Blog-Diskussionen

Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 25.09.2018: https://blog.wolfgangfenske.de/2018/09/25/leben-gestalten/

Leben gestalten - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 25. September 2018

Menschen in unserem Land der Gegenwart müssen ihr Leben selbst gestalten.

Es gibt sehr viele Optionen, es zu tun, es gibt eine Vielfalt ohne gleichen.

Viele wollen Vielfalt, bejubeln vielfältige Kulturen und Lebensentwürfe.

Warum jedoch passen sich viele Christen an, statt sich bewusst zu werden: Wir bieten eine tolle Option?

Anpassungssucht sollte kein Charakterzug von Christen sein.

Wichtiger noch:

Man schwimmt herum, weil man den Grund verloren hat. Kraftlos versinkt das Individuum im Meer der Beliebigkeiten.

Wieder festen Boden unter die Füße bekommen: Gemeinschaft der Gemeinde, lernen aus dem Geist Gottes heraus die Bibel lesen, im Gebet-Bitte-Lob-Dank-Preis die Beziehung zu Gott stärken, sich auf den Glauben einlassen – auch auf den Glauben anderer, die vor uns lebten und ihren Glauben bewährt haben.

 

Diskussionsfaden
12 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
25. September 2018 um 12:05 Uhr

Warum jedoch passen sich viele Christen an, statt sich bewusst zu werden: Wir bieten eine tolle Option?

Und die wäre?

Das kann es wohl doch nicht sein:

lernen aus dem Geist Gottes heraus die Bibel lesen, im Gebet-Bitte-Lob-Dank-Preis die Beziehung zu Gott stärken, sich auf den Glauben einlassen – auch auf den Glauben anderer, die vor uns lebten und ihren Glauben bewährt haben.

Den „Geist Gottes“ haben unzählige Gläubige in den letzten 1700 allzu oft fehlinterpretiert mit üblen Folgen.
Wie kann man also heute sicher sein, dass man nicht den gleichen Fehler macht?

Ist es nicht vielmehr der Humanismus, der einen leiten sollte und nicht uralte, ethisch verwerfliche Texte mit Androhung von Höllenqualen, wenn man nicht im wahrsten Sinne des Wortes zu Kreuze kriecht?

 

Wolfgang Fenske
29. September 2018 um 8:53 Uhr

Optionen habe ich im Blog vielfältig genannt und werde es auch weiterhin tun. Der Geist Gottes kann missverstanden werden – darum muss es die genannten Sicherungen geben. Natürlich ist auch kollektives Missverstehen möglich. Aber das Thema hatten wir auch: Gott geht seinen weg mit dem menschen, auch wenn dieser Gott falsch versteht (Stichwort: Prozess, der schon in der Bibel deutlich wird).
Aber: Was ist Humanismus? Was ist human? Das muss immer wieder neu ausgehandelt werden. An diesem Aushandlungsprozess haben Christen massiv Anteil. Denn auch „der“ Humanismus ist nicht einfach so aus dem Boden gewachsen.

 

Holger Gronwaldt
22. Oktober 2018 um 12:53 Uhr

Optionen habe ich im Blog vielfältig genannt und werde es auch weiterhin tun.

Hic Rhodos, hic salta!
Ich scheine zwar – im Moment – der einzige Leser Ihres Blogs zu sein, aber für den Fall, dass sich auch mal ein anderer hierher verirrt, wäre es sicherlich hilfreich, wenn Sie konkret auf Dinge eingehen – auch zum, x-ten Mal – und nicht kryptisch auf bereits Gesagtes verweisen, denn der Zufallsleser wird sich kaum die Mühe machen, über Stunden nach Hinweisen zu suchen, wie Sie bereist einmal auf ein Thema eingegangen sind.

Der Geist Gottes kann missverstanden werden

Der „Geist“ Ihres Gottes MUSS missverstanden werden, da es unmöglich ist, über dieses imaginäre Wesen verlässliche Aussagen zu machen.
Die Bibel eignet sich dazu am allerwenigsten, da sie zahlreiche Aussagen enthält, deren ethisches Niveaus sich weit unterhalb dessen befindet, was heute in der Welt als ethischer Mindeststandard von aufgeklärten Menschen angesehen werden kann. Ich verwies an anderer Stelle auf 1. Mose, 9, 6, „Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht. „, der praktisch nicht nur als Rechtfertigung, sondern geradezu als Gebot für die Todesstrafe gelesen werden kann.
Merkwürdig hier allerdings der logische Widerspruch, dass jeder, der „ein Bild Gottes“ tötet, selber getötet werden soll, obwohl der doch auch „ein Bild Gottes“ ist. Aber so ist die Bibel nun einmal : ein wildes Sammelsurium von Aussagen, die keiner Logik Stand halten und sich in vielen Details vehement widersprechen und damit als ethische Richtschnur definitiv ausschließen.

