Blog-Diskussionen

Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 23.07.2018: https://blog.wolfgangfenske.de/2018/07/23/nahtod-erfahrung-und-welt-interpretation/

Nahtod-Erfahrung und Welt-Interpretation - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 23. Juli 2018

Nahtoderfahrung – Körper eigene Drogen werden ausgeschüttet. Soweit meines Wissens der Stand der Forschung.

Aber wer bin ich, dass ich Menschen, die diese Erfahrung gemacht haben, absprechen möchte, sie gemacht zu haben? Ich denke da an den Psychologen, der vor einer solchen Erfahrung Nahtod-Fragen rational interpretiert hat – und nach einer solchen Erfahrung ein völlig anderer Mensch war. Ich habe leider seinen Namen vergessen. Er war irgendwann mal Thema im Blog.

Vielleicht handelt ja Gott gnädig durch diese Erfahrungen, er als derjenige, der seiner Kreatur diese Möglichkeiten gegeben hat, das Sterben zu ertragen, es anders zu sehen. Sicher, manche haben auch schlimme Erfahrungen und Kämpfe in dieser Vortodesphase; zudem: Die Erfahrungen innerhalb der Religionen unterscheiden sich. Warum Letztgenanntes auch nicht? Das gehört mit zur Schöpfergüte Gottes. Wie die negativen Erfahrungen zu deuten sind, als Grundlage der Fegefeuer/Höllenangst – wer weiß das alles schon.

Wenn wir beginnen, solche Erfahrungen zu negieren, die ein Teil der Menschen geworden sind, können wir anfangen, sämtliche Erfahrungen als subjektiv, als irreal zu interpretieren. Es gibt dann keine handfesten Erfahrungen mehr, weil der Mensch sich nie sicher sein kann, ob das nun eine Hirnkapriole ist oder Realität. Damit haben wir ja grundsätzlich zu kämpfen, weil wir inzwischen wissen, dass Welt-Interpretation eben Interpretation ist. Die Kommunikation ermöglicht dann eine gewisse gemeinsame Basis der Welt-Interpretation zu schaffen – und das nennt man dann Kultur. Andere Kulturen haben eine andere Welt-Interpretation – die in manchen Bereichen mit der anderen eng zusammenpasst, in manchen eben nicht. Weil Welt interpretiert wird durch viele einzelne subjektive Hirne, kann man sich in gewisser Weise sicher sein, wie die Welt tickt. Zumindest in dem jeweils kulturellen Rahmen. In diesem Zusammenhang muss man dann sagen, dass religiöse Menschen eine andere Sicht auf die Welt haben als areligiöse Menschen. Von daher ist die Kommunikation mit Menschen aus anderen Religionen oft einfacher als mit Atheisten, weil man eine gemeinsame Basis hat.

Zurück zum Thema: Ich denke da an das, was mit einem Menschen beim Aufwachen aus einer Narkose passieren kann: Er ist in einer anderen Welt – vielleicht auch in einer Welt, die er einmal erlebte, vielleicht auch eine ganz neue Welt, die auf einmal wieder so real wird, eine wunderschöne Welt, aus der man gar nicht mehr erwachen möchte und wenn man dann aus ihr erwacht, den Eindruck hat, dass die reale Welt eine irreale Welt ist, eine grausame. Zumindest grau neben der bunten Erfahrung dieser Welt in der Narkose. Menschen haben dann die Schwierigkeit, langsam wieder zu erarbeiten, was auf einer anderen Ebene real ist – die graue Welt des Krankenhauses – nicht die Welt, die man im Kontext der Narkose erfahren hat. Erfahren hat! Diese Erfahrung wird Teil des Lebens. Warum sollte man sein Hirn, das einem diese Erfahrungen ermöglicht, bekämpfen? Diese Erfahrung wird Teil des Menschen, auch dann, wenn er sie säkular-wissenschaftlich richtig einordnen kann.

