Blog-Diskussionen

Atheismus und Christentum

Ausgangstext 22.11.2018: https://blog.wolfgangfenske.de/2018/11/22/in-einer-zelle/

In einer Zelle - von Wolfgang Fenske
Veröffentlicht am 22. November 2018

Das, was ich neulich als Antwort auf einen Kommentar geschrieben habe, gilt nicht nur für den Kosmos, das gilt auch für die Zelle und vieles andere:

Transzendenz berührt das, was ich sagte nicht. Transzendenz bleibt Transzendenz. Gott bleibt immer das Gegenüber. Aber: das Denken und Erforschen der Welt machen Fortschritte. Die Welt ist eine Einheit. Das Forschen zerfällt in viele kleine Einzeldisziplinen – aber dennoch ist das, was erforscht wird, eine Einheit. So sehe ich auch, dass der Glaube als Teil dieser Schöpfung, das Denken als Teil der Schöpfung, die Wissenschaft als Teil der Schöpfung sich alle um die eine Welt drehen, wir aber die Einheit noch nicht erkennen können. Das ist Zukunftsmusik. Klar.
Ich denke daran, dass die Erkenntnis, dass mit dem so genannten Urknall eine ganz bestimmte Geschwindigkeit vorhanden war (sonst hätte sich nichts bilden können), dass dann der Abstand der Erde von der Sonne, der Neigungswinkel der Erde, die Erdatmosphäre, die Stellung der Planeten, die Besonderheit des Wassers usw. usw. – ich meine einmal gelesen zu haben, dass es 37 solcher Besonderheiten bedurfte, dass Leben überhaupt möglich ist… – und dann auch noch Welt beobachtendes, selbstbewusstes, denkendes Leben. Dass solche Beobachtungen der Wissenschaft in Menschen eine Offenheit für den Glauben herstellen können. Von daher ist Wissenschaft auch eine Art „Hebamme“ des Glaubens. Je mehr Wissenschaft herausfindet, desto stärker kann sie evtl. als eine solche Hebamme angesehen werden. Natürlich gibt es Sicherungen, die einen solchen Glauben verhindern sollen (die Fülle der möglichen Planeten, die Phantasien, dass es nur so von intelligenten Lebewesen wimmelt, die Multiversen, das alles könnte eben darauf hindeuten, dass es einfach nur Zufall ist, dass die denkenden Zweibeiner auf der Erde herumlatschen und sich wichtig nehmen).
Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt, leider werden wir das alles nicht mehr wahrnehmen können.

(Kommentar zum Blog-Beitrag: "Unvollständige Gedanken 1" – dort auch Kritik an meinem Text.)

 

Diskussionsfaden
6 Kommentare/ Antworten

 

Holger Gronwaldt
22. November 2018 um 18:53 Uhr

Transzendenz bleibt Transzendenz. Gott bleibt immer das Gegenüber.

Je nachdem wie man Transzendenz definieren möchte, kann es fraglich sein, ob Transzendenz überhaupt mehr als ein rein gedankliches Konstrukt ohne Entsprechung in der Außenwelt ist. Das selbe gilt natürlich auch für den Begriff „Gott“, für dessen Existenz es ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte gibt.

Auch das Recyclen von alten Texten im Wortlaut hilft hier nicht weiter.

Ich denke daran, dass die Erkenntnis, dass mit dem so genannten Urknall eine ganz bestimmte Geschwindigkeit vorhanden war (sonst hätte sich nichts bilden können)

??? das ergab schon neulich keinen Sinn.

Und nein, dass Leben auf der Erde von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig ist, ist kein Hinweis darauf, dass es „jemand“ bewusst/absichtlich so gedreht hat. Die Logik ist genau umgekehrt: gäbe es diese Voraussetzungen in unserem Sonnensystem nicht, wären wir auch nicht da, um, darüber nachzudenken, wie „wunderbar“ doch alles eingerichtet ist (ist es nämlich gar nicht!).
Auch die Komplexität heutigen Lebens gibt nur Auskunft darüber, dass Evolution eine Menge bewirken kann, wenn Zeit und sonstige Voraussetzungen gegeben sind.

