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Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 16.09.2018: https://blog.wolfgangfenske.de/2018/09/16/gott-in-jesus-christus-bibelauslegung/

Gott in Jesus Christus – Bibelauslegung - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 16. September 2018

So manche biblische Geschichte atmet nicht den Geist Jesu.

Aber man muss sie aus dem Geist Jesu lesen lernen.

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Christen sehen Gott in Jesus Christus. Darum werden alttestamentliche Gottesbilder von Jesus Christus her beurteilt. Sie sind dann manchmal religions-psychologisch zu verstehen, sie sind manchmal als Zerrbild Gottes zu erkennen, auch als Kampf gegen Gott. Gott wird in das Licht der jeweiligen Zeit getaucht – er wird wie die Götter der Völker beschrieben, er wird so dargestellt als einer, der mit den siegreichen Göttern der Völker mithalten muss. Es gibt einen Prozess der Gotteserkenntnis. Gott schält sich immer stärker aus den Verzerrbildern heraus, die der Mensch in seiner beschränkten Erkenntnis von Gott gemacht hat. Und so gibt es wunderbare Lichtblicke in den alttestamentlichen Texten, Lichtblicke, in denen Gottes Geist sichtbar und strahlend wird. Aber das kann man erst dann erkennen, wenn Jesus Christus der Maßstab ist. Eines dieser Lichtblicke ist das Wort des Propheten Jeremia, indem er den Geist Gottes ankündigt, der Gotteserkenntnis wahr werden lässt.

Ich weiß nicht – gab es je eine Zeit im Judentum und auch im Christentum, in der die alttestamentlichen Texte einfach so ohne Kritik, ohne Maßstäbe rezipiert wurden? Wie hart der Talmud zum Teil mit biblischen Texten umgeht! Oder man versuchte die Texte auf unterschiedlichen Ebenen zu verstehen (in der Tradition der Griechen – ich denke da an Philo, an Origenes, an die Auslegung früher Christen…). Kritik an biblischen Texten ist nichts, das Religionskritikern vorbehalten ist – sie ist Teil unserer religiösen Kultur. Der Unterschied ist nur: Glaubende kritisieren mit Gott im Hintergrund – säkulare Religionskritiker tun es ohne Gott. Von daher gibt es eben auch unterschiedliche Folgen – Folgen hermeneutischer Art.

Alle alttestamentlichen und neutestamentlichen Texte sind relevant. Sie sind äußerst relevant. Aber haben eben auch die Funktion zu zeigen, dass der Mensch Sünder ist, dass er sich gegen Gott und Menschen wendet (was nicht zuletzt Luther so gesehen hat). Der Mensch wird nicht glorifiziert – im Gegenteil: das gesamte AT stellt das Volk Gottes als eines dar, das sich gegen Gott sperrt, das seinen Alltag ohne Gott und gegen Gott leben möchte – und das geht dann ja auch im NT und massivst auch im Laufe der Kirchengeschichte weiter. Das geschieht selbst in Texten, in denen Menschen aus ihrer Zeit heraus meinten, Gott einen Gefallen zu tun – und Gott mit ihren eigenen frommen und unfrommen Ansichten identifizierten. Gott bringt sich gegen diesen bewussten und unbewussten Kampf gegen Gott immer wieder ein, korrigierend, fordernd, klärend.

Zuletzt eben durch Jesus Christus. In Jesus Christus.

 

Diskussionsfaden
5 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
16. September 2018 um 15:35 Uhr

Aber man muss sie aus dem Geist Jesu lesen lernen.

Was sich aber als so gut wie unmöglich erweist, da Christen keinen Konsens darüber herstellen können, was denn unter dem „Geist Jesu“ inhaltlich zu verstehen ist.

Gott bringt sich gegen diesen bewussten und unbewussten Kampf gegen Gott immer wieder ein, korrigierend, fordernd, klärend.

Wohl kaum, denn rund 1700 Jahre Kirchengeschichte belegen genau das Gegenteil. Diese Geschichte ist gekennzeichnet durch Machtmissbrauch und Menschenverachtung, bis ihr durch die Philosophie der Aufklärung Grenzen gezogen wurden.
Das können auch Sie nicht bestreiten!

 

Wolfgang Fenske
19. September 2018 um 7:02 Uhr

Den Wald kann man vor lauter Bäumen nicht sehen.

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Dafür bin ich den Aufgeklärten unter den Aufgeklärten auch sehr dankbar. Aber: Machtmissbrauch und so – gibt es unter ihnen auch. Die uneingeschränkte Macht jeglicher Gruppen muss verhindert werden. Denn gerade auch Christen haben unter dem Machtmissbrauch mächtiger in der Kirche gelitten. Waldenser, Anhänger Wycliffs, Hus – auch Luther konnte ein Liedchen davon singen – Hugenotten… Innerhalb der Kirche gab es schon diese Widerstände gegen Machtmissbrauch. Man wich als Christen aus ins Land der großen Freiheit – USA – und so flossen viele Bäche und bildeten den Strom gegen Missbrauch von Macht.