Und dieses flexible Hirn verwendet Gott, um sich selbst bemerkbar zu machen. Man kann sagen: Papperlapapp – eine irreale Welt, Vorspiegelungen eines erregten Hirnlappens, ein von Drogen aufgepumptes Hirn, man kann es deuten, muss es sogar säkular deuten bzw. säkular zu deuten versuchen – als Forscher. Aber: Diese säkulare Deutung ist nur eine der Möglichkeiten – und für das Individuum vielleicht sogar eine irrelevante Möglichkeit, weil sie sein eigenes Leben in einer Dimension prägte, die es vorher nicht gekannt hat. Das Hirn ist so flexibel, vielleicht darum, weil der Schöpfer ihm diese Flexibilität gegeben hat, damit es so flexibel ist, auch seine Anrede, Ansprüche und Einsprüche wahrnehmen zu können – die man dann Glauben nennt.

Ich lerne als Glaubender, die Welt nicht eindimensional zu interpretieren.

Aber das ist auch außerhalb des Glaubens möglich, von daher macht der Glaube hier keine Ausnahme. Zum Beispiel: Welche Hormone werden ausgeschüttet, wenn man einen Menschen liebt. Liebe – einfach nur ein bestimmter Hormoncocktail. Dann macht man die Erfahrung der Liebe – sie ist real. Hormone hin, Hormone her. Diese Welt ist real, sie bereichert das Leben ungemein, sie bereichert das Leben so sehr, dass sie bedichtet und besungen wird. Dabei ist sie für die Zeugung von Nachkommen nicht einmal wichtig. Sex funktioniert auch ohne Liebe. Nachkommen können auch ohne Liebe aufgezogen werden usw. usw. Wir haben hier eine ungemein wichtige Parallelwelt – die pragmatisch gesehen völlig unwichtig ist. Die Tiere zeigen das. Aus dieser Perspektive ist die Welt auch nicht einseitig säkular-wissenschaftlich zu interpretieren. Erfahrungen dieser Art heben die Hormon-Welt auf eine andere Ebene.

Manche Menschen machen diese Erfahrungen nicht. Säkular gesprochen: Weil hormonell manches außer Gleichgewicht geraten ist. Was ist nun natürlich? Was ist normal? Und das auf den Glauben bezogen – warum will man dem Glauben absprechen, Teil des normalen Lebens zu sein? Es gibt Normalität auf einer breiten Ebene. Warum versucht man ihn psychisch, hormonell usw. zu erklären? Nicht zu glauben ist ebenso psychisch, hormonell usw. zu erklären. Dimensionen des Lebens anerkennen – auch wenn man bestimmte Erfahrungen nicht gemacht hat, das ist eine Errungenschaft, die man nicht aufs Spiel setzen sollte durch Engstirnigkeit und Rechthaberei, die übrigens auch psychisch, hormonell, kulturell bestimmt sind.

Zuletzt: Und wenn man dann die Liebe auch noch mit dem Glauben verbindet! Es tun sich neue Dimensionen auf, auch des Verstehens Gottes, der Liebe ist und Menschen mit Glauben beschenken möchte.

 

Diskussionsfaden
2 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
23. Juli 2018 um 14:12 Uhr

Aber wer bin ich, dass ich Menschen, die diese Erfahrung gemacht haben, absprechen möchte, sie gemacht zu haben?

Tut das jemand? Es sind subjektive Erfahrungen, die eben auch subjektiv interpretiert werden.

Die neurologische Forschung hingegen kann viele der Berichte miteinander vergleichen und kommt dann zu objektiveren Ergebnissen. Erhellend ist dabei, dass so genannte „Nahtoderfahrungen“ eben nicht nur in lebensbedrohenden Situationen erfahren werden, sondern auch bei epileptischen Anfällen und sogar meditativ herbeigeführt werden können.

Der Befund ist also eindeutig: Jenseits Fehlanzeige!

Vielmehr ist es plausibel, dass solche Erfahrungen, die Menschen ja seit vielen, vielen Tausend Jahren machen und auch mitteilen können, die Illusion von einem Weiterleben nach dem Tod erst in Umlauf gebracht haben. Dass ein solches Ereignis einen Menschen von Grund auf verändern kann, will ich gar nicht bezweifeln, allerdings hat Ihr Hinweis auf den namenlosen Psychologen nicht mehr als anekdotischen Charakter, ist also völlig ohne Belang.