 

Wolfgang Fenske
28. Oktober 2018 um 8:01 Uhr

Ich muss auf das hinweisen, was wir schon diskutiert haben. Denn ich habe keine Zeit, das ausführlich noch einmal darzulegen. Freuen Sie sich doch, dann kommen Ihre ausführlichen Darlegungen auch noch mal ins Blickfeld.

*

Es gibt unlogische Aussagen in der Bibel, Aussagen, die spannungsreich sind usw. usw. usw. Aber dafür haben wir ja die historisch-kritische Exegese, die Licht ins Dunkel zu werfen versucht. Man muss die Texte aus ihrer Zeit heraus verstehen, ihre religionsgeschichtlichen Parallelen, versuchen herauszufinden, worauf sie in ihrer Zeit eingehen, dann kann man manche Aussagen besser einordnen. Eben in wissenschaftlicher Diskussion – das heißt: Es gibt nicht sofort die richtige Antwort, sondern: man diskutiert und hofft, richtige Antworten zu finden. Das ist eben Teil der Geisteswissenschaften – diese sind keine Naturwissenschaften a la Chemie oder ähnliches.
Der Maßstab für alttestamentliche Aussagen ist Jesus Christus (ich kann das jetzt nicht schon wieder im Detail erklären, wie ich das verstehe), ebenso zum Thema Geist Gottes: Blog-Beitrag: Bibel und Gottes Geist

*

Vielfalt widerspricht nicht Gott – wenn sich alle Menschen auf eine Interpretation einigen würden, würde das auch kein Gottesbeweis sein. Im Gegenteil. Das Geheimnis Gottes: Sich auf ihn einlassen – als das Individuum, das man ist, mit seiner Weltsicht, seinen Lebensdeutungen und -erfahrungen. Da kann nur ein individueller Glaube dabei herauskommen – der sich allerdings nach christlichem Verständnis an der Bibel (mit Vorzeichen NT/Jesus), an der Gemeinde, an den Glaubensvorfahren orientieren muss. Und so gibt es dann auch unterschiedlichste Gemeinden. Gemeinden, die rationaler orientiert sind, weil sich die Rationaleren dort finden. Gemeinden, die emotionaler orientiert sind, weil sich dort die emotionaleren Menschen wiedererkennen. mensxchen, die traditioneller orientiert sind und andere, die hauptsächlich ihre jeweilige Gegenwart akzeptieren. Rationalität und Emotionalität, Traditionalität und Modernität – das in einer großen Mischungsvielfalt.

 

Wolfgang Fenske
28. Oktober 2018 um 8:02 Uhr

Leider: Schluss für heute.

 

Holger Gronwaldt
29. September 2018 um 11:59 Uhr

Natürlich ist auch kollektives Missverstehen möglich.

Wie die Geschichte der Religionen zeigt, ist kollektives Missverstehen – aka willkürliches Interpretieren der Welt – nicht nur möglich, sondern geradezu unausweichlich.

Gott geht seinen weg mit dem menschen, auch wenn dieser Gott falsch versteht

Ziemlich schwacher Gott, wenn er die Menschen nicht so lenken kann, wie es seinem Willen entspricht. Merkwürdigerweise „weiß“ er trotzdem, wie alles enden wird. 🙂

Das muss immer wieder neu ausgehandelt werden.

Völlig richtig. Mit dem Fortschritt und der Entwicklung der technischen Möglichkeiten ändern sich auch die Möglichkeiten, im Sinne des Humanismus das Leben der Menschen zu verbessern.

An diesem Aushandlungsprozess haben Christen massiv Anteil.

Ja, leider, denn sie hemmen und verhindern, viele Dinge, die absolut notwendig sind, z. B. eine weitsichtige Bevölkerungspolitik, Umweltschutz und schonenden Umgang mit den Ressourcen, Letzteres verstärkt in den USA, wo durchgeknallte Evangelikale an der Macht sind.

Denn auch „der“ Humanismus ist nicht einfach so aus dem Boden gewachsen.

Natürlich nicht, denn er ist im Wesentlichen Ergebnis der Philosophie der Aufklärung und die musste gegen die Lehren der Kirchen durchgesetzt werden.

