicht recht weiterkam, weil ihm noch die Worte dafür fehlten. Er hat sich nicht nur auf das Bekenntnis, das Paulus anspricht, berufen, er hat auch nicht nur Worte des Meisters zitiert wie die Logienquelle, sondern versuchte insgesamt das Jesusereignis biographisch zu erfassen – in Form eines Evangeliums – und die Auferstehungsberichte sprengten sein Vermögen, das zu formulieren, die Erfahrungen der Zeugen zusammenzufassen. Von daher war die Aussage, sie hatten Angst, den Jüngern von dem Erlebten zu berichten, das Ende seines Evangeliums, weil das, was zu sagen ist, einfach kurios ist und die ÜberliefererInnen einer solchen Botschaft für… – nun denn. Und dass diese Sicht bis heute anhält, zeigt Ihr Kommentar.
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Stellen wir uns vor, es gäbe nur einen übereinstimmenden Bericht über die Auferstehung. Was hätten Sie ca. 2000 Jahre nach dem Ereignis geschrieben? Die Einheitlichkeit der Berichte zeigt, dass sich das einer ausgedacht hat und alle von ihm abgeschrieben haben! Nun denn, wie man es macht – es ist falsch.
Gerade aber, dass es so unterschiedliche Aussagen gibt, zeigt doch, dass unterschiedliche Menschen daran beteiligt waren, das sonderbare Ereignis zu verstehen. Jeder dieser Zeugen dürfte andere Worte gefunden haben, eben weil es nichts Vergleichbares gab. Und die Beschreibungen sind ja nicht plump: Zack, war da Jesus wieder da, und wir freuten uns riesig! Nein, es wird doch geschildert, dass sie ihn zunächst nicht erkannten – das Erkennen und Anerkennen eben ein Prozess war. Dieses Ereignis ist eines, das sie selbst in Erstaunen versetzt hat. Sie waren eben keine Vorbilder in der Jesus-Erkenntnis, sondern allesamt begriffen nicht, was geschah.
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Diese alberne TraumaTheorie sollte doch so langsam begraben werden. Wie viele Auferstandene hätten wir, wenn sich alle geschockte Trauernden einen Auferstandenen vorgestellt hätten? Eher könnte man die Theorie aufstellen: Da war ein Schauspieler, der so ähnlich aussah wie Jesus und der dann zu den Jüngern gekommen ist… Man versucht das ja mit der Thomas-ZwillingsTheorie. Die Jünger waren nur jeweils so blöde und haben den Zwilling nicht von Jesus unterscheiden können, und haben sich auch nicht gewundert, dass der andere Zwilling auf einmal weg war. Denn das muss man ja voraussetzen, wenn Jesus einen Zwillingsbruder gehabt haben soll, der den anderen vorgaukelt: Ich bin Jesus. Es gibt viele weitere Aspekte, die zu nennen sind, auch andere alberne Theorien (Jünger waren arbeitsscheu und wollten sich von den reichen Frauen, die Jesus unterstützt hatten, weiter unterstützen lassen – dafür sind sie dann eines gewaltsamen Todes gestorben? Oder: Ein anderer wurde statt Jesus hingerichtet – und Jesus zeigt sich seinen Jüngern und sagt: Hurra, sie haben mich nicht erwischt! – äh: Sie haben mich erwischt, ich bin aber wieder auferstanden!).
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Wenn man schon Theorien gegen die Auferstehung aufstellt, sollten sie Hand und Fuß haben. Sonst machen sie sich dessen verdächtig, was sie selbst den Glaubenden vorwerfen: Stuss zu verbreiten.
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Glaubende verstehen ja auch nicht, was geschah. Sie verstehen das ansatzweise nur, weil sie Gott dahinter sehen können. Ohne Gott keine Auferstehung. Wenn man als säkularer Mensch Gott streicht, weil es ihn nicht geben kann und darf, dann gibt es natürlich auch keine Auferstehung. Und wenn es keine gibt, muss man die Auferstehungsberichte irgendwie negieren. Das tut man rhetorisch am Besten damit, dass man sie lächerlich macht und die Zeugen für große Betrüger hält, sie für blöde oder sanfter ausgedrückt, für psychisch labil erklärt.
Was aber zeigt ihr Leben? Sie waren mutig gegen den Strom zu schwimmen, sie hatten Kraft, Verfolgungen und Verletzungen zu widerstehen, einfache Männer waren sie, sie widerstanden denen, die sich für klug und weise ansahen. In den Spuren Jesu gingen sie in die damalige Welt – und heute überall hin. Eben: Die Sache Jesu geht weiter. Ob irgendwelche Leute nun die Botschaft akzeptieren oder nicht. Was soll man machen? Glauben heißt: Vertrauen – und der Geist Gottes ist die treibende Kraft.