Vielleicht handelt ja Gott gnädig …

Es ist viel wahrscheinlicher, dass Ihr Gott mangels Existenz gar nicht handelt. 🙂

Das gehört mit zur Schöpfergüte Gottes.

Unbelegbare Behauptung. So etwas KÖNNEN Sie gar nicht wissen!

Wie die negativen Erfahrungen zu deuten sind, als Grundlage der Fegefeuer/Höllenangst – wer weiß das alles schon.

Aber bei den positiven sind Sie sich sicher? Eine etwas einseitige Argumentation!

Es gibt dann keine handfesten Erfahrungen mehr, weil der Mensch sich nie sicher sein kann, ob das nun eine Hirnkapriole ist oder Realität.

Das ist Unfug, weil wir ja die Realität haben, an der wir fast alle subjektiven Erfahrungen überprüfen können. Wenn ich glaube, fliegen zu können, wird mich die Realität sehr, sehr schnell eines besseren belehren.

Andere Kulturen haben eine andere Welt-Interpretation – die in manchen Bereichen mit der anderen eng zusammenpasst, in manchen eben nicht.

Ja, ersteres ist z. B. bei der Naturwissenschaft der Fall: es gibt keine kulturgebundene NTW, weil deren Erkenntnisse objektivierbar sind.

Bei vielen kulturell gebundenen Ansichten dagegen, kann man häufig ganz klar zwischen falsch und richtig unterscheiden. Wenn z. B. ein Volksstamm in der afrikanischen Savanne glaubt, dass sie mit bestimmten Tänzen Regen herbeizaubern können, dann wissen Nicht-Theologen, dass das reiner Aberglaube ist. Theologen hingegen beten selber um Regen. 🙂

Weil Welt interpretiert wird durch viele einzelne subjektive Hirne, kann man sich in gewisser Weise sicher sein, wie die Welt tickt. Zumindest in dem jeweils kulturellen Rahmen.

Wie die Welt wirklich tickt, kann man nur dann sicher erfahren, wenn man sich von dem kulturellen Kontext der „Welterkenntnis“ löst, denn letztere ist in aller Regel mit uraltem traditionellem Ballast beschwert, der einem Faktencheck nicht Stand hält.

In diesem Zusammenhang muss man dann sagen, dass religiöse Menschen eine andere Sicht auf die Welt haben als areligiöse Menschen.

Wobei dann, wenn die Sichten nicht übereinstimmen, in der Mehrzahl aller Fälle die religiöse Sicht sich als nicht haltbar erweist.

Von daher ist die Kommunikation mit Menschen aus anderen Religionen oft einfacher als mit Atheisten, weil man eine gemeinsame Basis hat.

Einfacher vielleicht, aber da die Basis keinen Bezug zur Realität hat, kommt man häufig zu absurden Ergebnissen.

Diese Erfahrung wird Teil des Menschen, auch dann, wenn er sie säkular-wissenschaftlich richtig einordnen kann.

Natürlich, die Erinnerung bleibt, auch wenn man allmählich erkennt, dass alles Illusion war. Der Mensch muss dann nur aufpassen, dass er nicht versucht, solche Erfahrungen, die dann zur Realitätsflucht werden können, etwa durch Gebrauch von Drogen immer wieder herbei zu führen.

Und dieses flexible Hirn verwendet Gott, um sich selbst bemerkbar zu machen.

Das ist wieder eine substanzlose Behauptung, die grundlegenden Erkenntnissen der Hirnforschung widerspricht.

Das Hirn ist so flexibel, vielleicht darum, weil der Schöpfer ihm diese Flexibilität gegeben hat

Na, wenigstens geben Sie durch „vielleicht“ selber zu, dass das reine Spekulation ist. Ist allerdings extrem unwahrscheinlich, dass Sie mit Ihrer Spekulation richtig liegen.

Ich lerne als Glaubender, die Welt nicht eindimensional zu interpretieren.

In der Tat können Glaubende die Welt nahezu beliebig interpretieren. Nur hat das mit Realität nichts mehr zu tun.

Dabei ist sie für die Zeugung von Nachkommen nicht einmal wichtig. Sex funktioniert auch ohne Liebe. Nachkommen können auch ohne Liebe aufgezogen werden usw. usw. Wir haben hier eine ungemein wichtige Parallelwelt – die pragmatisch gesehen völlig unwichtig ist. Die Tiere zeigen das.