 

Wolfgang Fenske
1. Oktober 2018 um 8:58 Uhr

Es ist immer ärgerlich, wenn Gott nicht so agiert, wie wir es uns wünschen oder vorstellen.

*

Was den Humanismus betrifft – gegen Lehren der Kirchen usw.: Ich bin den Kirchenkritikern dankbar dafür, dass sie Strömungen der Christen aufgenommen haben, die kirchenkritisch waren (Hierarchie, Betonung des Volkes durch die Betonung der Sprachen ihrer Völker usw.). Sie konnten es allerdings nur durchsetzen, weil die vorangegangenen christlichen Kirchenkritiker schon gute Vorarbeit geleistet haben – zum Beispiel Luther. Sie konnten es auch, weil sich viele Christen auf die Seite der Kritiker geschlagen haben. Nicht in der grundsätzlichen Ablehnung des Glaubens, aber in der Humanisierung der Gesellschaft im Sinne des NT.

 

Holger Gronwaldt
11. Oktober 2018 um 9:19 Uhr

Ich bin den Kirchenkritikern dankbar dafür, dass sie Strömungen der Christen aufgenommen haben, die kirchenkritisch waren

Inwieweit kirchenkritische Christen überhaupt noch Christen waren, müsste man getrennt untersuchen, denn seinerzeit war es bei Gefahr für Leib und Leben nahezu unmöglich, sich als Nichtchrist zu outen.
Zudem wissen wir, dass es bereits seit dem Altertum scharfsinnige Denker gegeben hat, die die Religionen insgesamt durchschaut hatten und die Hypothese von der angeblichen Existenz von Göttern entschieden zurückwiesen.

Hinzu kommt, dass auch ein Aristoteles ein paar hundert Jahre später wohl kaum Christ geworden wäre, denn auch zwischen seinem „unbewegtem Beweger“ und einer konkret ausgeformten Gottheit liegen Welten. Aristoteles als streng logisch denkender Mensch hätte natürlich auch sofort die logisch völlig unhaltbare Eigenschaftskombination des christlichen Gottes als gleichzeitig allmächtig, allwissend und allgütig entlarvt und dessen Existenzbehauptung damit widerlegt.

Humanisierung der Gesellschaft im Sinne des NT.

Das ist eine völlige Umkehrung der Tatsachen! Der Humanismus hat das Christentum erst menschlicher gemacht. Ohne ihn gäbe es heute noch Hexenverbrennung und Hinrichtungen von Andersdenkenden auf Befehl der Kirche!
Die Kirche hat nicht 1500 lang gewütet trotz des NT, sondern wegen ihm! Erst der aufkommende Humanismus hat ihr wirksam Einhalt geboten.
Das ist auch heute noch zu sehen, z. B. in Afrika, wo zwar die christliche Religion, nicht aber der Humanismus einen starken Einfluss ausübt und wo immer noch „Hexen“ verbrannt, bzw. grausam ermordet werden, weil die Kirche ein Interesse daran hat, Aberglauben aufrecht zu erhalten, um nicht an Macht und Einfluss einzubüßen. Mit allen inhumanen Folgen!

 

Wolfgang Fenske
13. Oktober 2018 um 8:24 Uhr

Was Sie alles wissen! Aristoteles wäre nie Christ geworden! Wow. Sicher ist, was Sie schrieben, dass zwischen seinem unbewegten Beweger und dem christlichen Gott ein immenser Unterschied liegt. Aber ist die Erkenntnis neu? Aristoteles war auch ein Sprachgenie. Er hätte vermutlich auch Sprache und ihre Grenzen erkannt. Vielleicht hat er das. Muss mal wieder in seine Poetik reinschnuppern. Dass es Kritiker gab – klar. Sogar Selbstversuche mit Göttern, um zu beweisen, dass es sie nicht gibt – zumindest dass sie nicht strafen. Aber was sagt das schon?

*

Alles Weitere sehe ich nicht so. Und was Hexenverbrennung betrifft: Die gab es überall schon vor dem Christentum und gab es neben dem Christentum. Man kann vielen Christen bis heute vorwerfen, dass sie viel Übles mitgemacht haben und mitmachen. Wir haben diese Aspekte schon wiederholt thematisiert. Dass es humane Menschen gab vor und außerhalb des christlichen Glaubens – ich weiß nicht, ob ich das mal bestritten habe. Kann ich mir kaum vorstellen. Aber wesentliche Impulse gingen von Jesus Christus und seinen Nachfolgern aus. Moderner Humanismus ist nicht zu lösen von der Geschichte.

