Blog-Diskussionen

Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 01.11.2018: https://blog.wolfgangfenske.de/2018/11/01/unvollstaendige-gedanken-1/

Unvollständige Gedanken 1 - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 01. November 2018

Ein paar unvollständige Gedanken:

*

Zwei Grundmodelle: Wie kommt es, dass der Mensch versteht?

Modell a):
Es ist Zufall. Materie-Mensch hat sich entsprechend entwickelt. Zufall ist allerdings kein wissenschaftlich befriedigender Begriff – somit muss eine bestimmte Kausal-Kette dazu geführt haben. Wo findet sie ihren Anfang? Im Urknall oder erst irgendwo auf dem Weg der Entwicklung des Menschen? Dass diese Kausal-Kette nicht irgendwann zerrissen ist – auch Zufall? Upps – kein wissenschaftlicher Begriff. Übrigens: Glück ist auch keiner. Schicksal ebenso nicht.

Modell b):
Geistiges/Vernünftiges umfängt die Entwicklung des Materie-Menschen, sodass Materie überhaupt in die Lage versetzt wird, zu verstehen. Christen nennen das: Gottes Geist, also Gott.

Anmerkung: Woher kann man eigentlich (annähernd) wissen, was vernünftig ist und was nicht, wenn nichts Geistig-Vernünftiges vorausgegangen wäre? Alles, was logisch ist, ist vernünftig. Alles, was nicht logisch ist, ist unvernünftig? Das wäre eine traurige Welt. Aber: Wann ist etwas logisch, wann nicht? Welche Zeit ist der Maßstab, welche Gruppe, welche Reduktion von Welterfahrung?

Warum suchen manche etwas Logisches? Weil die Welt Logisches bietet? In welche Richtung wird sich die Materie logisch weiterbilden? Muss Materie sich so weiterbilden, dass wir es logisch nachvollziehen können? Naturgesetze waren von Anfang an – Chaos war als Teil der Naturgesetze auch von Anfang an. Momente der Ruhe im Chaos – lassen träumen von Konstanz. Naturgesetze bedeuten nicht, dass es aus menschlicher Perspektive kein Chaos geben kann, denn das Chaos ist auch Teil der Naturgesetze. Wie kommt aus dem Chaos der Naturgesetze ein Moment der Ruhe, der Ordnung – so wie der Mensch eben Ordnung versteht? Denn Chaos ist auch naturgesetzliche Ordnung.

Diese Frage beschäftigt den Menschen schon sehr lange. Schöpfungsmythen versuchen eine Antwort zu geben. Jüdisch-christlicher Glaube bekennt: Am Anfang steht der, der dem Chaos enthoben ist, der ganz Andere: Gott. Er ordnet die Naturgesetze so, dass Leben ermöglicht wird, dass der Mensch Verstand hat. Er ist nicht nur Schöpfer – er ist auch Erhalter.

 

Diskussionsfaden
25 Kommentare/ Antworten

 

caelo
1. November 2018 um 11:55 Uhr

Noch ein paar gedankliche Impulse dazu:
– Woher stammt die Energie, die für den Urknall nötig war?
– Wie kann sich Information selber bilden (siehe DNA)?
– Wie entsteht Bewusstsein?
– Wie entstand die erste Zelle?
– Ab wann beginnt „Materie“ zu leben?
– Warum kann der Mensch über seinen Erfahrungshorizont hinausdenken?
– Was ist „gut“ und was ist „böse“?
– Was ist Realität/ Wahrheit?

 

Holger Gronwaldt
3. November 2018 um 9:31 Uhr

Woher stammt die Energie, die für den Urknall nötig war?

Eine mögliche Antwort wäre Quantenfluktuation. Was das ist, kann allerdings nur jemand verstehen, der auch Quantenphysik versteht und das ist nur auf speziell ausgebildete Physiker zutreffend.

Es ergibt sich aber eine Gegenfrage: Wie sollte es einem hypothetischen Gott mögliche gewesen sein, unser Universum zu schaffen?

Durchaus möglich, dass wir weder die eine noch die andere Frage je werden beantworten können.

Wie kann sich Information selber bilden (siehe DNA)?

Hier liegt wahrscheinlich ein Kategorienfehler vor, denn der Informationsbegriff kann unterschiedlich gefasst werden.
Was der Informatiker unter Information versteht, ist etwas anderes als die „Information“, die in der Anordnung von Molekülbausteinen in DNA, RNA oder auch einem Eiweiß besteht.
Bei entsprechenden Bedingungen entstehen aus einfachen Ausgangsmaterialien (CO2, CH4, H2S, NH3, usw.) komplexere Moleküle. Das ist experimentell nachgewiesen. Einige dieser Moleküle können polymerisieren, d. h., sich zu längeren Ketten verbinden. Eine Kette aus unterschiedlichen Aminosäuren enthält notwendigerweise schon Information, völlig egal, wie sie angeordnet sind.
Ein weiterer Denkfehler besteht oft darin, dass angenommen wird, dass eine vorbestimmte Abfolge von Bausteinen von vornherein erforderlich ist und dann rechnet man aus, dass es völlig unwahrscheinlich ist, dass so etwas „zufällig“ entsteht. Doch das war nicht die Aufgabe. Es war nur ein, bzw. mehrere Moleküle erforderlich, die irgendwie besser funktionierten als die in ihrer Umgebung, um eine Entwicklung in Gang zu setzen.

Wie entsteht Bewusstsein?

Durch Emergenz. Ab einer bestimmten Komplexität des Gehirns ist Bewusstsein als eine Kombination aus Sinneswahrnehmung und Gedächtnis vorhanden. Selbstbewusstsein findet sich schon im Tierreich. So erkennen eine ganze Reihe von Tierarten etwa ihr eigenes Spiegelbild, d. h., sie wissen, dass sie es selbst sind, den sie sehen und nicht etwa nur ein Artgenosse.

Wie entstand die erste Zelle?

Das lässt sich mit wenigen Worten nicht beschreiben, aber mögliche Entstehungswege sind schon relativ gut untersucht und verstanden. Stichwort z. B. „Weiße Raucher“ oder allegemein „Abiogenese“.

Ab wann beginnt „Materie“ zu leben?

Sobald eine Urzelle Stoffwechsel betreiben und sich selbst duplizieren konnte.

Warum kann der Mensch über seinen Erfahrungshorizont hinausdenken?

Warum sollte er es nicht können? Die Komplexität unseres Gehirns lässt es zu. Sobald unsere Vorfahren im Tierreich dazu in der Lage waren, ergab sich ein Überlebensvorteil, der dann auf weitere Entwicklung dieser Fähigkeit hin selektierte.

Was ist „gut“ und was ist „böse“?

Was Menschen als gut und böse betrachten, ist weitgehend kulturabhängig und erst in der heutigen vernetzten Welt ist es möglich, eine allgemeine humane Ethik zu entwickeln.
Ein Absolutum kann es in einer komplexen Welt nicht geben, d. h., ein und dieselbe Handlung kann in verschiedenen Situationen einmal „gut“, unter anderen Umständen aber auch „böse“ sein, wobei aber beide Begriffe nicht ganz unproblematisch sind.
Falls Sie auf die Bibel abheben möchten, darin finden sich etliche Anweisungen JHWHs, die aus heutiger Sicht betrachtet, extrem „böse“ sind, z. B. das Töten von Kindern, Frauen und Greisen in einer eroberten Stadt oder die Versklavung anderer Menschen, usw. Die Bibel taugt nicht als Richtschnur für ein „gutes“ Leben.

Was ist Realität/ Wahrheit?

Realität ist die Gegebenheit allen Seins.
Über den Wahrheitsbegriff gibt es ganze Bibliotheken, kurz kann man aber definieren, dass Wahrheit die Übereinstimmung einer Aussage mit der Realität ist, wobei es nicht in jedem Fall leicht, manchmal sogar unmöglich ist, eine solche Übereinstimmung zweifelsfrei zu erkennen.