NICHT!

Eine sehr verkürzte und deshalb auch falsche Darstellung. Auch Tiere haben Emotionen, die man als Liebe interpretieren kann. Ein Hund z. B. kann seine menschliche Bezugsperson bis zur Selbstaufgabe lieben. Bei zahlreichen anderen Tieren, die in Gruppenverbänden leben, kann man Verhaltensweisen beobachten, die man noch vor Kurzem für rein menschlich hielt.
Noch einmal: Ihre Darstellung entspricht NICHT den Tatsachen.

Und das auf den Glauben bezogen – warum will man dem Glauben absprechen, Teil des normalen Lebens zu sein?

Das tut man ja nicht grundsätzlich, aber mitunter verhalten sich Gläubige aufgrund ihres Glaubens ziemlich unnormal und ich denke da nicht nur an die Osterprozessionen auf den Philippinen oder die Ashura-Prozessionen der Muslime.

Warum versucht man ihn [den Glauben] psychisch, hormonell usw. zu erklären?

Weil man ihn in großen Teilen so erklären kann, allerdings gibt es auch plausible Erklärungen aus der Evolution des Menschen.
Durch die reale Existenz von Göttern lässt sich dagegen Glauben NICHT erklären, es sei denn, man postuliert Tausende von Göttern, die zumindest in der Vergangenheit einmal existent waren und dann teilweise ausgestorben sind.
Warum Ihr Gott schon vor rund 200.000 Jahren unsere Spezies geschaffen haben und dann erst vor vielleicht 3000 Jahren sich ihnen zu erkennen gegeben haben soll, davor und seitdem zahlreiche andere Götter geduldet hat, sowie 2/3 der Menschheit immer noch links liegen lässt, kann rational nicht erklärt werden.

Nicht zu glauben ist ebenso psychisch, hormonell usw. zu erklären.

Mag sein, aber vor allem kann man es rational erklären: für den Glauben an einen Gott/Götter gibt es keine verlässlichen Anhaltspunkte. Denn warum sollte ausgerechnet im Vorderen Orient zu einer Zeit, als Menschen so gut wie nichts über die Welt wussten und in magischem Denken verfangen waren, sich ein rach- und blutsüchtiger Gott einem kleinen Hirtenvolk zu erkennen gegeben haben, die dann ihr „Wissen“ um diesen Gott benutzten, gegen umliegende Völker einen gnadenlosen Vernichtungsfeldzug zu führen?
(Ok, ich weiß auch, dass das Volk Israel erst seit etwa 1200 v. u. Z. aus den Kanaanitern hervorgegangen ist und der Pentateuch eine frei erfundene Propagandageschichte ist. Aber wenn die Theologie immer noch so tut, als wäre das faktisch passiert, kann man sie ja beim Wort nehmen?)

eine Errungenschaft, die man nicht aufs Spiel setzen sollte durch Engstirnigkeit und Rechthaberei

Kann es sein, dass Engstirnigkeit und Rechthaberei überwiegend bei Menschen zu finden sind, die rein zufällig der in ihrem Kulturkreis vorherrschenden Religion anhängen: wenn ALLE so denken wie ich, dann MUSS es ja richtig sein?

Zuletzt: Und wenn man dann die Liebe auch noch mit dem Glauben verbindet! Es tun sich neue Dimensionen auf, auch des Verstehens Gottes, der Liebe ist und Menschen mit Glauben beschenken möchte.

Fast 2000 Jahre Christentum beweisen, dass das Gegenteil der Fall ist.

Was ist ein Gott wert, der nicht einmal in der Lage ist, die Menschen, die an ihn glauben, dazu zu bringen, seine Absichten abzusetzen?

 

Holger Gronwaldt
24. Juli 2018 um 18:55 Uhr

Sorry, statt “ seine Absichten abzusetzen?“ muss es heißen: seine Absichten umzusetzen?

Original-Blog: https://blog.wolfgangfenske.de

Diskussionstexte: https://glaubensdiskussion.wolfgangfenske.de/

Impressum: https://www.wolfgangfenske.de/impressum-datenschutz.html

Wolfgang Fenske © 2019