 

Holger Gronwaldt
13. Oktober 2018 um 22:33 Uhr

Aber ist die Erkenntnis neu?

Neu ist sie eher nicht, nur in der Theologie hat sie sich bis heute nicht wahrnehmbar herumgesprochen, denn viele Theologen verbreiten immer noch den größten Schwachsinn, wenn sie eine Verbindung zwischen einem angeblichem Schöpfergott und dem Gott der Christen herstellen wollen. Die beiden sind nämlich unvereinbar.
Der „Schöpfer“ der Natur wäre nämlich ein gefühlloses Monster, das Leiden und Tod in den Mittelpunkt seines Schaffens gestellt hätte, also wohl kaum mit der Vorstellung vereinbar, dass „Gott“ die reine Liebe ist.
Tut mir leid, but you can’t have it both ways!

Aber wesentliche Impulse gingen von Jesus Christus und seinen Nachfolgern aus.

Nämlich? Einfach so behaupten ist zwar das tägliche Einmaleins der Theologen, aber eine nachvollziehbare Begründung wäre hier schon angebracht.
Sie müssten dann nämlich zeigen können, dass der Humanismus der Aufklärung stärker vom Christentum beeinflusst wurde, als von den Ideen eines Buddha, Konfuzius und vor allem Sokrates, sowie anderen fortschrittlichen Denkern der Antike.
Viel Vergnügen!

 

Wolfgang Fenske
20. Oktober 2018 um 17:20 Uhr

Für Sie ist der Gott der Christen nicht vereinbar mit dem Schöpfergott. Interessant, dass Sie das Gegenteil sagen, Sie, für den Gott keine Rolle spielt. Diese Trennung des Gottes, an den Christen glauben von dem Gott, den alttestamentliche Texte bekennen wurde schon im 2. Jahrhundert von Christen zurückgewiesen – und musste bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurückgewiesen werden. Gott wollte den Menschen, darum begabte er ihn und beauftragte ihn. So erfahren wir in der Schöpfungsgeschichte. Dann, so haben es eben schon die Alten erzählt, hat der Mensch seine Freiheit missbraucht – als Folge davon: Er verhält sich unverantwortlich. Die Folge davon: Die gesamte Schöpfung gerät aus den Fugen. Dass Menschen Gott für die Vergehen der Menschen verantwortlich machen sieht eben diesem gefallenen Menschen ähnlich, weil er es eben dadurch ablehnt, für seine Vergehen verantwortlich zu sein.

*

Interessant, dass Sie alle möglichen Leute für den Humanismus verantwortlich machen, die für unsere Kultur erst in der Neuzeit eine kleine Rolle spielen. Außer den von Ihnen natürlich genannten Sokrates. Wie sieht es aus mit dem von mir sehr geschätzten Cicero?… Egal: Das Humane – also Liebe – begegnet im NT dominant, einmal als Lehre Jesu, dann wird sie in seinen Taten sichtbar, das wird dann im Jesus-Nachfolger Paulus deutlich, in den Briefen des Johannes und Jakobus… Diese prägten die christliche Gemeinde. Man wandte sich gegen Kindstötungen (Infantizid), begann Krankenhäuser zu errichten – ich schrieb vor ein paar Wochen über den Unterschied zwischen Philanthropie und Nächstenliebe. Klöster haben diese Ansätze weiter geführt, Gesundheit (Klostermedizin), Bildung, Betonung der Frauen, … – ich kann hier nicht alles darlegen, vor allem auch nicht differenziert, denn es gab freilich auch Zeiten, in denen Errungenschaften verdunkelt bzw. vergessen wurden. Aber durch das NT haben sich diese Züge immer wieder im Laufe der Zeit zu Wort gemeldet…
Abgesehen davon: Es gibt unterschiedliche Strömungen im modernen Humanismus. Der christliche Humanismus, der die humanen Grundlagen des Christentums aufgreift, gehört dazu. Wie alle, die modern sein wollen, grenzen sie sich von den dämlichen Vorfahren ab: Die Alten, die einen geprägt haben, waren nicht ganz zurechnungsfähig – wir Moderne sind es endlich! Und daraus folgt dann die Negierung dessen, was die Alten erarbeitet haben. Wir sind die Humanisten – die anderen sind die Unmenschlichen. Diese kleine Karikatur betrifft auch die Moderne. Die kommenden Generationen werden aus einer Distanz heraus die Grundlagen des modernen Humanismus im Christentum klarer herausarbeiten können, weil sie denen, die eine solche heute benennen, hoffentlich nicht mehr dummes apologetisches Getue vorwerfen werden.
Übrigens: Anthropozentrismus – ein wesentliches Element des modernen Humanismus – kann der noch getoppt werden durch die christliche Aussage: Also hat Gott die Welt (z.B. den Menschen) geliebt, dass er seinen Sohn gab…? Christlicher Anthropozentrismus betont den Menschen , weil er im Mittelpunkt des Handelns Gottes steht, wie auch die oben genannte Schöpfungsgeschichte betont. (Dass die Natur zu kurz kommt – das muss ich leider erwähnen. Hängt aber mit der Entwicklung des Menschen zusammen, dem die Natur eher als Macht erschien, die Angst hervorrief und überwunden werden musste. Moderne Städter, die eher weniger Bezug zur Natur haben, haben an dieser Stelle neue Akzente gesetzt.)