Der wichtigste Gedanke ist aber dieser: Selbst wenn wir davon ausgehen müssten, dass das Universum durch einen Gott/Götter in Gang gesetzt wurde und dass diese(r) sogar die Evolution beeinflusst hätte(n), könnten wir immer noch sehr wenig über solche(n) Gott/Götter aussagen, außer dem Umstand, dass es/sie wohl eher experimentierfreudig als planend vorgegangen wäre(n), denn viele Dinge im Universum/Leben sind so beschaffen, dass man intelligente Planung eher ausschließen muss.

Warum der Versuch, Evolution durch eingreifen eines Gottes zu erklären, scheitern muss, wird hier sehr einleuchtend dargestellt:
https://de.richarddawkins.net/articles/gottgelenkte-evolution

Hinzu kommt dann noch, dass zwischen einem hypothetischen Schöpfer des Weltalls und einem Gott, so wie ihn die Christen sich vorstellen, kaum Verbindungen herzustellen sind.

Wird dann die beliebte Frage gestellt, wie den aus nichts etwas entstehen könne, provoziert das nur die Gegenfrage, wie denn ein Gott aus dem nichts entstehen könne und woraus der dann das Universum geschaffen haben können, etwa auch aus dem Nichts? Dann ginge es ja doch!

Natürlich gibt es Sicherungen, die einen solchen Glauben verhindern sollen

Die kämen aber nicht von der Naturwissenschaft, denn die ist daran interessiert, was sich als wahr belegen lässt, wohin immer die Erkenntnis auch führen mag.
Menschen in vergangenen kamen mangels Wissen ohne Gott-Hypothese schlecht aus, das hat sich bis heute grundlegend gewandelt. Heute kann die Naturwissenschaft zeigen, dass bestimmte Gottesvorstellungen, etwa die vom gleichzeitig allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott mit der Realität nicht zu vereinbaren sind.

Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt, leider werden wir das alles nicht mehr wahrnehmen können.

Ich denke, das sollten wir durchaus neutral sehen, denn wären wir zu einem früheren Zeitpunkt geboren worden, würden wir noch viel weniger von der Welt um uns herum wahrnehmen können.

Es gab sogar mal eine Zeit, da wussten wir Menschen noch nicht einmal, wie es auf der Rückseite des Mondes aussieht. Für Kinder von heute kaum noch vorstellbar.

Und mit jeder neuen Entdeckung werden die Götter der Vergangenheit wieder ein Stück kleiner. Entgegen ihrer Wunschvorstellung ist die Wissenschaft dann doch nicht die Hebamme des Glaubens, sondern auf dem Wege vom Sargträger zum Totengräber des Glaubens.
„Weißt du schon? Oder glaubst du noch?“

 

Wolfgang Fenske
24. November 2018 um 13:25 Uhr

Transzendenz/Gott – darüber sprechen wir schon lange, kommen also nicht zusammen.

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Was ich mit der Geschwindigkeit im Kontext des Urknalls meine ich die Expansionsrate. All das bedeutet nicht, dass es ein Gottesbeweis ist, wie Sie darlegen, es bedeutet nur, dass es ein Glaubens-Bekenntnis ist, dass man es auch andersherum sehen kann. Ein Glaubensbekenntnis, das eben nicht von Zufall ausgeht oder rückblickend: War halt irgendwie so, sondern; Es ist gewollt, womit Leben usw. auch Sinn bekommt. Evolution kann gar nichts bewirken. Es ist einfach nur ein Ablauf irgendwelcher zufällig zusammen kommender Komponenten. Aber ich denke, dass Sie das aus dieser Perspektive auch sehen.