Holger Gronwaldt
10. Mai 2018 um 15:11 Uhr
Die „Auferstehung“ wird überhaupt nicht beschrieben. Alles, was gesagt wird, ist, dass ein leeres Grab vorgefunden wurde und es ist nicht einmal klar, wer genau dabei gewesen sein soll:
Bei Matthäus sind es zwei Marias, bei Markus zusätzlich noch Salome, Lukas erwähnt eine ungenannte Zahl von Frauen, bei Johannes dagegen nur Maria Magdalena, die anschließend auf Petrus und „einen anderen Jünger“ trifft und mit zurück zum Grab nimmt.
Wie man etwas, das überhaupt nicht beschrieben wird, als „wunderbar und zart“ bezeichnen kann, ist wohl die dichterische, äh, theologische „Freiheit“, die wie so oft der ungezügelten Fanatasie [sic] freien Lauf lässt, also immer wieder Dinge behauptet, die nicht nur nirgendwo belegbar sind, sondern auch aus sich heraus nicht einmal einen Sinn ergeben.
Auch das ist Theo-Sprech. Warum sollte selbst ein solch hypothetisches „Ereignis“ unaussprechlich sein? Man kann es doch mit einfachen Worten behaupten, auch wenn es fragwürdig erscheinen muss.
Wohl kaum.
Auch das ist eine beleglose Behauptung.
Nur, dass es keinen Sachverhalt dahinter gibt. Aber auch der Eingangssatz ist falsch, denn für etwas, das konkret sichtbar wäre, muss man keine Bilder erfinden, das träfe nur für abstrakte Dinge zu. Ein „Wiederauferstandener“, der konkret sichtbar und sogar fühlbar (Johannes 20, 27) gewesen sein soll, braucht zu seiner Beschreibung keine „Bilder“, sondern nur einen Augenzeugenbericht. So sich solche aber widersprechen, ist der eigentliche Sachverhalt nicht mehr rekonstruierbar.
Trifft in keiner Weise zu, denn rund 1700 Jahre lang haben Christen in dieser Hinsicht kläglich versagt, bis die Philosophie der Aufklärung einen objektiven Blick auf die conditio humana ermöglichte und der aufkommende Humanismus die Änderung zum Besseren einleitete. Was soll Ihre wiederholte Geschichtsklitterung?
Merkwürdig, dass Sie ausgerechnet am „Himmelfahrtstag“ Lukas zitieren, der dieses Nicht-Ereignis viel früher ansetzt, als die anderen Evangelien und die Kirchen heute behaupten.
Aber die Berücksichtigung von Fakten und widerspruchsarme Argumentation war ja noch nie die Stärke von Theologen. 🙂
Wieder einmal ein non sequitur. Was Lukas bewogen haben mag, einen kleinen Unterschied (einmal am zweiten Tag nach seiner „Auferstehung“ einmal erst 40 Tage danach) zu konstruieren, dürfte wohl kaum noch zu ermitteln sein, vielleicht war er ja tatsächlich vergesslich und wusste beim Niederschreiben der zweiten Version nicht mehr, was er sich zur ersten ausgedacht hatte. Es kann aber auch ganz andere Gründe für die Abweichung geben, das werden wir nie erfahren.
In typischer Theologen-Manier erfinden Sie aber einfach eine Behauptung, die scheinbar Sinn ergeben soll, zumindest für die, die nicht logisch denken können.
Sehe ich überhaupt nicht so. Wir haben bestenfalls mehr Vorstellungsvarianten zur Verfügung, die bessere bildhafte Vorstellung hatten nach der schriftlichen Niederlegung dieser Fantasiegeschichte zweifellos die Menschen, die sich nicht erst irgendwelche Hilfsmittel dazudenken mussten, um die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen.
Auch das ist wieder Theo-Sprech. Wenn man den Unfug glauben will, ist das „Verstehen“ ganz einfach, für denkende Menschen lässt es sich aber auch in das irrationale Weltbild des Altertums einordnen, denn die Vorstellung dahinter ist vergleichsweise primitiv: Ein Gott thront über dem babylonischen Himmelsgewölbe und regelt alles von oben, sein „Gesandter“ kehrt per celestialem Aufzug zu ihm zurück.
Parallelen zum Wiederauferstehungsmythos lassen sich in späterer Zeit z. B. im Kyffhäusermythos finden, demzufolge Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) nach seinem unerwarteten Ableben in besagtem Berg auf seine Wiederkehr wartet, um das „Reich“ zu retten.
Auch Jesu gewaltsamer Tod muss für seine Anhänger ein traumatisierender Schock gewesen sein und deshalb ist es keine große Überraschung, dass sie zur Verarbeitung des Traumas etliche Geschichten erfanden, die dem Geschehenen nachträglich einen „Sinn“ verpassten.