 

Holger Gronwaldt
22. Oktober 2018 um 12:42 Uhr

Für Sie ist der Gott der Christen nicht vereinbar mit dem Schöpfergott.

Dieser Schluss ist unvermeidlich, wenn man die Realität mit dem abgleicht, was Vorstellung von Christen über ihren Gott ist.
Ein die Menschen liebender Gott hätte das Universum sicherlich anders eingerichtet. So aber haben wir ein Universum, das zu 99,99999999…% für Menschen absolut tödlich ist und selbst der größte Teil der Erde ist für uns nur mit entsprechendem Aufwand bewohnbar.

So erfahren wir in der Schöpfungsgeschichte.

Aus den beiden Schöpfungsgeschichten – die untereinander außerdem inkompatibel sind – erfahren wir fast gar nichts, sondern lediglich nur, wie uninformierte Menschen sich vor ein paar Tausend Jahren den Beginn der Welt vorgestellt haben, mit allen Fehleinschätzungen, denen sie damals mangels Wissen unterliegen mussten.

Dann, so haben es eben schon die Alten erzählt, hat der Mensch seine Freiheit missbraucht

Auch diese Deutung ist nur der Versuch, die vorgefundene Realität mit der erwünschten religiösen Vorstellung irgendwie in Einklang zu bringen.

Die Folge davon: Die gesamte Schöpfung gerät aus den Fugen.

Tut mir leid, aber das ist horrender Unfug!
Die gesamte Schöpfung würde ja auch das Universum umfassen. Hätte sich da etwas geändert, würde aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Erde und mit ihr das Leben auf der Erde aufgehört haben zu existieren.
Aber auch so ist es natürlich ein kaum zu überbietender kruder Gedanke, dass der hypothetische Schöpfer des Universums ALLE Lebewesen dafür bestraft, dass EIN Mensch, der nachgewiesenermaßen nicht einmal existiert hat, einen Biss in eine angeblich verbotene Frucht tut.
Dabei ist die wirkliche Erklärung ganz einfach: irgendwie mussten die Menschen der damaligen Zeit ihr Gottesbild mit der Realität vereinbaren und was lag da näher, als sich selbst die Schuld dafür zu geben, dass die Realität eine andere war, als sie nach dem Bild, das man sich von diesem Gott machte, hätte sein sollen, denn dem Gott die Schuld zuzuschieben, trauten sie sich nicht.

Dass Menschen Gott für die Vergehen der Menschen verantwortlich machen sieht eben diesem gefallenen Menschen ähnlich, weil er es eben dadurch ablehnt, für seine Vergehen verantwortlich zu sein.

Das ist auch nun wieder unlogischer Unfug, denn ein Mensch, der nicht an Ihren Gott glaubt, kann ihn auch für nichts verantwortlich machen und wer Ihr christliches Gottesbild teilt, wird das ebenso wenig tun, denn die glauben ja an einen liebenden Gott, der sich angeblich um seine Schöpfung kümmert.
Es scheint das Vorrecht von Theologen zu sein, unlogischen Unsinn mit fein gedrechselten Sätzen in Umlauf zu bringen. 🙂

Außer den von Ihnen natürlich genannten Sokrates. Wie sieht es aus mit dem von mir sehr geschätzten Cicero?

Sie werden mir zugestehen, dass ich in einem Blog nicht die ganze Kulturgeschichte des Humanismus erschöpfend behandle. Insofern ist Sokrates nur pars pro toto und selbst der ist ja nicht im luftleeren Raum herangewachsen.