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Was die Experimentierfreude Gottes betrifft: Warum nicht? Dem Menschen einen freien Willen zu geben, zeugt von großer Experimentierfreude 😉

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Diese Gegenfrage weist nur darauf hin, dass Gott eben so definiert wird: ewig… – wenn es die Welt wäre, wäre per definitionem die Welt eben Gott. Aber dass die Welt ewig war, wäre genauso glauben wie der, dass Gott ewig war. Das alles übersteigt uns Menschen, deren Verstand darauf ausgerichtet war, den kleinen Alltag überleben zu können und immer stärker über seine Umwelt staunte, nachdachte, Worte fand… Und so staunen wir als religiöse Menschen oder als atheistische Menschen über das alles, was uns umgibt: leben, Farben, Vielfalt, Mensch, Sprache, kosmische Dimensionen, Atome…

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Naturwissenschaft kann keine Aussagen zum allmächtigen Gott usw. machen und ich vermute, dass sich Naturwissenschaftler auch hüten würden das zu tun. Warum? Das gehört nicht in ihren Kompetenzbereich. Es ist eine Frage der Sprache und des Glaubens. Was ist allmächtig… – und darüber haben wir auch schon diskutiert. Sammlung der Blog-Beiträge zum Thema "Gott und Gottesbilder"

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Götter mögen kleiner werden – aber nicht Gott. Was hat das alles mit der Rückseite des Mondes zu tun? Der so genannte Lückenbüßer-Gott wird schon etwas länger diskutiert. Von dem haben sich Christen, die sich mit solchen Fragen beschäftigen, denke ich schon länger emanzipiert. Es geht um andere Dimensionen als um die, die wir uns mit unserem gegenständlichen Denken so denken können, die wir mit unserem philosophischen Denken immer weiter ausdehnen… – aber auch Glaubende wissen nicht erst seit heute: Wenn man von Gott als Person spricht – er ist kein Mensch mit Bart auf einer Wolke (oder auf der Rückseite des Mondes), er ist mehr, wenn man von Gott als Energie spricht, er ist keine Energie im landläufigen Sinn, er ist mehr. Er ist kein Teil der Schöpfung, aber wir Menschen bleiben mit unserer Sprache immer an den Bildern hängen, die uns als Geschöpf an unser Umfeld binden (Person, Energie, Wille usw.). Wir tasten uns Gott entgegen – der uns entgegen kommt, den wir aber eben aufgrund unserer Begrenztheit immer nur punktuell wahrnehmen können.

 

Holger Gronwaldt
22. November 2018 um 22:16 Uhr

Vielleicht noch eine kleine Ergänzung um bereits Gesagten:

Auf bestimmten Websites findet man häufig die Behauptung, dass Einstein religiös gewesen sei. Man möchte damit diesen zweifellos überaus intelligenten Menschen für die eigenen religiösen Zwecke vereinnahmen. Allerdings hat Einstein sich deutlich zu diesem Thema geäußert:

Es war natürlich eine Lüge, was Sie über meine religiösen Überzeugungen gelesen haben, eine Lüge, die systematisch wiederholt wird. Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott und ich habe dies niemals geleugnet, sondern habe es deutlich ausgesprochen. Falls es in mir etwas gibt, das man religiös nennen könnte, so ist es eine unbegrenzete Bewunderung der Struktur der Welt, so weit sie unsere Wissenschaft enthüllen kann.“ …
„Das Wort Gott ist für mich nichts als Ausdruck und Produkt menschlicher Schwächen, die Bibel eine Sammlung ehrwürdiger, aber doch reichlich primitiver Legenden. […] Keine noch so feinsinnige Auslegung kann etwas daran ändern. Diese verfeinerten Auslegungen sind […] höchst mannigfaltig und haben so gut wie nichts mit dem Urtext zu schaffen.

Hier haben wir also den Fall, dass ein Mensch, der sich wie kein zweiter vor ihm und kaum jemand nach ihm die Struktur der Welt aufgedeckt hat, unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass ein persönlicher Gott in seinem Weltbild nichts zu suchen hat.

Damit dürften auch all die krampfhaften Versuche, von Phänomenen. die in der Natur anzutreffen sind, auf die Existenz eines Gottes/Götter zu schließen, ein für alle Mal zum Scheitern verurteilt sein.