„Wahrheit“ im religiösen Sinn ist einfach nur eine hohle Phrase, weil eine Erkenntnis der Übereinstimmung prinzipiell nicht möglich ist und sich im Laufe der Geschichte immer wieder gezeigt hat, dass postulierte religiöse „Wahrheiten“ sich als grottenfalsch erwiesen haben.

P.S.: Ich hatte zu diesem Thread bereits einen Kommentar geschrieben, der aus irgendeinem Grund hier aber nicht erscheint. War er zu unbequem?

 

Holger Gronwaldt
6. November 2018 um 16:53 Uhr

Noch eine kleine Ergänzung:

Bei GEOkompakt gibt es eine neue Ausgabe zum Thema
„Ursprung der Erde“ und „Ursprung des Lebens“, wo einige der Fragen von caelo auf dem neuesten Stand der Wissenschaft beantwortet werden.

Die Lage ist doch so, dass die Naturwissenschaft zwar noch nicht alle Fragen beantworten kann, aber schon sehr viel mehr als noch vor wenigen Jahren, dass aber Kreationismus oder Unintelligent Design überhaupt keine Fragen beantworten können, denn „Das hat mein Gott so gewollt und gemacht.“ beantwortet in der Tat keine einzige Frage.

Hätten wir immer nur den Leeren der Religion vertraut, dann würden heute noch jedes Jahr Millionen von Menschen an vermeidbaren Infektionskrankheiten sterben, weil wir nichts über Hygiene wüssten. Nur ein Beispiel., dem man fast beliebig viele andere hinzufügen könnte, wo Wissenschaft Dinge klären kann, die für die Religionen grundsätzlich unverstanden bleiben müssen.

 

Wolfgang Fenske
7. November 2018 um 8:08 Uhr

Religion und Wissenschaft werden im jeweiligen religiösen Menschen zusammengeführt – von daher sind sie nicht zu trennen.
Ich verstehe, was Sie meinen. Doch ich denke, dass der Glaube daran, dass die Wissenschaft alle Fragen beantworten wird, auch Glaube ist, denn die Wissenschaft legt es nicht darauf an, ans Ende der Fragen zu kommen und weiß, dass jede „Antwort“ neue Fragen hervorruft, deren Antwort wiederum zuvor gemachte Antworten umwerfen kann.
Ich denke, dass Wissenschaft und christlicher Glaube immer stärker zueinander finden werden, da es nur eine Welt gibt und der Mensch, der nur begrenzt versteht, alles zerstückeln muss, um überhaupt etwas zu verstehen, Rahmen setzen muss, um das, was innerhalb des Rahmens ist, überblicken zu können. Je mehr Stücke er zusammenführen kann, je weiter der Rahmen ausgedehnt wird, desto plausibler wird der Zusammenhang von immanenter Welt und Bekenntnissen des Glaubens. Obgleich im Augenblick klar ist, dass beides zu vermischen nicht förderlich ist.

*

Das Beispiel Hygiene ist nicht besonders glücklich gewählt. Freilich wusste man nichts von Bakterien usw., weil die technischen Möglichkeiten fehlten. Aber gerade die jüdische Religion ist dafür bekannt, dass sie Hygiene sehr groß geschrieben hat. Sie hat sie religiös begründet – menschliche Erfahrungen wurden häufig religiös begründet, damit Menschen sie eher akzeptieren und davon gesundheitlich profitieren. Technische Entwicklungen sind Entwicklungen. Jede neue Entwicklung setzt neues Denken in Gang – damit auch eine fortschreitende Entwicklung. Was wir heute alles haben, ist Folge dessen, was unsere religiösen Vorfahren begonnen haben.
Die Frage ist, was wir daraus machen werden. Nicht alles ist bekanntlich von weitsichtiger Klugheit geprägt. Auch wir entwickeln uns weiter – und die Menschen nach uns auch, die sagen werden: Waren die im 20./21. Jahrhundert aber rückschrittlich! Sie hatten zwar keine Religion mehr, aber haben nicht mal gewusst, dass man mit Plastik vorsichtig sein muss, sie haben nicht einmal genug dagegen gemacht, Atombomben zu verschrotten!

*

Apropos Hygiene: Es gibt ja nicht nur körperliche Hygiene, sondern auch seelische und moralische Hygiene. Und diese hatten viele unserer religiösen Vorfahren mehr im Blick als viele unserer Zeitgenossen.

*

Schluss für heute!

 

Holger Gronwaldt
7. November 2018 um 13:36 Uhr

Ich denke, dass Wissenschaft und christlicher Glaube immer stärker zueinander finden werden, da es nur eine Welt gibt und der Mensch, der nur begrenzt versteht, alles zerstückeln muss, um überhaupt etwas zu verstehen …

Auch wieder einmal ein völliges non sequitur: Sie bedienen sich eines einfaches semantischen Tricks, indem Sie eine Aussage, die quasi „wahr“ ist, als Begründung für eine Behauptung heranziehen, dabei aber unterschlagen, dass zwischen Ihrer These und der wahren Aussage keinerlei Beziehung besteht. Ganz abgesehen davon, dass Sie eigentlich nicht hinter dieser Aussage stehen, weil es für Sie neben der realen Welt auch noch die Welt Ihres Gottes gibt, die nicht identisch sein können, weil Ihr Gott Ihrer Vorstellung nach transzendent ist, also über die Welt hinausweist.

Aber auch so ist Ihre These unhaltbar, denn die Geistesgeschichte zeigt ja, dass Wissenschaft und Glaube sich immer weiter voneinander entfernen, denn je mehr die Wissenschaft über die Welt in Erfahrung bringt, desto größer wird der Widerspruch zu den Behauptungen des christlichen Glaubens.

Der christliche Glaube scheitert ja schon am Problem der Theodizee, weil die Vorstellung vom allmächtigen und gütigen Gott, die eine zentrale These dieses Glaubens ist, der Wirklichkeit dieser Welt diametral entgegensteht.

Ihre These: “ Je mehr Stücke er zusammenführen kann, je weiter der Rahmen ausgedehnt wird, desto plausibler wird der Zusammenhang von immanenter Welt und Bekenntnissen des Glaubens.“ könnte deshalb nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein.

 

Wolfgang Fenske
15. November 2018 um 18:01 Uhr

Transzendenz berührt das, was ich sagte nicht. Transzendenz bleibt Transzendenz. Gott bleibt immer das Gegenüber. Aber: das Denken und Erforschen der Welt machen Fortschritte. Die Welt ist eine Einheit. Das Forschen zerfällt in viele kleine Einzeldisziplinen – aber dennoch ist das, was erforscht wird, eine Einheit. So sehe ich auch, dass der Glaube als Teil dieser Schöpfung, das Denken als Teil der Schöpfung, die Wissenschaft als Teil der Schöpfung sich alle um die eine Welt drehen, wir aber die Einheit noch nicht erkennen können. Das ist Zukunftsmusik. Klar.
ich denke daran, dass die Erkenntnis, dass mit dem so genannten Urknall eine ganz bestimmte Geschwindigkeit vorhanden war (sonst hätte sich nichts bilden können), dass dann der Abstand der Erde von der Sonne, der Neigungswinkel der Erde, die Erdatmosphäre, die Stellung der Planeten, die Besonderheit des Wassers usw. usw. – ich meine einmal gelesen zu haben, dass es 37 solcher Besonderheiten bedurfte, dass Leben überhaupt möglich ist… – und dann auch noch Welt beobachtendes, selbstbewusstes, denkendes Leben. Dass solche Beobachtungen der Wissenschaft in Menschen eine Offenheit für den Glauben herstellen können. Von daher ist Wissenschaft auch eine Art „Hebamme“ des Glaubens. Je mehr Wissenschaft herausfindet, desto stärker kann sie evtl. als eine solche Hebamme angesehen werden. Natürlich gibt es Sicherungen, die einen solchen Glauben verhindern sollen (die Fülle der möglichen Planeten, die Phantasien, dass es nur so von intelligenten Lebewesen wimmelt, die Multiversen, das alles könnte eben darauf hindeuten, dass es einfach nur Zufall ist, dass die denkenden Zweibeiner auf der Erde herumlatschen und sich wichtig nehmen).
Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt, leider werden wir das alles nicht mehr wahrnehmen können. Irgendein Regisseur hat einmal gesagt: Das einzige, was ich mir wünsche, in der Zukunft immer mal wieder die Erde besuchen zu können. Das wäre aus menschlicher Sicht schon was Feines.