Das Humane – also Liebe – begegnet im NT dominant, einmal als Lehre Jesu, dann wird sie in seinen Taten sichtbar, das wird dann im Jesus-Nachfolger Paulus deutlich, in den Briefen des Johannes und Jakobus

Auch Sie werden wissen, dass das NT eben nicht die reine Liebe ist, sondern vor allem auch dadurch geprägt ist, dass alle, die sich nicht dem Diktat der „Liebe“ beugen wollen, mit ewiger Verdammnis gedroht wird.
Solche Aussagen dienten dann ja auch jahrhundertelang den „Nachfolgern“ Jesu als Rechtfertigung, Andersdenkende zu foltern und zu töten. Oder haben Sie eine bessere Erklärung dafür, warum auch Christen, die angeblich der Nächstenliebe verpflichtet sind, sich oft schlimmer als wilde Tiere gebärdeten?

Man wandte sich gegen Kindstötungen

Wer ist „man“ und ist es nicht das natürliche Empfinden eines jeden geistig gesunden Menschen, gegen Kindstötungen zu sein?

… begann Krankenhäuser zu errichten …

Wobei Krankenhäuser keine christliche Erfindung sind, sondern bereits Jahrhunderte zuvor zum Teil sogar flächendeckend – etwa durch König Asoka in Indien – errichtet wurden.

Es gibt unterschiedliche Strömungen im modernen Humanismus.

Das ist eine relativ banale Feststellung, allerdings muss man dabei auch erwähnen, dass es im Christentum ungleich vielfältigere Strömungen gibt, was sich in der Existenz von zig-Tausenden von christlichen Sekten zeigt.

Wie alle, die modern sein wollen, grenzen sie sich von den dämlichen Vorfahren ab: Die Alten, die einen geprägt haben, waren nicht ganz zurechnungsfähig – wir Moderne sind es endlich!

Das finde ich jetzt ein bisschen albern und falls es ironisch gemeint sein sollte, trifft es den Punkt nicht.
Natürlich war das Wissen über historische Entwicklungen und über Zusammenhänge in der Natur sowie die Auseinandersetzung mit ethischen Konzepten in der Vergangenheit eingeschränkter als heute. Das ist eine neutrale Feststellung, die den Menschen der Vergangenheit aus ihrer Uninformiertheit keinen Vorwurf macht. Es bleibt zu hoffen und ist auch sehr wahrscheinlich, dass zukünftige Generationen ethisch verantwortlicher denken und handeln werden, als unsere Generation heute, d. h., dass im humanistischen Sinne fortschrittliches Denken, das es ja auch jetzt schon gibt, sich stärker durchsetzen wird als bisher.
Wenn man an die derzeitigen Zustände in den USA – aber auch in einigen anderen Ländern – denkt, kann man nicht anders, als einen Rückschritt in ethischer Hinsicht zu konstatieren.

Die kommenden Generationen werden aus einer Distanz heraus die Grundlagen des modernen Humanismus im Christentum klarer herausarbeiten können, weil sie denen, die eine solche heute benennen, hoffentlich nicht mehr dummes apologetisches Getue vorwerfen werden.

Als apodiktische Aussage wertlos, da ja ein Großteil theologischer Aussagen tatsächlich dummes apologetisches Getue sind, selbst wenn man William Laine Craig einmal außen vorlässt. Die Beispiele diverser, auch heute noch lebender Päpste, reichen für eine solche Einschätzung vollkommen aus.

Christlicher Anthropozentrismus betont den Menschen , weil er im Mittelpunkt des Handelns Gottes steht, wie auch die oben genannte Schöpfungsgeschichte betont …

… und stellt damit m. E. die schärfste Form menschlicher Hybris dar.
Sich einzubilden, dass das gesamte Universum einzig und allein zu dem Zweck geschaffen wurde, nicht nur den Menschen hervorzubringen, sondern praktisch ihn zu dienen (vgl. z. B. auch 1. Mose 9, 1-7 ), ist an Selbstüberschätzung und -erhöhung nicht mehr zu überbieten. (Möglicherweise die mit Abstand unheilvollste Behauptung der gesamten Bibel!)

Dass die Natur zu kurz kommt – das muss ich leider erwähnen. Hängt aber mit der Entwicklung des Menschen zusammen, dem die Natur eher als Macht erschien, die Angst hervorrief und überwunden werden musste.

Das ist für die Vergangenheit sicher richtig. Allerdings verhindert – zumindest erschwert – heute auch die „christliche“ Sicht auf die Welt, dass dieser Fehler behoben werden kann.

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