 

Wolfgang Fenske
24. November 2018 um 12:57 Uhr

Was auch immer Einstein gesagt und geglaubt haben mag: Bei mir hat er nicht ein solches Gewicht, dass er bestimmt, ob es Gott gibt oder nicht. Er hat seine Sicht, andere haben ihre Sicht. Er ist Mensch wie jeder andere auch. Wäre ja noch schöner, wenn Glaubende sich von nicht glaubenden Menschen Nichtglauben vorschreiben ließen: Huch, Einstein hat nicht geglaubt? Also weg mit meinem Glauben! Genauso wenig, wie glaubende Wissenschaftler nicht glaubenden Menschen Glauben vorschreiben können: Huch, Planck hat geglaubt? Also tue ich es auch. Dann wäre ja nicht mehr der Herrscher der Maßstab für den Glauben (cuius regio eius religio) – sondern der Wissenschaftler.

 

Holger Gronwaldt
25. November 2018 um 0:39 Uhr

Netter Versuch, die Beweislast umzudrehen. Es bleibt für Sie aber das Problem, dass Religionen Aussagen machen, die mit der Realität der Welt, so wie sie von den Wissenschaften in mühevoller Kleinarbeit als Erkenntnis herausgearbeitet wurde, in krassem Widerspruch stehen.

Bei mir hat er nicht ein solches Gewicht, dass er bestimmt, ob es Gott gibt oder nicht.

Bei mir macht es schon einen Unterschied, wenn jemand, der die Struktur der Welt besser begriffen hat als je ein Mensch vor ihm, das kleinkarierte Weltbild der Theologen als Kinderkram abtut.

Er hat seine Sicht, andere haben ihre Sicht.

Wobei die einen auf einem Berg stehen und einen guten Überblick haben und die anderen mit Scheuklappen und Gehörschutz durch die Gegend laufen und unbedarft Kinderlieder nachplappern, die ihre Amme ihnen vorgesungen hat.

Er ist Mensch wie jeder andere auch

Als Mensch gesehen ist da wohl richtig, aber als Wissenschaftler hatte Einstein dem Rest der Menschheit 99,9999999% an Wissen voraus.
Und er hat eben keine Spur des jüdischen oder christlichen Gottes im Universum entdecken können.

Glauben MUSS man vorschreiben – im wahrsten Sinne des Wortes – da er sich nicht von selbst ergibt, Nichtglauben BRAUCHT man nicht vorzuschreiben, da dieser allein über Vernunft und Wissen erreichbar ist.

Dann wäre ja nicht mehr der Herrscher der Maßstab für den Glauben (cuius regio eius religio) – sondern der Wissenschaftler.

Der alleinige Maßstab für den Glauben ist die Realität und da scheitert das Christentum am Problem der Theodizee.

 

Wolfgang Fenske
2. Dezember 2018 um 8:20 Uhr

Wäre auch kurios, wenn Religionen schon alles gewusst hätten – dann bräuchten wir die Wissenschaften nicht. Wie kann man nur auf die Idee kommen, dass Religionen bzw. religiöse Menschen sich nicht irren? Religion ist Welt-Interpretation aus der jeweiligen Perspektive. Wissen ist mit Blick auf Gott ausgesagt – aber eben, wie schon häufig angemerkt: Der Mensch verzerrt aufgrund seines Wesens seine Gotteserkenntnis.

*

Hat Einstein wirklich die Welt begriffen – besser als je ein Mensch vor ihm? Das gilt für sein Metier, aber nicht umfassend. Liebe, Gerechtigkeit, Selbstbewusstsein… Den Gott Spinozas hat er übrigens angenommen. Ist eher pantheistisch – aber folgen Sie darin Einstein, der doch alles weiß…?

*

Realität ist das, was messbar ist – Wirklichkeit ist umfassender. Realität ist nur ein Teil der Wirklichkeit. Irre ich mich? Es kommt immer auf den Zugang des jeweiligen Individuums zur Wirklichkeit an. Und das ist kulturell bedingt, emotional, usw. Entsprechend gehört bekanntlich für den Denkenden Menschen das dazu: Dass er sich seiner Zugangsweisen bewusst wird. Ich habe diesen und jenen Zugang – von daher komme ich zu diesen Schlussfolgerungen. Andere haben andere Zugänge – entsprechend kommen sie zu ihren Schlussfolgerungen. Das ist die Grundlage der Toleranz: Erkennen, dass man als Individuum nicht die Weltweisheit mit Löffeln gefressen hat, sondern eben nur ein Mosaiksteinchen der Zugänge zur Wirklichkeit ist.

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