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Atheismus und Christentum

Ausgangstext der Diskussion 27.11.2017: http://blog.wolfgangfenske.de/2017/11/27/bileam-und-der-esel-tierschutz-fleischkonsum/

Bileam und der Esel + Tierschutz + Fleischkonsum - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 27. November 2017

Im Buch Numeri (4. Buch Mose) finden wir in Kapitel 22 die Geschichte von Bileam und dem Esel. Es ist eine sonderbare Geschichte, die Barbeitungen zeigt, aber wie auch immer: Es geht um den Propheten Bileam, der von Feinden Israels gebeten wird, das Volk zu verfluchen. Gott verbietet es ihm. Doch letztlich geht er doch mit, weil er meint, Gott habe es ihm erlaubt. Also gegen den Befehl Gottes, meint er, Gottes Stimme zu hören, die es ihm erlaube, mitzugehen. Der versprochene Lohn / Bestechung war auch zu reizvoll. (Oder zeigt dieser Abschnitt, dass Gott dann doch auf die Wünsche der Menschen eingeht – sich dann aber doch durchsetzt?)

Nun macht er sich mit seiner Eselin auf, um zu den Feinden Israels zu reisen. Aber Gott stellt ihm seinen Engel in den Weg – den kann nur die Eselin sehen. Sie reagiert auf den Engel – und Bileam schlug wütend auf die Eselin ein. Dann ließ Gott die Eselin sprechen: „Was habe ich dir getan? Warum hast du mich geschlagen?…“ Dann öffnete Gott dem Bileam die Augen und er konnte den Engel auch sehen. Der Engel macht dem aggressiven Propheten den Vorwurf, die Eselin geschlagen zu haben. Der Engel lässt den Propheten zu den Feinden gehen, aber nicht, ohne ihn ermahnt zu haben nur das zu sagen, was Gott ihm in den Mund gibt. Geläutert segnet der Prophet dann Gottes Volk mit vier Segen.

Das ist eine schöne Geschichte, die in der damaligen Zeit vermutlich die Bockigkeit der Esel erklären soll: Sie sind so, weil sie Engel wahrnehmen. Die Geschichte wird ausdrücklich im Mittelalter als ein Text angesehen, der zeigt, dass Tiere nicht grausam behandelt werden dürfen. Maimonides (12. Jh. n. Chr.) beruft sich dabei schon auf die weisen Vorfahren.

Was das Essen von Fleisch betrifft: Interessanterweise hören wir beim Propheten Jeremia (7,22), dass Gott keine Opfer befohlen habe, Opfer werden mit Heiden in Verbindung gebracht. Vorher hat schon Amos 5,20ff. ähnlich gesprochen. Ebenso lehnt Gott laut Hosea 6 Opfer ab – er fordert stattdessen ein soziales Handeln. Psalmisten beten ähnlich (40,6; 51,16). Und diese opferkritische Strömung durchzieht auch das NT (z.B. Hebräer 10,18) – entsprechend haben Christen auch vielfach nicht mehr an Opfermahlzeiten teilgenommen (weil sie heidnischen Göttern geopfert waren) und selbst auch keine Opfer mehr vollzogen. (Vgl. auch Paulus Römer 14: So essen die einen alles, ohne dass ihr Glaube in Gefahr gerät, während andere meinen, sich zu versündigen, wenn sie Fleisch essen [es geht auch hier wohl um Opferfleisch]) Von den Nestorianern heißt es, dass sie kein Fleisch gegessen haben und auch der Kirchenvater Hieronymus meint, dass Jesus wieder an das Paradies angeknüpft habe, in dem kein Fleisch gegessen wurde, somit sei Christen der Fleischgenuss nicht erlaubt. Wobei Jesus selbst vermutlich auch Fleisch gegessen hat, aber eigenartiger Weise werden die Abendmahlsworte (mein Leib) nicht mit dem Passalamm verbunden, sondern mit Brot. Das Gleichnis vom Verlorenen Sohn, in dem vom gemästeten Kalb gesprochen wird, das zur Feier des Tages geschlachtet wird, muss nicht bedeuten, dass Jesus selbst Fleisch gegessen hat, es kann darauf hinweisen, dass er damit ein Bild aufgegriffen hat, das die Zuhörer gut als äußerst große Feier verstanden haben. Das soll alles nicht heißen, dass die Bibel nicht Fleischkonsum kennt. Fleisch zu essen ist gängig, wobei wir allerdings daran denken müssen, dass Fleisch – je nach Zeiten – selten gegessen wurde, weil es eben wenig gab. Fleisch essen gehört zur gefallenen Schöpfung, zum Sündig-Sein des Menschen. Das wird den Menschen immer wieder bewusst, auch wenn der Mensch sich aus welchen Gründen auch immer (nicht nur im Fleischessen) als Sünder (Hochmut, Intoleranz, Geiz…) geriert.

