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Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 31.10.2018: https://blog.wolfgangfenske.de/2018/10/31/reformationstag-4/

Reformationstag - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 31. Oktober 2018

Martin Luther hatte seine Ecken und Kanten, an denen sich heute noch viele reiben. Man hat Charakterfehler entdeckt, logische Fehler, Übertreibungen usw. usw.

Martin Luther hat viele Traditionen aufgegriffen, stand fest in der Kirche seiner Vorfahren, hat sich also auch nicht alles selbst aus den Fingern gesogen.

Martin Luther stand auch nicht allein, sondern er hatte gute Mitstreiter und hat die Stimmung der Zeit getroffen und dadurch viele Anhänger bekommen.

Martin Luther, so empfanden viele, hat die sensible Einheit von Kirche und Kaiser zerstört und die evangelische Kirche den jeweiligen Lokalherrschern zugeführt. Den ersten Teil finden andere hingegen wieder klasse, weil dadurch die Moderne beginnen konnte.

Nicht gut ist, dass es zu einem so schmerzhaften Bruch zwischen zwei Konfessionen gekommen ist, wobei hier wie immer, nicht nur einem die Schuld zu geben ist, Martin Luther, sondern allen Konfliktparteien. Aber was trotz Schmerz gut ist: Die Kirche lernte wieder von unten zu denken, die Alleinherrschaft begann zu bröckeln, die Selbstherrlichkeit und die mit der Arroganz verbundene Unmenschlichkeit..

Das ist alles erforscht und liegt in vielen Büchern vor. Manchmal sogar werden Kanten aufgebauscht und in den Medien als üble Sensation verkauft.

Aber was ist für mich das Besondere an Luther?

Er hatte Mut, das im Glauben Erkannte durchzusetzen. Und er hat nicht seinen Privatglauben durchgesetzt, sondern hat ihn in Auseinandersetzung und Aufnahme der vielfältigen Stimmen der Kirche – in intensiver Aufnahme des Maßstabs: Das Neue Testament – durchgesetzt.

Er hat wieder pointiert und konzentriert das Wesentliche des christlichen Glaubens in Worte gefasst – in Aufnahme guter christlicher Tradition:

Allein Christus – allein Glaube – allein die Bibel und das alles durchdrungen von der leuchtenden Gnade Gottes. (Reformationstag 2014)

 

Diskussionsfaden
3 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
20. Juli 2018 um 19:22 Uhr

Martin Luther stand auch nicht allein, sondern er hatte gute Mitstreiter und hat die Stimmung der Zeit getroffen

Ich denke, es sollte richtiger heißen: „hat EINE Strömung der Zeit aufgegriffen.“
„Stimmungen einer Zeit“ gibt es nicht, hat es nie gegeben und wird es auch nie geben. Was als „Zeitgeist“ bezeichnet wird, ist ja keine eigenständige Entität, sondern einfach nur die Summe der Emotionen einer besonders lautstarken Gruppe, die sogar eine kleine Minderheit innerhalb einer Gesellschaft sein kann, die sich aber gegenüber der schweigenden Mehrheit Gehör verschafft.

Luther hatte wohl mehr als nur Ecken und Kanten, war in Teilen seiner Person sehr unduldsam. Aber darüber ist tatsächlich schon so viel – auch kontrovers – geschrieben worden, dass man das hier nicht ausdiskutieren kann.

Unbestritten aber ist in jedem Fall, dass Luther den Lauf der Weltgeschichte gewollt oder ungewollt – wahrscheinlich Letzteres – beeinflusst hat. Die Zeit war wohl auch reif dafür und hätte er es nicht getan, hätten früher oder später andere diesen Part übernommen. Die katholische Kirche hatte sich zu einer Eiterbeule entwickelt, die früher oder später geplatzt wäre, dank Luther wahrscheinlich früher.

Neben aller Kritik an seiner Person kommt m. E. Luther das große Verdienst zu, dass auch er den Weg bereitet hat für eine Menschheit, in der das Individuum aufgefordert ist, sich eigene Gedanken zu machen und nicht sklavisch dem zu folgen, was andere angeblich im Auftrag einer „höheren Macht“ ihnen oktroyieren. Das wird sein Vermächtnis bleiben und das kann ihm keiner nehmen.

Ob seine Handlungsweise allerdings „guter christlicher Tradition“ folgte, müsste aber noch belegt werden, denn diese Tradition bestand doch eher darin, gemäß dem Johanneswort (Joh 20, 29) dem Glauben, den der Vizegott in Rom vorgab, blind zu folgen.

 

Wolfgang Fenske
2. November 2018 um 17:27 Uhr

Es gab Traditionen – nicht zuletzt mit Blick auf das NT – die Quelle, die Luther aufsuchte. Und hier spielt das Individuum eine große Rolle. Traditionen zum Beispiel die christliche Mystik – die die christliche Individualität in der Gotteserfahrung erkannte. Die Individualität (gleichzeitig die Betonung der Gemeinschaft) spielt für Augustinus, auf den auch Luther bekanntlich gründete, eine Rolle, deutlich an den Confessiones/Bekenntnissen, der Autobiographie.

 

Holger Gronwaldt
3. November 2018 um 18:45 Uhr

spielt für Augustinus, auf den auch Luther bekanntlich gründete,

Es ist unbestritten, dass beide in der Geschichte ihren Platz haben, weil sie den weiteren Gang der Geschichte maßgeblich beeinflusst haben, wenn auch nicht immer zum Guten,

Ich würde aber so weit gehen zu sagen, dass beide heute nicht mehr als Vorbild taugen können, weil inzwischen jeder halbwegs gebildete Mensch ihnen dank der Philosophie der Aufklärung an ethischer Reife haushoch überlegen ist.
Der eine hat mit seinem Unfug der „Erbsünde“, der andere mit seinem Judenhass gleichzeitig großen Schaden angerichtet.

Es bleibt von daher auch völlig unverständlich, warum die rkK Augustinus immer noch als „Heiligen“ verehrt und seine Leeren [sic] zumindest in Teilen zum Dogma erhoben werden.

Um nicht missverstanden zu werden: ich greife nicht Augustinus als Person an, denn er war auch nur ein Kind seiner Zeit und kann ihm nicht zum Vorwurf machen, wenn er viele Dinge einfach nicht wusste und seine Philosophie auf dem aufbauen musste, was ihm an (vielfach falschem) Wissen zur Verfügung stand.
Seine Positionen heute aber noch teilweise als sacrosanct zu betrachten, halte ich für kritikwürdig.

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