 

Holger Gronwaldt
16. November 2018 um 10:53 Uhr

So sehe ich auch, dass der Glaube als Teil dieser Schöpfung, das Denken als Teil der Schöpfung, die Wissenschaft als Teil der Schöpfung sich alle um die eine Welt drehen, wir aber die Einheit noch nicht erkennen können. Das ist Zukunftsmusik. Klar.

Was soll daran klar sein? Wortgeklingel bringt keine Klarheit!
Denken und Wissenschaft sind Errungenschaften der menschlichen Kultur, Glaube ist ein Relikt aus den unreifen Kindertagen der Menschheit.
„Schöpfung“ ist ein theologischer Kampfbegriff, dem in der Realität aber nichts entspricht.
Der hypothetische „Schöpfer“ unseres Universums müsste ein ziemlicher Stümper sein, bei all den Fehlern, die in „seinem Werk“ auftauchen wobei die Theodizee nur das kleinste Problem wäre.

dass es 37 solcher Besonderheiten bedurfte, dass Leben überhaupt möglich ist… – und dann auch noch Welt beobachtendes, selbstbewusstes, denkendes Leben.

Gläubige zäumen hier das Pferd gern vom Schwanz her auf. Es ist ja nicht so, dass die Randbedingungen deshalb so sind, wie sie sind, damit das Universum Leben hervorbringen konnte. Es ist vielmehr so, dass ohne diese Bedingungen wir nicht hier wären, um darüber nachzudenken.
Innerhalb einiger Millionen Jahre wird die Erde wahrscheinlich wieder (zum wievielten Male?) mit einem anderen, größeren Himmelkörper kollidieren, der vielleicht so groß ist, dass er das gesamte Leben auf der erde auslöschen wird. Plan Ihres Schöpfers? Wollen Sie ihn dafür loben?

Dass solche Beobachtungen der Wissenschaft in Menschen eine Offenheit für den Glauben herstellen können.

Nur bei Menschen, die nicht hinreichend über den Lauf der Welt informiert sind und bei solchen, die „meinen, einmal gelesen zu haben“ …

Von daher ist Wissenschaft auch eine Art „Hebamme“ des Glaubens.

Nein, denn die Wissenschaft erweist sich immer mehr als Totengräber des Glaubens.
Wie Brecht sinngemäß im „Leben des Galilei“ sagen lässt: „Aufgabe der Wissenschaft ist es nicht, eine Tür zu öffnen der unendlichen Weisheit, sondern eine Grenze zu ziehen der unendlichen Dummheit“.
Möglicherweise hat er vergessen, vor „Dummheit“ das Wort „theologisch“ zu setzen, denn zu Zeiten Galileis beanspruchte die Religion die alleinige Deutungshoheit über das Weltbild und lag damit in den meisten Punkten falsch.
Interessant in diesem Zusammenhang, dass der größte Teil der Menschheit – darunter die Theologie – die eigentliche Kopernikanische Wende, nämlich die Erkenntnis, dass die Erde NICHT der Mittelpunkt des Universums ist, immer noch nicht verinnerlicht haben.
Nichts spricht dafür, das wir Menschen das Ziel der „Schöpfung“ sind, alle bekannten Fakten legen vielmehr nahe, dass wir eher ein rein zufälliges Zwischen-Produkt der Evolution sind, die auch einen grundsätzlich anderen Verlauf hätte nehmen können.
Falls wir es wieder Erwarten nicht schaffen sollten, noch in diesem Jahrhundert die Menschheit zu vernichten, wird die Evolution übrigens weiterlaufen. Ob unsere Nachkommen dann in ein paar Hunderttausend oder Millionen von Jahren immer noch glauben, dass sie die „Krone der Schöpfung“ seien, wage ich allerdings zu bezweifeln. Etliche Menschen wissen bereits heute, dass dies eine nahezu unerträgliche Anmaßung und auch Ursache für etliche Problem ist, mit denen wir uns heute herumschlagen.

 

Wolfgang Fenske
17. November 2018 um 10:17 Uhr

Ersetzen wir das Wort Schöpfung durch Naturwissenschaft. Naturwissenschaft geht es also nicht darum, diese vielen unterschiedlichen Schublädchen zusammenzuführen?

*

Das ist eben unsere unterschiedliche Sicht: Sie sagen: Alles Zufall – wie groß ist die Wahrscheinlichkeit? – ich sage. Nicht alles Zufall. Und da stehen wir nun mit unserem jeweiligen Weltbild. Und es ist keiner da, der außerhalb unserer Weltbilder steht und sagen kann: So ist alles zu sehen. Manche maßen sich freilich an, ihre Sicht für alle verbindlich zu erklären – nicht nur in den Religionen.

*

Apokalypse ist keine moderne wissenschaftliche Sicht. Der Unterschied: Nicht glaubende Wissenschaftler sagen: Alles kaputt. Glaubende Menschen sagen: In Gott aufgehoben. Wofür wird Gott gelobt? Dafür, dass er seine Schöpfung vollenden wird.

*

Dass der Fall „Galilei“ heute anders beurteilt wird, dürfte sich herum gesprochen haben.

*

Und einfach einen nicht christlichen Schriftsteller als Beleg für irgendwas heranzuziehen – nun denn. Ich könnte auch christliche Schriftsteller für gegenteilige Aussagen heranziehen. Brecht ist kein Beleg. Er ist parteiisch. Nicht einmal Naturwissenschaftler ist er. Anhänger einer Ideologie bzw. eines Systems, das dem materialistischen Marxismus/Kommunismus huldigte. Auch wenn man heute darüber streiten mag, wie tief er sich mit dem System arrangierte. Dass die Evolution weiter geht, dass Menschen – gerade auch diejenigen, die sich als alles logisch und wissenschaftlich durchschauende Menschen ansehen, sich selbst als Mittelpunkt der Welt ansehen, ist klar. Sonst würden sie nicht so radikal Menschen mit anderer Sicht angehen. Aber das liegt eben an uns Menschen. Wir haben Sinne. Ich habe Sinne. Die Sinne sagen mir – als Individuum: Du bist das Zentrum – in mir läuft alles zusammen: Sehen, hören, schmecken, tasten, riechen – ich interpretiere aufgrund meiner Sinne die Welt, meines Denkvermögens und meiner von der Tradition übernommenen Vorgaben – bzw. auch in bewusster Abgrenzung von ihnen. Von daher kann es nicht ausbleiben, dass wir als Individuen und als Menschen so wichtig nehmen. Wir sind es auch. Denn wenn wir es nicht tun, was machen wir dann mit den anderen Menschen? Was machen wir dann mit der Umwelt? Denn das haben wir ja erkannt: Die Umwelt machte den Menschen Angst – darum musste er sie beherrschen. Nun beherrscht er sie in der Neuzeit (ein wenig) und er merkt, wie abhängig er von ihr ist, und so muss er zurückrudern – eben, um sich selbst zu erhalten. So macht er sich dann als erhaltender Herrscher wieder sehr dominant. Wir können nicht über unseren Schatten springen.

 

Holger Gronwaldt
18. November 2018 um 22:59 Uhr

Naturwissenschaft geht es also nicht darum, diese vielen unterschiedlichen Schublädchen zusammenzuführen?