Ich lerne daraus immer stärker: Unangemessenes Verhalten gegen Tiere ist abzulehnen, Fleisch zu essen sollte etwas sein, das nicht selbstverständlich wird, sondern dass man sich bewusst wird, was man tut. Tierquälerei mag manchen Tieren nicht schaden, weil sie es nicht spüren (Insekten). Aber das zeigt doch, wes Ungeistes Kind Tierquäler sind (eine Schnake erschlagen quält sie nicht. Aber ihr die Beine und Flügel ausreißen, bevor man sie tötet, zeigt den Ungeist eines Menschen).  Die Unmenge an Fleisch, die weggeworfen wird, weil eine Überproduktion herrscht, sollte auch eingeschränkt werden.

Für mich geht der Mensch immer vor. Sonst müsste man auch so manches Halten eines Schoßhündchens verbieten. Wie viele sind wohl schon an einer Überdosierung menschlicher Liebe und Zuwendung gestorben.

Zudem denke ich mir, dass man Menschen, die in Schlachtereien arbeiten, die Möglichkeit geben sollte, wenn sie es nicht mehr tun wollen, einen anderen Beruf zu finden. Ich denke mir, dass manche Skrupel bekommen können. Das heißt nicht, dass ich gegen den Beruf des Metzgers oder Schlachters, des Jägers bin. Die Menschen dienen unserer Ernährung. Er ist sehr wichtig. Gegen sie vorzugehen ist anmaßend und Menschen verachtend. Aber wenn es Menschen geben sollte, die ihn nicht mehr ausüben können, sollte ihnen nicht die Armut drohen, sondern eben Möglichkeiten gegeben werden, eine Umschulung zu bekommen.

Ich weiß, all das müsste detaillierter, argumentativer dargelegt werden, aber das sprengt diesen Rahmen.

(Wie ging es mit Bileam weiter? Er wurde von den Männern des Mose getötet – 31,8. Es wurde eine Inschrift [9./8. Jahrhundert vor Christus] gefunden, die ihn als Seher der Götter bezeichnet. In seinem Mund findet sich eine Prophezeiung – die auf David [um 1000 v. Chr.] hinweisen soll: „Noch ist er nicht da, aber ich kann ihn schon erkennen. Ein Stern steigt auf von den Nachkommen Jakobs, ein Zepter erhebt sich in Israel.“ (24,17) – Das heißt, dass dem heidnischen Propheten, der ca 800 lebte, nachträglich [600-500?] ein Wort in den Mund gelegt wurde, das David [ca. 1000] als von Gott Angekündigten legitimieren sollte. Christen haben das Wort dann als Ankündigung des Nachfahren Davids, Jesus Christus, gesehen. Ich finde diese Jahresangaben spannend, weil es sich um Jahrhunderte (!) handelt.)

 

Diskussionsfaden
8 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
28. November 2017 um 20:20 Uhr

Was das Essen von Fleisch betrifft: Interessanterweise hören wir beim Propheten Jeremia (7,22), dass Gott keine Opfer befohlen habe, Opfer werden mit Heiden in Verbindung gebracht.

???

Finde ich eine etwas seltsame Auslegung, denn hier ist von Opfern die Rede, davon, dass das Volk Israel kein Fleisch essen soll, dagegen nicht.

Im Gegensatz dazu steht dann auch 1. Mose, 9,3-4, wo Jahwe das Essen von Fleisch sogar ausdrücklich gebietet:

Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich’s euch alles gegeben. 4 Allein eßt das Fleisch nicht, das noch lebt in seinem Blut

Es ist also so, dass im Gegenteil Vegetarier ein Problem haben, wenn sie gläubig sind, weil sie ständig gegen ein Gebot ihres Gottes verstoßen, indem sie den Verzehr von Fleisch meiden.

Der Vegtarismus lässt sich also nur über drei Ecken aus der Bibel begründen, der Fleischverzehr dagegen völlig ohne Umschweife. Ein Atheist hat dagegen keine Probleme, wenn er sich dafür entscheidet, kein Fleisch zu essen.

 

Wolfgang Fenske
29. November 2017 um 6:14 Uhr

Jetzt muss ich einmal „????“ machen. Christen müssen doch nicht biblisch begründen, warum sie Fleisch essen oder als Vegetarier oder Veganer oder Frutarier oder sonst was leben wollen. Oder habe ich was verpasst.

 

Holger Gronwaldt
29. November 2017 um 10:56 Uhr

Christen müssen doch nicht biblisch begründen, warum sie Fleisch essen oder als Vegetarier oder Veganer oder Frutarier oder sonst was leben wollen. Oder habe ich was verpasst.