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Von daher: Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich eher dankbar für eine gewisse Bandbreite christlicher Stimmen. Die hat es auch schon in der frühen Christenheit gegeben. Diese Bandbreite entspricht eher demokratischer Grundlage. Ich bin nicht skeptisch, weil es viele Stimmen in der Kirche gibt – ich wäre skeptisch, wenn sie alle dasselbe sagen würden. Allerdings sollte die Basis stimmen.

 

Holger Gronwaldt
19. September 2018 um 22:57 Uhr

Diese Bandbreite entspricht eher demokratischer Grundlage. Ich bin nicht skeptisch, weil es viele Stimmen in der Kirche gibt – ich wäre skeptisch, wenn sie alle dasselbe sagen würden.

Demokratie und (christliche) Religion schließen einander weitgehend aus. Entweder man folgt dem „göttlichen“ Gesetz, bzw. was man dafür hält, oder man bildet in fairer Interessenberücksichtigung ein Regelwerk, mit dem alle leben können. Beides zusammen funktioniert nicht.

Die Vielstimmigkeit der religiösen Aussagen, die auf der selben Grundlage oft zu entgegengesetzten Ergebnissen kommen, ist eindeutig ein Manko der Religionen und ihrer Vertreter, da sie doch alle behaupten – Sie doch auch – den Willen ihres Gottes zu kennen. Entweder gibt es dann entsprechend viele Götter, oder alle bis auf einen liegen falsch, oder alle liegen falsch.
Selbst für den Fall, dass eine Gruppe richtig läge, ergibt sich das für die Religionen unlösbare Problem, dass es keine Möglichkeit gibt, herauszufinden, welche das sein könnte. Und da sich nach der dann eigentlich alle richten müssten, wird es hier nie zu einer Annäherung kommen, denn der kleinste gemeinsame Nenner der Religionen ist exakt Null.

 

Wolfgang Fenske
22. September 2018 um 9:08 Uhr

Das sagte schon mein bewunderter Xenophanes: Wenn auch einer die Wahrheit kennt, weiß man nicht, ob es die Wahrheit ist. Ich zitierte ihn meines Wissens schon häufiger. Auch wenn dieser Satz sehr gut unsere menschlichen Dimensionen wiedergibt, können wir doch nicht über unseren Schatten springen und manche Einsichten für wahrer zu halten als andere. Es gibt nur eine Wahrheit. Für die steht jeder, wenn er kein Wendehals ist, ein. Und hier beginnt für mich auch die Demokratie in der Kirche, das sich Abstimmen, das Ringen um den richtigen Weg. Das ist nichts Neues, das war auch schon erkennbar, als die frühe Gemeinde um die Frage rang: Müssen die Heiden jüdische Regeln beachten oder nicht? Man fand einen Kompromiss. Und über den Kompromiss heißt es pragmatisch: es gefällt dem heiligen Geist und uns… (Apostelgeschichte 15) – Paulus scheint nicht ganz so begeistert darüber gewesen zu sein (Galater 2,11ff.). Letztlich ist man dann auch über diesen Kompromiss hinweg gegangen. Der Kompromiss hatte eher „uns“ gefallen als dem heiligen Geist, sodass der Heilige Geist dann doch einen anderen Weg vorsah – den des Paulus (leider nicht immer – jüdische Gesetzlichkeiten wurden durch nichtjüdische Gesetzlichkeiten ersetzt).
Die anderen Religionen lasse ich hier außen vor. Wir haben darüber schon häufiger gesprochen.

 

Holger Gronwaldt
22. September 2018 um 13:46 Uhr

Wenn auch einer die Wahrheit kennt, weiß man nicht, ob es die Wahrheit ist.

Sehe ich auch so. Das steht allerdings im Widerspruch zu Ihren folgenden Ausführungen:

Es gibt nur eine Wahrheit. Für die steht jeder, wenn er kein Wendehals ist, ein.

Jeder Aufrichtige kann nur für das einstehen, was er selber für die Wahrheit hält. Das kann aber ebenso gut ein Irrtum sein!

Und hier beginnt für mich auch die Demokratie in der Kirche, das sich Abstimmen, das Ringen um den richtigen Weg.

Grundsätzlich eine richtige Überlegung, die aber nicht davor schützt, eine falsche Entscheidung zu treffen. Frei nach Bertrand Russell: Und wenn alle einer Meinung sind, so können doch alle Unrecht haben.
Die Geschichte JEDER Demokratie und eben auch der Kirche(n) zeigt, das das oft genug der Fall war.

Der Kompromiss hatte eher „uns“ gefallen als dem heiligen Geist, sodass der Heilige Geist dann doch einen anderen Weg vorsah.

Jetzt werden Sie wieder albern, denn der „heilige Geist“ nimmt mangels Existenz überhaupt keinen Einfluss auf irgendetwas und das geben Sie indirekt ja auch durch Ihr „leider nicht immer“ zu. Entweder wäre er so mächtig, dass er seinen Einfluss durchsetzen könnte, oder er wäre es nicht. Dass er es mal ist und dann wieder nicht, ergibt überhaupt keinen Sinn.

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