DIE Naturwissenschaft gibt es ja nicht, also kann sie auch keine definiertes Ziel haben.
Die verschiedenen Naturwissenschaften arbeiten daran, etwas über die reale Welt herauszufinden. Dass sich ihre Ergebnisse in aller Regel nicht widersprechen, ist u. a. ein Kriterium dafür, dass die Erkenntnisse die Realität zutreffend abbilden.
Das sieht bei den Religionen ganz anders aus, da hat jede einzelne auch ihre eigene „Realität“, sprich deutet den „Willen“ ihres jeweiligen Gottes völlig unterschiedlich. Geht ja auch nicht anders, da jeder dieser Götter ein reines Fantasieprodukt ist und man ihm jeden „Willen“ unterschieben kann, der den eigenen Absichten förderlich ist.
Die größte Gemeinsamkeit der Religionen liegt wohl darin, dass bei Androhung von Strafe die Gläubigen dem jeweiligen Gott gehorchen müssen und die Priesterschaft erzählt ihnen dann, worin der Gehorsam besteht. So hat Religion schon immer funktioniert und so tut sie es heute auch noch.

ich sage. Nicht alles Zufall.

Das sage ich auch. An einigen Stellen wurde die Entwicklung zufällig in eine bestimmte Richtung gelenkt, dann aber bestimmten die Gegebenheiten, wie es weiter lief. Nachdem z. B. unsere Vorfahren den aufrechten Gang erworben hatten, waren die Weichen für viele weitere Neuerungen gestellt.

Und es ist keiner da, der außerhalb unserer Weltbilder steht und sagen kann: So ist alles zu sehen.

Das mag für Details sicherlich zutreffen, aber wenn jemand (nicht Sie!) ein allzu verschrobenes Weltbild hat, dann kann man schon objektiv zeigen, dass er daneben liegt.
In den USA gab es z. B. gerade eine „Konferenz“
von Christen, die überzeugt sind, dass die Erde in Wirklichkeit flach ist, weil es sich so aus der Bibel ableiten lässt. Gibt es dafür eine andere angemessene Reaktion als Hohn und Spott?

Apokalypse ist keine moderne wissenschaftliche Sicht.

Apokalypse ist überhaupt keine wissenschaftliche Sicht, denn sie bedeutet, dass das Ende unausweichlich vorherbestimmt ist.

Wissenschaftler sagen: Alles kaputt.

Sagt wer zum Beispiel?

Wofür wird Gott gelobt? Dafür, dass er seine Schöpfung vollenden wird.

Das ist ein ungedeckter Wechsel. Diese Endzeiterwartung gibt es seit fast 2000 Jahren und sie hat sich immer als Luftnummer erwiesen. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund anzunehmen, dass das in Zukunft anders sein könnte.

Dass der Fall „Galilei“ heute anders beurteilt wird, dürfte sich herum gesprochen haben.

Das tut jetzt ein bisschen weh, denn ich sprach nicht vom „Fall Galilei“ sondern vom Theaterstück, das Brecht verfasst hat und zitierte sinngemäß einen Satz daraus.
Ich hatte auch nicht die Absicht, für Brecht eine Lanze zu brechen, sondern wollte nur diese eine Aussage als durchaus zutreffend hervorheben.
Denn tatsächlich ist es ja so, dass die Wissenschaften mit vielen Irrtümern der Vergangenheit aufgeräumt haben, mit denen der Religion und auch immer wieder mit den eigenen. Auch das unterscheidet Wissenschaft von Religion: die Wissenschaften sind selbstkorrigierend, sie merken früher oder später, wenn sie erkenntnismäßig in eine Sackgasse laufen und können dann wieder umkehren, während die Religionen auf Gedeih und Verderb an ihrem Unsinn von vorgestern festhalten müssen, um nicht „unglaubwürdig“ zu werden.

dass Menschen – gerade auch diejenigen, die sich als alles logisch und wissenschaftlich durchschauende Menschen ansehen, sich selbst als Mittelpunkt der Welt ansehen, ist klar.

Das ist überhaupt nicht klar. Als Mittelpunkt der Welt kann sich nur noch derjenige betrachten, an dem die Erkenntnisse der Wissenschaften über den Aufbau des Universums vorüber gegangen sind und der innerlich immer noch die Erde und mit ihr den Menschen als das sieht, worum sich ALLES andere dreht.

Auf den Rest gehe ich jetzt nicht ein, da stecken zu viele Ungereimtheiten drin, die man mit wenigen Sätzen nicht gerade rücken kann.

 

Wolfgang Fenske
24. November 2018 um 13:45 Uhr

Apokalypse in dem Sinn: Dass die Erde und das Leben auf der Erde zerstört wird. Das ist auch Wissenschaft nicht so fremd.

*

Leute, die wirklich meinen, die Erde sei flach – nun denn, dafür finde ich keine Worte. Sie kümmern mich wirklich nicht. Ehrlich gesagt, sie tun mir nicht einmal Leid. Sollte es vielleicht.

*

Auch Religion verändert sich – auch wenn manche Religiöse meinen, sie würde es nicht tun. Denn sie interpretieren sie ja aus ihrer jeweiligen Zeit heraus – damit eben verändert sich auch ihr Blick. Ohne dass sie es vielleicht merken, weil sie ihre Welt nicht reflektieren. Aus christlicher Perspektive: Christen leben mit Christus in einer Beziehung. Und damit ist schon Veränderung automatisch mitgegeben. Die Frage ist nur: Versuchen sie es immer zurückzubinden an Tradition, an der Gemeinschaft usw. Das ist zu raten, damit man nicht in einer Privatreligion – kurz: Sekte – versumpft.

*

Der denkende Mensch sieht sich und sein Denken als Zentrum an – auch wenn er dann denkt, er ist im Gesamtkosmos ja nur ein Nichts.

*

Leider muss ich jetzt schleunigst meine Reaktionen beenden. Tut mir echt Leid. Ich wünsche allen, die das lesen, einen angenehmen Sonntag.

 

Holger Gronwaldt
16. November 2018 um 13:30 Uhr

Natürlich gibt es Sicherungen, die einen solchen Glauben verhindern sollen (die Fülle der möglichen Planeten, die Phantasien, dass es nur so von intelligenten Lebewesen wimmelt, die Multiversen, das alles könnte eben darauf hindeuten, dass es einfach nur Zufall ist, dass die denkenden Zweibeiner auf der Erde herumlatschen und sich wichtig nehmen).

Ich fürchte, hier werfen Sie einiges durcheinander: In der Wissenschaft geht es nicht darum, einer bestimmten Ideologie den Weg zu ebnen, sondern heraus zu finden, wie das Universum beschaffen ist. zudem wird streng zwischen Fakten, Hypothesen und Spekulation unterschieden.
Dass es allein in unserer Milchstraße Millionen bis Milliarden von Planeten gibt, lässt sich kaum noch abstreiten, wie viele davon Leben tragen könnten, ist unbekannt und dass darunter häufiger intelligentes Leben sein könnte, wird durch das so genannte Fermi-Paradoxon unwahrscheinlich.
Die Existenz von Multiversen ist ein spekulativ.
„Sicherungen, die einen solchen Glauben verhindern sollen“, gibt es bestimmt nicht in der Wissenschaft, höchstens als Privatmeinung derer, die ein Gegengewicht zu den wilden Spekulationen der Theologen anstreben.
Tatsache ist jedenfalls, dass das althergebrachte Weltbild der Religion, dass ein „Gott die Schöpfung wunderbar eingerichtet“ habe, von den Erkenntnissen der Wissenschaft nahezu vollständig widerlegt ist, denn so erweist sich unser Universum nicht.
Ja, dass Homo sapiens das Rennen um die Vorherrschaft auf der Erde gemacht hat, verdanken wir in der Tat einer Reihe von Zufällen, angefangen beim Meteoriteneinschlag vor ca. 65 mio Jahren, über klimatische Veränderungen (Versteppung Ostafrikas) bis hin zum zufälligen Entkommen von zahlreichen Bedrohungen, die die seinerzeit noch sehr kleine Zahl unserer Vorfahren auch auf Null hätte schrumpfen lassen können.