Möglicherweise schon, denn es gibt viele Christen, die ihre Einstellung zu Fragen des Alltags und ihr tägliches Verhalten mit Bibelsprüchen begründen. Außerdem haben Sie ja folgendes geschrieben:

Ich lerne daraus [Geschichte von Bileam] immer stärker: Unangemessenes Verhalten gegen Tiere ist abzulehnen, Fleisch zu essen sollte etwas sein, das nicht selbstverständlich wird, sondern dass man sich bewusst wird, was man tut.

Also begründen Sie auch Ihre Einstellung mit Geschichten aus der Bibel.
Wie ich schon sagte, ist das grundlegende Problem der Bibel, dass man zu sehr vielen Fragen mehrere, einander ausschließende Antworten aus der Bibel ableiten kann. Ganz abgesehen davon, dass die Bibel naturgemäß zu vielen Fragen der Gegenwart ohnehin keine Antworten geben kann, weil unsere Erkenntnisfähigkeit – auch und gerade in ethischen Fragen – längst die Bibel hinter sich gelassen hat.

 

Wolfgang Fenske
29. November 2017 um 18:25 Uhr

Da haben Sie mich erwischt. 😉
Zu diesem Komplex Bibel – Exegese und Hermeneutik später mehr.

 

Holger Gronwaldt
29. November 2017 um 12:56 Uhr

Ergänzung:

Fleisch essen gehört zur gefallenen Schöpfung, zum Sündig-Sein des Menschen.

Widerspruch! Fleisch zu essen kann nur als ein Gebot Jahwes interpretiert werden, wie ich schon nachwies:

Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich’s euch alles gegeben.

1. Mose 9,3

Schlimmer noch als diese Aussage im AT ist aber der Vers davor:

Furcht und Schrecken vor euch sei über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel, über alles, was auf dem Erdboden kriecht, und über alle Fische im Meer; in eure Hände seien sie gegeben.

Damit wird praktisch auch das grausamste Verhalten von Menschen gegenüber Tieren biblisch gerechtfertigt, denn „Furcht und Schrecken“ kann man nur durch diverse Formen der Gewaltanwendung verbreiten.

Bezeichnend ist auch, was der „heilige Kirchenvater“ Augustinus zum Umgang mit Tieren sagt: „Christus selbst zeigt, dass es höchster Aberglaube ist, sich des Tötens von Tieren und der Zerstörung von Pflanzen zu enthalten, denn da er urteilte, dass es keine gemeinsamen Rechte zwischen uns und den Tieren und den Bäumen gibt, sandte er die Teufel in eine Schweineherde und belegte den Baum, an dem er keine Frucht fand, mit einem Fluch. Gewiss aber hatten weder die Schweine [Mk 5,1-20] noch der Baum [Mk 11, 12-20; Mt 21,18-20] gesündigt.“
(zitiert nach Passmore, Man’s Responsibility for Nature)

Bibel und Kirche geben also jede Rechtfertigung zur rücksichtslosen Ausbeutung der Natur. Ich denke nicht, dass sich ein Mensch von heute nach solchen archaischen „Moral“-Vorstellungen richten sollte.

 

Wolfgang Fenske
29. November 2017 um 18:10 Uhr

Genau. Ganz Ihrer Meinung, was archaische MoralVorstellungen betrifft. Ich weiß nicht, ob das nur ein Zitat aus dem großen Werk von Augustinus ist, ob es aus dem Zusammenhang gerissen ist, ob es seine Meinung insgesamt ist usw. usw. Und nicht alles, was so im Laufe der Kirchengeschichte Menschen gesagt haben, ist von Relevanz, sondern das, was wir aus unserer Perspektive heute übernehmen können, was uns weiterhilft, auf neue und gute Gedanken bringt. Die Auslegung des NT wie sie Augustinus vollzog, ist heute nicht mehr up to date.

 

Holger Gronwaldt
29. November 2017 um 21:02 Uhr

Und nicht alles, was so im Laufe der Kirchengeschichte Menschen gesagt haben, ist von Relevanz, sondern das, was wir aus unserer Perspektive heute übernehmen können, was uns weiterhilft, auf neue und gute Gedanken bringt. Die Auslegung des NT wie sie Augustinus vollzog, ist heute nicht mehr up to date.

Da begeben Sie sich aber auf ein für Sie gefährliches Glatteis, denn wenn wir auch die Bibel „aus heutiger Perspektive“ beurteilen sollen, dann müssten Sie auch sagen, nach welchen Kriterien diese Beurteilung stattfindet und aus welchen Quellen diese Kriterien stammen. Mit fällt dazu im Wesentlichen die Philosophie der Aufklärung auf dem heutigen Entwicklungsstand ein und damit ist die Bibel auch nicht wichtiger als ein beliebiges Stück Weltliteratur.

 

Wolfgang Fenske
1. Dezember 2017 um 17:07 Uhr

Zum Thema Bibel und Auslegung s. den morgigen Beitrag (2.12.) "Bibel-1".

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