Das einzige, was ich mir wünsche, in der Zukunft immer mal wieder die Erde besuchen zu können.

Wer würde sich das nicht wünschen. Allerdings müsste man dann auch darauf gefasst sein, eine Zukunft anzutreffen, die so gar nicht unseren Idealvorstellungen entspricht.

 

Wolfgang Fenske
17. November 2018 um 9:44 Uhr

Genauso sollte Wissenschaft arbeiten – was den Grundsatz angeht. Denke ich auch. Nur, wenn man von vorneherein abstreitet, dass die eine Welt, die Wissenschaft und Religion beschreiben, nie zusammenkommen können, weil Religion und Wissenschaft nicht kompatibel sind, wird der Wissenschaft eine Richtung vorgegeben.

*

Der Seitenhieb auf Theologie musste ja kommen – wie das Amen in der Kirche. So eine Art atheistisches Amen. Theologie findet auf einer Erfahrungsebene statt. Entsprechend wird auch hier diskutiert, untersucht, geforscht, um Antworten gerungen.
Es gibt nicht nur die Wissenschaftliche Weltdeutung. Es gibt unzählige Deutungen. Vielfalt des Menschen… – einer anthropologischen Monokultur, in der ein paar bestimmen, was gelten soll, was nicht, reden hoffentlich nur wenige das Wort.

 

Holger Gronwaldt
18. November 2018 um 22:19 Uhr

Nur, wenn man von vorneherein abstreitet, dass die eine Welt, die Wissenschaft und Religion beschreiben, nie zusammenkommen können, weil Religion und Wissenschaft nicht kompatibel sind, wird der Wissenschaft eine Richtung vorgegeben.

Wenn man dagegen unterstellt, DASS sie zusammen kommen können, weist man der Religion eine Rolle zu, die sie niemals wird ausfüllen können.
Ich stelle einfach mal die Frage, was denn mehrere Tausend Jahre Religionsausübung zur Welterkenntnis beigetragen haben.
Die Antwort gibt es auch dazu: weniger als nichts, weil die Wissenschaft erst den Müll wegräumen musste, den die Religionen über die Jahrtausende angehäuft haben.
Und im Katholizismus und Islam wird der Müllhaufen noch fleißig vergrößert, weil man meint, auf moderne, komplexe Probleme die Antworten von gestern und vorgestern zu haben.

Theologie findet auf einer Erfahrungsebene statt.

Nein, Theologie findet so gut wie ausschließlich auf der Illusionsebene statt.

Es gibt nicht nur die Wissenschaftliche Weltdeutung.

Das ist nicht zu bestreiten, allerdings lässt nur die wissenschaftliche Weltdeutung eine Überprüfung an der Realität zu und kann dadurch korrigiert werden, wo sie falsch ist. Bei anderen „Methoden“ der Weltdeutung ist das nicht möglich.

– einer anthropologischen Monokultur, in der ein paar bestimmen, was gelten soll, was nicht, reden hoffentlich nur wenige das Wort.

Ich bestimmt nicht, aber was ist mit dem Vizegott und seinen Vasallen in Rom? Das ist doch ein klassisches Beispiel dafür, dass einige wenige für Milliarden von Menschen bestimmen wollen, wie sie die Welt zu sehen haben. Und liegen erfahrungsgemäß damit total daneben. 🙂

 

Wolfgang Fenske
2. Dezember 2018 um 9:11 Uhr

Ich muss mal ein wenig sarkastisch werden: Welterkenntnis beginnt mit den modernen Naturwissenschaften? Die jüdisch-christliche Religion hat im Westen die Naturwissenschaft ja erst forciert dadurch, dass sie eine neue Sicht brachte. So ist nicht die Welt voller Geister – sie ist von Gott erschaffen worden – Folge: Man hat keine Angst mehr, sie zu untersuchen. Und dann kamen andere Schritte dazu… – so dass man heute eben die gegenwärtige Sicht auf Naturwissenschaften hat. (Die alten Griechen haben natürlich auch Unschätzbares dazu beigetragen – aus ihrer jeweiligen religiösen Weltinterpretation heraus.) Bis heute sind Naturwissenschaften und Religion ja nur in einzelnen Menschen zumindest theoretisch zwei Kontrahenten. Diese Trennung: Hier Religion – da Naturwissenschaft funktioniert nur theoretisch. Wenn es bei Ihnen gut klappt – ok. Aber das ist ja nicht die Regel. Auch Naturwissenschaftler sind mehr als eben roboterartige Naturwissenschaftler. Sie sind Menschen mit all ihren Fragen, Problemen, Alltagserfahrungen… Was hilft mir das Wissen um Hormone, wenn ich auf einmal anfange zu lieben – wirklich zu lieben. Was naturwissenschaftlicher bzw. humanistisch/atheistischer Müll ist, werden auch kommende Generationen klarer erkennen. Denn schon gegenwärtig erkennen so manche Atheisten, dass Hardcore-Atheismus dem Menschen nicht gerecht wird. Abgesehen davon: ich weigere mich, auch menschliche Irrwege als Müll zu bezeichnen. Es sind notwendige Irrwege bzw. Irrwege, die nur im Rückblick als solche interpretiert werden können. Manchmal erkennt man schon als Zeitgenosse, was Müll ist – aber leider erlebt man es nicht mehr, dass die Mehrheit das auch so sieht. Was Müll ist, was nicht – das ist eine Frage der Diskussion – nicht eine Frage persönlicher Aversion.

*

Schuld sind immer die anderen! Das hat schon Adam so gesehen: Eva war´s. Das hat Eva auch so gesehen: die Schlange war´s… Jetzt nageln Sie mich bitte nicht darauf fest, nach all dem, was ich im letzten Jahr gesagt habe, dass ich sagen würde, Adam und Eva hätten das gesagt. In dem Mythos der Welterklärung von Genesis 2ff. hat man den Menschen schon wunderbar durchschaut, dass selbst ein Humanist der Gegenwart die Schuld bei den anderen sieht – eben im Vatikan, der sowieso an allem Schuld ist. Abgesehen von Trump.

*

Aber ich finde es schön, dass Sie neutral von Weltdeutungen reden können, ohne sie gleich in die Pfanne zu hauen. Damit haben Sie die umfassende Wirklichkeit im Blick – nicht nur die rationale und messbare Realität. (Dazu s. in einem der Kommentare mehr.)

 

Holger Gronwaldt
16. November 2018 um 14:06 Uhr

@caelo

Woher stammt die Energie, die für den Urknall nötig war?

Die Antwort darauf steht noch aus, die Physik arbeitet dran, aber auch ein Gott hätte sie wohl nicht so einfach aus dem Nichts schaffen können.

Wie kann sich Information selber bilden (siehe DNA)?

Hier liegt ein Kategorienfehler vor, denn die „Information“, die sich in der DNA manifestiert, ist etwas anderes, als was wir heute unter Information verstehen.
Die zufällige Aneinanderreihung von Nukleinbasen ermöglicht die Synthese eines bestimmten, von der Basenreihenfolge abhängigen, Peptids. Kann ein solches Peptid eine nützliche Funktion in der Urzelle ausführen, überlebt es mit der Zelle, kann sich verändern, verlängern und setzt so eine weitere Entwicklung in Gang.

Wie entsteht Bewusstsein?

Bewusstsein entsteht ab einer gewissen Komplexität des Gehirns, wie man sie auch schon bei höheren Säugetieren und evtl. bei einigen Vogelarten vorfindet. Ohne ein entsprechendes Gehirn kein Bewusstsein. Zerstört man Teile des Gehirns, (ver)schwindet auch das Bewusstsein.

Wie entstand die erste Zelle?

Vermutlich als Endprodukt einer chemischen Evolution an so genannten „weißen Rauchern“. Die Erforschung der Abiogenese hat in letzter Zeit große Fortschritte gemacht. Weitere Einzelheiten sind problemlos im Internet zu finden und eine gute Zusammenfassung liefert die neue GEOkompakt Ausgabe zum Thema „Ursprung der Erde“ und „Ursprung des Lebens“

Ab wann beginnt „Materie“ zu leben?

Sobald sich Moleküle gebildet haben, die sich aus einfacheren Bausteinen selbst reproduzieren können. Es bleibt aber eine Frage der Definition, ob nicht noch auch eine Zellmembran und Stoffwechsel dazu gehören sollten.

Es ist nun einmal so, dass Elemente wie Kohlenstoff die Eigenschaft haben, bei ausreichender Energiezufuhr zusammen mit Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel komplexe Verbindungen zu bilden, wie man leicht in entsprechenden Experimenten nachweisen kann. Daran ist nichts Geheimnisvolles, sondern lässt sich problemlos auf der atomaren und molekularen Ebene erklären.
Treffen geeignete Moleküle aufeinander, können daraus auch komplexere Systeme entstehen.
Offensichtlich war es wohl einfacher, dass sich aus organischen Molekülen die ersten Zellen bildeten, als der Übergang vom Einzeller zum Mehrzeller. Erster Schritt dauerte nur wenige Hundert Millionen Jahre, der zweite Schritt über 3 Milliarden Jahre.
Das ist m. E. auch ein großes Problem, wenn man von einem Schöpfergott ausgeht: warum ging die Lebensentstehung so schnell, dann dümpelten Milliarden von Jahren Einzeller vor sich hin und in dem sich anschließenden, vergleichsweise kurzen, Zeitraum von rund 500 Millionen Jahren entstand dann die ganze Vielfalt des Lebens, wie wir sie heute kennen?
Alter der Erde: ca. 4,5 Mrd. Jahre
Erstes Leben: vor 3,8 Milliarden Jahren
Vielzeller: vor 600 – 500 Millionen Jahren.

Warum kann der Mensch über seinen Erfahrungshorizont hinausdenken?

Das können ja nicht nur Menschen, sondern alle Lebewesen, deren Gehirn komplex genug für eine solche Aufgabe ist.

Was ist „gut“ und was ist „böse“?

Das ist so pauschal nicht definierbar, weil es weitestgehend kulturabhängig ist, was so anzusehen ist.
Allgemein könnte man vielleicht sagen, „gut“ ist, was dem Einzelnen und der ihn tragenden Gemeinschaft nützt, „böse“, was ihnen schadet. Problem ist nur, bei benachbarten Gruppen könnte das, was für eine Gruppe gut ist, für die andere böse sein.
Dass die Religionen hier keine Hilfe sein können, zeigt ein Blick in die Bibel, wo einige Gebote des Gottes im AT nach heutigem Maßstab ausgesprochen böse sind, z. B. das Abschlachten ganzer Völker, nur um deren Land einzuheimsen oder das Töten der eigenen Kinder, wen sie nicht gehorsam sind.
Auch etliche Aussprüche die Jesus zugeschrieben werden, müssen heute als böse angesehen werden, etwa Mt 10, 34-38, um nur ein Beispiel zu nennen.

Was ist Realität/ Wahrheit?

Realität ist die Gegebenheit allen Seins.
Über den Wahrheitsbegriff gibt es ganze Bibliotheken, kurz kann man aber definieren, dass Wahrheit die Übereinstimmung einer Aussage mit der Realität ist, wobei es nicht in jedem Fall leicht, manchmal sogar unmöglich ist, eine solche Übereinstimmung zweifelsfrei zu erkennen.

Philosophisch betrachtet kann man sicherlich ganze Bücher darüber verfassen, was mit mitunter zweifelhaften Ergebnissen auch schon geschehen ist.
Praktisch gesehen ist Wahrheit die Übereinstimmung mit der Realität und Realität ist die Gegebenheit der materiellen Welt mit ihren physikalischen Gesetzen.

 

Wolfgang Fenske
17. November 2018 um 9:34 Uhr

Dass alles so einfach ist – das muss sich wohl noch in der Wissenschaft herumsprechen.

 

Holger Gronwaldt
18. November 2018 um 22:07 Uhr

Dass alles so einfach ist

behauptet wer?

Einfach ist es sicherlich, dem Diskussionsgegenüber Dinge zu unterstellen, die er gar nicht gesagt hat.

Viel einfacher als meine Position ist sicherlich die von caelo:
„Ich kann es mir nicht erklären, also hat es mein Gott so gewollt und gemacht.“
Das ist doch logisch, oder?

Aber warten wir ab, vielleicht hat er ja auch noch etwas dazu zu sagen.

 

Holger Gronwaldt
1. November 2018 um 13:56 Uhr

Modell a): Es ist Zufall.

Behauptet wer?

Woher kann man eigentlich (annähernd) wissen, was vernünftig ist und was nicht, wenn nichts Geistig-Vernünftiges vorausgegangen wäre?

Non sequitur! Sie sollten sich einmal mit dem Prinzip der Emergenz befassen.
Hierzu gibt es übrigens einen erhellenden Vortrag von Harald Lesch:
https://www.youtube.com/watch?v=T0-8tzdHEo0

Schöpfungsmythen versuchen eine Antwort zu geben.

Leider ein Versuch, der kläglich gescheitert ist, ja, scheitern musste, weil das Wissen der damaligen Zeit auch nicht annähernd ausreichte, eine adäquate Antwort auf diese ja sehr sinnvolle Frage zu geben.
Auch heute haben wir noch nicht alle Antworten, aber die Wissenschaft arbeitet dran und hat im Zuge dieser Arbeit so manchen Mythos ad absurdum geführt.

Gott. Er ordnet die Naturgesetze so, dass Leben ermöglicht wird, dass der Mensch Verstand hat.

An diesem Punkt irrt der jüdisch-christliche Glaube, denn selbst wenn man einen Schöpfergott unterstellt, für den es ja nicht den geringsten Beleg gibt, folgt aus den Anfangsbedingungen des Universums, unseres Sonnensystems und der Erde keineswegs der Mensch.
Es ist gut möglich, dass ohne den Meteoriteneinschlag vor 65 Millionen Jahren, der die Vorherrschaft der Dinosaurier beendete, Säugetiere und in der Folge der Mensch sich niemals so hätten entwickeln können.

Er ist nicht nur Schöpfer – er ist auch Erhalter.

Das ist kompletter Unfug, der durch die Geschichte des Lebens auf der Erde eindeutig widerlegt wird, denn über 99% aller Arten, die es jemals auf der Erde gegeben hat, sind auch wieder ausgestorben. Und allein im letzten Jahr hat nach Ihrer Lesart Ihr „Erhalter“ über 700.000 Menschen durch Naturkatastrophen umgebracht.
Da noch von „Erhaltung“ zu sprechen ist die typische Art von Zynismus, die Theologen offensichtlich „auszeichnet“.

 

Holger Gronwaldt
7. November 2018 um 9:27 Uhr

Hier fehlt ein Kommentar von mir. Ich war auf caelos „Impulse“ eingegangen.

Wenn nicht genehme Beiträge von mir kommentarlos gelöscht werden, verzichte ich in Zukunft auf weitere Beiträge.

Deshalb warte ich vor einer Antwort erst einmal ab, ob meine Antwort auf caelo noch auftaucht.

Meine Zeit ist mir zu schade, um für den Papierkorb zu schreiben.

 

Wolfgang Fenske
15. November 2018 um 18:05 Uhr

Lieber Herr Gronwaldt, Sie haben vielleicht in diesem Jahr unserer Diskussion wahrgenommen, dass ich keinen mir „nicht genehmen“ Beitrag gelöscht habe. Treu und brav gehe ich auf alles ein – allerdings hapert es vielfach an Zeit. Manche stelle ich zurück, um sie ausführlich behandeln zu können, aber eben: Zeit, Zeit, Zeit. Ich muss gestehen, ich benötige eine Woche Zeit, um die angelaufenen Kommentare angemessen mit Antworten würdigen zu können. keiner schenkt sie mir.

 

Holger Gronwaldt
16. November 2018 um 10:58 Uhr

Lieber Herr Fenske,

dann ist mein Beitrag aus einem anderen Grund im Nirwana verschwunden, schade.

Mal sehen, ich werde versuchen, ihn zu rekonstruieren, denn ich denke, caelos kreationistische Thesen sollten nicht unwidersprochen bleiben.

 

Holger Gronwaldt
7. November 2018 um 14:16 Uhr

Doch noch ein paar Gedanken:

Hätte ein Gott das Universum für den Menschen geschaffen, warum sind dann 99,9999999…% davon für uns Menschen und für Leben überhaupt absolut tödlich?

Hätte ein Gott die Evolution gelenkt, warum hat es dann rund 3 Milliarden Jahre gedauert, bis aus der ersten Zelle mehrzellige Lebewesen entstanden sind?

Wenn das Bewusstsein keine Funktion des Gehirns ist, wieso verlieren Menschen dann Teile ihres Bewusstseins, wenn Teile ihres Gehirns geschädigt sind?

Warum sollten „gut“ und „böse“ absolute Kategorien sein, wenn bestimmte Verhaltensweisen – abhängig von den Umweltbedingungen -einfach für das Überleben einer Gesellschaft notwendig sind? War es „böse“, wenn früher die Inuit alte und kranke Menschen zum Sterben auf dem Eis ausgesetzt haben? Wäre es besser gewesen, die ganze Gruppe hätte gelitten, weil die Pflege dieser Personen Kräfte gebunden hätte, die für das Leben der ganzen Gruppe notwendig waren, z. B. zur Nahrungsbeschaffung?

Sind Realität und Wahrheit etwas, deren Verständnis man durch das Lesen alter Bücher, die viele Unwahrheiten enthalten, näher kommen kann?

„Glaube ist Angst, die sich als Tugend ausgibt.“

 

Wolfgang Fenske
15. November 2018 um 17:38 Uhr

Warum sollte Gott… – warum nicht? Wir haben keinen Standpunkt Gottes, wir stehen nur staunend und fragend auf unserer winzigen Erde.
Warum hat es so lange gedauert…? Weil Gott allem Zeit lässt, vielleicht? Auch hier: Wir stehen nur staunend da mit unserem kleinen großen Verstand und sehen und forschen…
Warum sollte das Bewusstsein nichts mit unserem Gehirn zu tun haben? Diese Anmerkung habe ich nicht verstanden. Im Hirn läuft ja weitgehend alles zusammen – entsprechend kommuniziert Gott auch über unser Gehirn mit uns. Wie sonst sollte er es tun? Gibt es ein Körperbewusstsein, ohne dass das Hirn dabei involviert ist? Wird vielleicht noch entdeckt werden – oder wurde es schon entdeckt?

*

Was gut und böse betrifft: böse ist normalerweise das, was asozial ist. Was asozial ist, bestimmt im Grunde die jeweilige Kultur in der jeweiligen Zeit. So ist das menschlich. Dann gibt es aber aus der Sicht des Glaubens grundsätzliche Verhaltensweisen, die nicht mit dem Willen Gottes kompatibel sind – und Glaubende müssen je zu ihrer Zeit herausfinden, wie sie damit umgehen. Nehmen wir die Kindesaussetzung in der Antike. Sie war, soweit ich sehe, weitgehend gängige Praxis. Juden und Christen haben die Findelkinder aufgenommen, weil sie die Aussetzung als etwas ansahen, das nicht mit dem Willen Gottes übereinstimmt. Obgleich sie arm waren, konnten sie diese manchmal über Ammen ernähren. Sie haben also Wege gefunden, diese Kinder trotz materieller Einschränkung zu versorgen (so gut es eben mit den damaligen Mitteln möglich war). Wie christliche Inuit mit dieser Frage umgegangen sind, weiß ich nicht. Vielleicht wie die Tradition, vielleicht auf neue Art? Aber wir stehen immer vor den Herausforderungen. Wie gehen wir mit diesen sozialen Fragen um, die nicht mit dem Willen Gottes zusammenpassen. Interessant finde ich, dass Sie das Thema Umgang mit Alten erwähnen, weil ich zurzeit mal wieder mit Singer beschäftigt bin und seinem theoretischen Umgang mit ungeborenen und geborenen Behinderten. Aus christlicher (und soweit ich sehe aus so mancher atheistischer Sicht) ist das nicht annehmbar. Soll das Verhalten der Inuit Maßstab werden für unsere Gesellschaft, wenn sie wieder verarmt? Ich denke, dass auch der Umgang mit behinderten Ungeborenen und Alten Menschen menschlich im wahrsten Sinn des Wortes gestaltet werden kann, wenn man nur will. Der christliche Glaube, so er ernst genommen wird, zwingt im Grunde dazu, Wege zu suchen – nicht den einfachsten Weg zu gehen. Das heißt: Er zwingt dazu, nicht über die Leichen der Schwächsten einer Gesellschaft zu gehen. (Ich denke, Sie finden wieder viele Beispiele aus der 2000 jährigen Kirchengeschichte, in der die Kirche dem Anspruch Jesu nicht gerecht wurde. Und dann kann ich auch weitere solcher Fälle beisteuern. Versagen bedeutet aber nicht, dass der grundsätzliche Ansatz richtig ist und dass sich auch viele Menschen dem Willen Gottes entsprechend verhalten haben. Christen nennen das bekanntlich Sünde, wenn Christen nicht dem Maßstab, den Jesus verkündigte, entsprechen. Und so ist das auch Sünde gegenüber Menschen und Gott, wenn Christen versagen – und auch bis in die Gegenwart hinein massivst versagen. Spannend finde ich das auch mit Blick auf die strukturelle Schuld: Man nimmt das Versagen nicht wahr, obgleich man es wahrnehmen könnte, man verteidigt sein Versagen, weil man zu wenig aus der Gottesbeziehung heraus lebt. Aber das alles ist wieder ein anderes Thema.

 

Holger Gronwaldt
16. November 2018 um 10:29 Uhr

Warum sollte Gott… – warum nicht? Wir haben keinen Standpunkt Gottes

Da ist es ja wieder! Wenn ein Theologe auf eine für ihn peinliche Frage mal wieder keine Antwort findet, heißt es sinngemäß: „(Meines) Gottes Wege sind unergründlich.“
Aber komisch, sonst wissen Sie doch auch immer genau, wie und warum Ihr Gott dieses oder jenes tut. Warum hier nicht?

Warum sollte das Bewusstsein nichts mit unserem Gehirn zu tun haben? Diese Anmerkung habe ich nicht verstanden.

Es geht einfach darum, dass Bewusstsein nicht unabhängig vom Gehirn existiert. Wie ich schon sagte, ist Bewusstsein eine Funktion des Gehirns, nicht umgekehrt. Wir haben nicht deshalb ein Gehirn, weil sich Bewusstsein manifestieren wollte, sondern wie haben ein Bewusstsein, weil die Komplexität unseres Gehirns ein solches hervorgebracht hat. Im Übrigen ist Bewusstsein nicht auf das menschliche Gehirn beschränkt. Auch viele Tiere haben ein Bewusstsein, auch wenn manche Theologen ihnen das absprechen wollen, ohne allerdings qualifiziert zu sein, darüber überhaupt ein Urteil abzugeben.

entsprechend kommuniziert Gott auch über unser Gehirn mit uns

Keineswegs! Wie ich an anderer Stelle schon sagte: wenn dem so wäre, dann müsste es fast ebenso viele Götter geben, wie Menschen, die glauben, dass ihr Gott zu ihnen spricht, weil sie dabei jeweils einen anderen Gott „wahrnehmen“.
Solche Gottes-„Erfahrungen“ waren, sind und bleiben pure Illusion. Die Neurologie kann diesen Zustand ja inzwischen durch Stimulation bestimmter Hirnregionen (Schläfenlappen) gezielt herbeiführen. Hier spielen die Neurowissenschaftler also selber „Gott“.

Willen Gottes

?
Theologen kennen diesen genau so wenig wie jeder andere Mensch auch, einfach aufgrund der Tatsache, dass etwas, das nicht existiert, auch keinen Willen besitzen kann.
Abgesehen davon geben nicht einmal die „heiligen“ Schriften etwas her, aus dem sich unzweifelhaft das ablesen lassen könnte, was die jeweiligen Schrift-„Gelehrten“ als den Willen ihres jeweiligen Gottes interpretieren könnten, denn nicht einmal die können sich auf eine verbindliche Interpretation verständigen.

Auch die Bibel zeigt, dass ihr/Ihr Gott keinen verlässlichen Willen hat, weil er häufig zaudert, seinen Willen ändert und dann doch wieder seine einmal getroffene Entscheidung bereut.

Wie ist das Gebot „Du sollst nicht töten!“ zum Beispiel zu verstehen, wenn sein Urheber unmittelbar nach Verkündigung einen Massenmord befiehlt und in der Folge das weitere massenhafte Ermorden von Menschen verlangt, ja nicht einmal davor Halt macht, Eltern das grausame Töten ihrer eigenen Kinder zu befehlen, wenn diese nicht gehorchen wollen?

Christen nennen das bekanntlich Sünde, wenn Christen nicht dem Maßstab, den Jesus verkündigte, entsprechen.

Auch dieser „Maßstab“ Jesu ist eine Erfindung der Theologen, denn im NT finden sich so viele widersprüchliche Äußerungen, die Jesus zugeschrieben werden, dass man beim besten Willen daraus keinen Maßstab zimmern kann.
Laut Jesus (Lk 14, 26f.) wäre es ja eine Sünde, seine unmittelbaren Verwandten NICHT zu hassen, Jesus verflucht ganze Städte, wenn diese seinen Leeren nicht bereitwillig folgen wollen (Mt 11, 20ff.), usw.
Wo sehen Sie denn da einen empfehlenswerten Maßstab?

Wäre es dem in den letzten 300 Jahren aufgekommenen Humanismus nicht gelungen, das Christentum zu zähmen, würde Ihre Glaubensbrüder noch heute Angst und Schrecken in weiten Teilen der Welt verbreiten, so wie es heute noch der Islam tut, an dem die Philosophie der Aufklärung weitgehend vorbeigegangen ist.

man verteidigt sein Versagen, weil man zu wenig aus der Gottesbeziehung heraus lebt. Aber das alles ist wieder ein anderes Thema.

Ich denke, das ist überhaupt kein Thema, wie ich oben schon begründet habe. Eine Gottesbeziehung lässt sich nämlich nicht herstellen:
1. weil es keine Gott gibt, zu dem man eine solche Beziehung aufbauen könnte,
2. selbst wenn es ihn gäbe, überhaupt nicht klar wäre, was dieser Gott überhaupt von uns wollen würde.

 

Wolfgang Fenske
17. November 2018 um 11:00 Uhr

Wir Menschen sind nicht Gott. Auch Glaubende sind nicht Gott. Von daher stehen sie nicht an Gottes Stelle. Können es nicht. Aber dennoch erkennen wir Spuren Gottes. Diese Spuren Gottes finden Christen ausgehend von Jesus Christus und dem Geist Gottes in biblischen Texten. Von hier aus kann man eben schon sagen, Gott würde, Gott sagt, Gott handelt… – aber eben immer mit dem Wissen: Ich bin auch als Christ Sünder, also nicht Gott, sondern kann mich Gott in die Quere stellen.

*

Auch das habe ich schon häufig geschrieben: Was Sie zur Bibel schreiben, kann so nicht gesehen werden. Die Bibel ist – ich wiederhole mich – ein Werk, dessen Bücher die Menschen geschrieben haben, die Menschen gesammelt haben. Sie sind menschliche Weltdeutungen und Gottesbilder. Die Gemeinde erkennt, dass Gott in diesen mal mehr, mal weniger Raum bekommt – eben ganz abhängig von dem jeweiligen Autor und Rezipienten. Die Bibel ist nicht vom Himmel gefallen. So ist aus christlicher Sicht seit Jesus, Paulus usw. (mit Rückschritten in der Kirchengeschichte) die Bibel kein Gesetzbuch, sondern eben als Kanon ein Werk, das mit dem Vorzeichen Jesu Christi und aus dem Geist Gottes heraus verantwortlich gelesen werden soll. Gott hat seinen verlässlichen Willen. Der Mensch ist die Schwachstelle. Aber die Schwachstelle, die Gott duldet, weil er dem menschen den freien Willen lässt. Er ist kein Fundamentalist, wie mancher biblische Autor von Fall zu Fall sein mag, Christen oder auch Nichtchristen in ihrer Sicht der Bibel sein mögen.

*

Bewusstsein: Ja, Tiere haben manchmal Selbst-Bewusstsein, wenn wir es entsprechend interpretieren (z.B. mit dem inzwischen nicht mehr so beliebten roten Punkt auf der Stirn). Aber was bedeutet das nun? Das Selbst-Bewusstsein hat eine andere Dimension bekommen als das der Tiere (soweit wir heute wissen). Die Frage nun: Gab es erst Hirn und dann Bewusstsein – klar, gab es erst komplexes Hirn und dann eben das menschliche Bewusstsein, das aufgrund der Komplexität des menschlichen Hirnes vermutlich auch komplexere Selbstbewusstsein. (Wobei das missverständlich formuliert wurde: Ich meine, dass das Bewusstsein mit der Komplexität des Hirns gewachsen ist. Es war eine Entwicklung Hand in Hand [Hirnwindung in Hirnwindung]) Eben dieses komplexe Hirn des Menschen sagt: Ich habe Erkenntnis meines Bewusstseins durch Außen bekommen, durch einer, der DU gesagt hat. Dann konnte der Mensch ICH sagen. Und dieser, der dem Menschen das DU und ICH ermöglicht hat, im Menschen als Gattung erweckt hat, ist Gott. Dieses hat der Mensch auch aufgrund seines Transzendenzbezugs auch wahrgenommen. Heute löst man es natürlich davon, weil es als besonders wissenschaftlich gilt – bis zum Erweis des Gegenteils, was aber zurzeit noch nicht in Sicht ist.

*

Alles mögliche kann am Hirn stimuliert werden. Doch was sagt das aus? Hirn ist Hirn – ob nun Gott darüber kommuniziert oder nicht. Was ist Illusion? Das, was manche als eine solche Erklären? Damit sind wir wieder auf den Menschen und seine Weltdeutung gestoßen. Manche geben vor: Alles ist so wunderschön erklärbar und eindeutig. Mögen sie damit glücklich sein. Aber die Welt ist komplex, Weltwahrnehmung und auch Gotteswahrnehmungen sind komplex.

*

Mag der Humanismus das Christentum gezähmt haben – so ist der Humanismus doch Kind auch christlicher Ansätze. Und das Christentum heute trägt aus meiner Sicht dazu bei, den Humanismus zu zähmen. Wenn eine Gruppe dominant wird, kann sie unmenschlich werden, weil sie – was am Menschen liegt – meint, dass an seinem Denken die Welt endlich zum Paradies wird. Von daher bin ich froh, dass es unterschiedliche Weltdeutungen gibt – und dazu gehört eben auch die aus dem Glauben heraus.

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Wolfgang Fenske © 2019